Einmal mehr heisst es, die «Guten» kämpften gegen die «Bösen»

Einmal mehr heisst es, die «Guten» kämpften gegen die «Bösen»

von Karl Müller

Manchmal braucht es nur wenige Worte, um deutlich zu machen, mit welch plumpen Methoden wir Bürger davon überzeugt werden sollen, dass der Krieg eine gute Sache sei. Der republikanische Sprecher des US-amerikanischen Repräsentantenhauses, John Boehner, hat, so jedenfalls berichtete die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» am 30. September, den Einsatz von US-amerikanischen Bodentruppen im Krieg gegen den IS, den «Islamischen Staat», gefordert. Die USA hätten keine andere Wahl: «Das sind Barbaren. Sie wollen uns töten. Wenn wir sie nicht zuerst vernichten, dann werden wir den Preis zahlen.»
Das klingt nicht nur nach dem «Wilden Westen», das ist auch so gemeint. Boehner vermied es selbstverständlich zu erwähnen, dass das schon Jahre andauernde menschliche Leiden im Nahen und Mittleren Osten «der Fluch der bösen Tat» (Peter Scholl-Latour) ist und dass die «böse Tat» viele Täter in den westlichen Staaten hat, zum Beispiel CIA-Flüge mit libyschen Kämpfern nach Syrien, wie selbst in einem Interview des Deutschlandfunks mit einem Politikwissenschaftler der Universität Bonn bekundet wurde, der ansonsten auch voll auf Krieg setzt. Hochrangige US-Politiker haben sehr gerne mit den «Barbaren» zusammengearbeitet, als es opportun erschien – wie der Artikel von Thierry Meyssan zeigt. Herr Boehner hat auch vergessen zu erwähnen, dass es eine US-amerikanische Militärzeitschrift war, die forderte, neue Grenzen, sogenannte «Blutgrenzen», im Nahen und Mittleren Osten zu ziehen. Nicht mit friedlichen Mitteln.
Herr Boehner fordert, die «Barbaren» des IS zu «vernichten». Hatte nicht der Massenmörder Lenin gesagt: «Gemeinsames, einheitliches Ziel ist die Säuberung der russischen Erde von allem Ungeziefer.» Wie weit ist der Schritt von einer derart martialischen Sprache hin zur Enthumanisierung von Menschen? Es kann nicht darum gehen, Verbrechen im Namen des IS zu verharmlosen oder gar zu «verstehen». Aber ist ein «Vernichtungsfeldzug» der richtige Weg, um in Zukunft die Verbrechen zu verhindern, die es heute tatsächlich gibt? Pankaj Mishra hat uns in seinem Buch «Aus den Ruinen des Empires. Die Revolte gegen den Westen und der Wiederaufstieg Asiens» so eindrucksvoll von dem Unrecht erzählt, dass der Westen auch diesem Teil der Welt angetan hat. Und vom verzweifelten Aufbegehren dagegen. Können wir die Gewalt im Nahen und Mittleren Osten wirklich beenden, so lange wir die Menschen dort und ihre tragische Geschichte nicht wirklich verstehen?
Schliesslich: Cui Bono? Die interessierte Öffentlichkeit weiss, dass kein, wirklich kein Krieg geführt wurde zum Wohle der Menschheit. Das wird auch beim Krieg gegen den IS so sein. Aber was ist der Sinn dieses Krieges? Welcher Logik folgt er? Auch darüber kann man nachdenken. Soll jetzt, nachdem es im Jahr 2013 noch nicht ging, der offene Krieg gegen Syrien durch die Hintertüre geführt werden? Das türkische Parlament hat, so wollte es die Regierung, die Vollmachten zum Einsatz von Truppen in Syrien erteilt. Oder geht es darum, endlich allen zeigen zu wollen, dass der Krieg doch eine gute Sache ist – wo doch die ganze Menschheit bislang trotz aller Propaganda nicht überzeugt werden konnte.
Eine Voraussage sei gewagt: Auch der Krieg gegen IS wird nichts besser machen. Im Gegenteil – wieder werden Tausende Menschen sterben, wird es unendliches Leid und gewaltige Zerstörungen geben. «War is obsolete», sagte ein US-amerikanischer Kriegsveteran vor ein paar Jahren nach den US-geführten Kriegen gegen Jugoslawien, Afghanistan und Irak. Die Zerstörungen, die hier angerichtet wurden, und die menschlichen Opfer der Entrechtung, Demütigung und des Abschlachtens sind nicht mehr wiedergutzumachen. Alle drei Länder sind auf Ewigkeit atomar verseucht. Weniger «barbarisch» als die Methoden des IS waren diese Kriege sicherlich nicht.  •  •

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