Inszenierte Unruhen in Venezuela nach ukrainischem Strickmuster

Inszenierte Unruhen in Venezuela nach ukrainischem Strickmuster

Doch die Staaten Lateinamerikas schliessen die Reihen gegen die USA

Interview mit alt Botschafter Walter Suter*

thk. In letzter Zeit berichten unsere Medien immer wieder, dass es in Venezuela Widerstand gegen die Regierung von Nicolás Maduro gebe und dieser sich in Protesten gegen seine Politik richten würde. Die Vorwürfe reichen von «wirtschaftspolitischer Unfähigkeit» bis «undemokratischem Vorgehen». Die westliche Presse greift diese Schlagwörter willfährig auf und rechtfertigte damit die mehrheitlichen gewaltsamen Proteste. Von aussen betrachtet erinnern diese Darstellungen in unseren Medien an die Berichterstattung aus Kiew und dem Maidan, vor allem die Opposition findet Gehör. Da vieles, was in unseren Medien erscheint, kaum der Realität entspricht, hat Zeit-Fragen den ehemaligen Schweizer Botschafter in Venezuela, Walter Suter, der bis heute enge Kontakte nach Lateinamerika unterhält, zur Entwicklung in Venezuela und zu den aktuellen Vorgängen befragt.

Zeit-Fragen: Die Welt scheint in Aufruhr. Wir haben in verschiedenen Ländern Unruhen, die eigentlich alle nach einem ähnlichen Strickmuster abzulaufen scheinen, sei das in Syrien oder aktuell in der Ukraine, aber auch in Lateinamerika, in Venezuela. Wie beurteilen Sie die Entwicklung dort?

alt Botschafter Walter Suter: Die ganze Entwicklung hat in Venezuela mit dem Tod von Hugo Chávez zu tun. Er wurde im Oktober 2012 mit grosser Mehrheit wiedergewählt, starb aber kurz darauf. Gemäss der Verfassung musste ein neuer Präsident gewählt werden. Diese Wahl gewann mit ganz knappem Vorsprung Nicolás Maduro. Die Opposition hatte hier wohl den Eindruck, man könne den aus ihrer Sicht geschwächten, neuen Staatspräsidenten unter Druck setzen. Daraus resultierte die Nichtanerkennung des Resultats, auch wenn es knapp war. Der Wahlrat, der schon seit Jahren funktioniert und bei den Gouverneurswahlen einige Monate zuvor den oppositionellen Henrique Capriles bestätigt hatte, bei gleicher Zusammensetzung des Wahlbüros, war nun plötzlich nicht mehr vertrauenswürdig. Das ist völlig irrational, aber mit der tragischen Folge, dass junge Anhänger von Capriles auf die Strasse gingen. Es gab damals insgesamt 12 Tote, die allesamt Anhänger von Maduro, also der bolivarischen Regierung waren. In unseren Medien wurde das so nicht berichtet. Das hatte eine echte Krise ausgelöst, die die Regierung zwar wieder in den Griff bekam, aber sie war damit noch nicht ausgestanden.

Warum nicht?

Die Opposition wartete auf die nächste Gelegenheit, um den, wie sie es nannten, geschwächten Präsidenten nochmals unter Druck zu setzen. Das Ziel war die Amtsenthebung. Auch das ist nichts Neues. Das Ziel der Opposition hat sich immer darauf beschränkt: Chávez raus, Maduro raus. Ein konkretes politisches Programm gab es nicht.

Das ist doch kein demokratischer Ablauf. Nach dem Ende der Amtszeit von Maduro stehen reguläre Wahlen an. Das heisst doch, Capriles hätte ganz legal die demokratische Möglichkeit, die Wahlen zu gewinnen und dann die Regierungsgeschäfte zu übernehmen.…

… das geht noch weiter. Die Verfassung Venezuelas lässt nach Ablauf der halben Amtszeit aller gewählten Amtsträger die Möglichkeit zu, Unterschriften für ein sogenanntes Abwahlreferendum zu sammeln. Das wäre nach 3 Jahren und nicht erst nach 6 Jahren möglich, wenn die nächste Wahl ansteht. Wenn die Opposition die nötigen Unterschriften zusammenbekommt, besteht die Chance, schon nach 3 Jahren Neuwahlen zu lancieren.
Es gibt noch eine andere Variante eines Machtwechsels. Ende 2015 stehen Parlamentswahlen an. Wenn die Opposition sich auf ein sinnvolles alternatives Wahlprogramm abstützt, hat sie vielleicht die Chance, dass sie das nächste Mal die Wahl gewinnt. Dieser Weg steht ihr offen. Sie soll sich darauf vorbereiten, und wenn sie gewinnt, wird sie wahrscheinlich in einer «co-habitation» mit dem Präsidenten an der Regierung beteiligt sein. Venezuela ist ein Rechtsstaat, der bestens organisiert ist und funktioniert. Die Wahlresultate sind jeweils verlässlich, das ist international bestätigt. Wenn die Opposition die Wahlen gewinnt, dann werden der als unabhängige Staatsgewalt funktionierende Wahlrat, aber auch das Oberste Gericht und der Staatspräsident das Resultat anerkennen und dessen Rechtmässigkeit nicht in Frage stellen.

So wie Sie das jetzt berichtet haben, sind alle demokratischen Elemente vorhanden. Auf ganz legalem Wege könnte man zu einer neuen Regierung kommen.

Den Widerstand gegen die Chávez-Regierung gab es seit 15 Jahren. Der entstand sofort nach seiner Wahl. Die neue Verfassung, die bolivarische Verfassung, sein sozialer Rechtsstaat mit direktdemokratischen Elementen, das wurde von Anfang bekämpft. Diejenigen, die vorher seit 40 Jahren das Land regiert haben, akzeptierten die Verfassung nicht. Es war ein Zwei-Parteien-System, man hat sich immer wieder abgewechselt wie in den USA und untereinander den Kuchen aufgeteilt. Davon profitieren etwa 20 bis 25 Prozent der Bevölkerung, und der Rest war ausgeschlossen. Dass diese nun ihre Privilegien, die sie immer als legitim betrachtet haben, wie zum Beispiel ungestraft keine Steuern zu bezahlen usw., aufgeben mussten, hat ihnen sichtlich Mühe bereitet. Die Habgier war so gross, dass sie schon der vollen Überzeugung waren, dass ihnen alles gehöre und Chávez ihnen das wegnehme. Die Verfassung hatte einen starken Aspekt der Umverteilung. Die Ausgeschlossenen sollten auch etwas vom Reichtum des Landes abbekommen und sich an der politischen Willensbildung beteiligen können. Das wurde von den Mächtigen der damaligen Zeit nicht akzeptiert. Das war auch 2002 der Grund für den Staatsstreich gegen Chávez und den darauffolgenden Erdölstreik, der Venezuela einen Verlust von 10–15 Milliarden Dollar eingebracht hat. Das war für die junge Regierung natürlich eine schwere Hypothek. Die demokratischen Möglichkeiten wurden nie akzeptiert, obwohl Wahlen etwas Bürgerliches sind. Der Widerstand ausserhalb der demokratischen Legitimation setzt sich fort, wie auch die jüngsten Ereignisse zeigen.

Man hat doch vor einigen Jahren vom Abwahlreferendum Gebrauch gemacht?

Ja, nach den erwähnten zwei erfolglosen verfassungswidrigen Aktionen hat die Opposition sich an die (seinerzeit von ihr bekämpfte) verfassungsmässige Figur des Abwahlreferendums erinnert und 2004 die notwendigen Unterschriften gesammelt. Das Referendum kam knapp zustande, den nachfolgenden Urnengang hingegen verloren sie. Die Mehrheit des Volkes hat Chávez mit 60% der Stimmen im Amt bestätigt. Aber die Opposition hat das nicht akzeptiert und sich bei den Parlamentswahlen 2005 zurückgezogen. Somit ist sie aus dem Parlament ausgeschieden. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sie über 40 Prozent aller Sitze im Parlament. Das war nicht irgend­eine Minderheit. Sie hätten bei diesen Wahlen wieder eine ähnliche Anzahl von Sitzen geholt. Einen politischen Raum einfach so zu verlassen, ist irrational. Wahrscheinlich wollten sie damit zeigen, dass die Regierung illegal sei. Dabei haben sie sich zurückgezogen und das angesichts zweier bedeutender Wahlbeobachtermissionen, und zwar der EU und der OAS. Ich war damals dabei. Gegenüber dem Präsidenten der EU-Wahlbeobachtungsmission hat die Opposition versichert, sie träten zur Wahl an; drei Tage später haben sie sich zurückgezogen. Sie haben die Mission eigentlich angelogen. Das ist die Haltung dieser Leute.

Was hatte das für Konsequenzen?

Sie waren 5 Jahre im politischen Raum nicht vertreten, und die Regierungspartei konnte ihre Programme ohne Widerstand umsetzen. Das ist der Hintergrund. Bei den Wahlen 2006 hat Chávez die Präsidentschaftswahl erneut gewonnen. Im Jahre 2012 ist Capriles angetreten und hat die Wahl eindeutig verloren. Sie haben dann gehofft, nach Chávez’ Tod das Ruder übernehmen zu können, wobei sie sich schwer verrechnet haben. Deshalb ist die Wut bei der Opposition so gross, weil sie elektoral-politisch nicht durchkommt. Die Opposition hat weiter gegen die Regierung Stimmung gemacht. Dazu kommt, dass sich die wirtschaftliche Lage tatsächlich verschlechtert hat, es herrschen Inflation und Güterknappheit, was sicher zum Teil auch mit der Haltung der Opposition zu tun hat. Aber da sind natürlich auch die Fehler der Regierung. Die haben sie der Regierung auch immer vorgeworfen.

Hätten sie nicht nochmals Gelegenheit gehabt, das Ruder herumzureissen?

Im Dezember letzten Jahres haben sie gross verkündet, dass die Municipalwahlen zu einem Plebiszit gegen den Präsidenten würden. Das ist nicht gelungen. Die Regierungspartei hat im Schnitt 10 Prozent Vorsprung gehabt. In den Wahlen der einzelnen Gemeinden stellt sie über 70 Prozent der Bürgermeister und der Gemeinderäte. Jetzt haben sie erst in zwei Jahren bei den Parlamentswahlen die Möglichkeit, die Machtverhältnisse zu ändern. Das ist eine lange Zeit, in der die Regierungspartei Gelegenheit hat, die schwierige wirtschaftliche und Sicherheitslage zu verbessern und sich zu konsolidieren. Es wäre dann für die Opposition noch schwieriger, bei den Parlamentswahlen Erfolg zu haben. Aus diesem Grund werden sie weiter versuchen, die politische und wirtschaftliche Entwicklung in Venezuela zu stören. Das ist das, was sie jetzt immer wieder versuchen, aber es ist ihnen bis jetzt nicht gelungen.

Wie hat die Regierung darauf reagiert?

Die Regierung hat sich bisher zurückgehalten, bis sie vor ein paar Wochen entschieden hat, die Barrikaden müssten jetzt geräumt werden. Nachdem gewisse Bürgermeister der Opposition diese Ordnung nicht hergestellt haben, hat man jetzt interveniert und die Strassenblockaden, die das öffentliche Leben sehr beeinträchtigt haben, geräumt. Und jetzt ist Ruhe. Die Regierung ist legitim, sie ist von der Mehrheit des Volkes gewählt, und sie lassen sich von der Minderheit nicht provozieren. Das Ganze hat die amtierende Regierung nicht aus dem Gleichgewicht gebracht. Im Gegenteil, sie sind mit den Angriffen fertig geworden. Sicher ist, dass die Opposition von den USA Unterstützung bekommen hat. Die Medien haben weltweit von Menschenrechtsverletzungen berichtet – Tatsache ist, dass von den 35 Toten, die es im Verlaufe dieser 5wöchigen Demonstrationen gegeben hat, die Mehrheit nachweisbar Anhänger der Regierung waren.

Waren nicht auch Heckenschützen am Werk?

Ja, sogenannte Söldner, die einen Auftrag zum Töten haben. Diese schiessen bewusst erst auf die Opposition, aber auch auf Sicherheitskräfte, um die Stimmung richtig anzuheizen. Das gab es auch schon im Jahre 2002. Aber auch dort hatten sie keinen Erfolg.

Die Bevölkerung scheint hier auf der Seite der Regierung zu stehen?

In 19 Wahlen und Abstimmungen hat 18 mal die Regierungspartei gewonnen. Das sind beeindruckende Zahlen. Die sozialen Reformen, die Beteiligung der Ausgeschlossenen, die Einführung direktdemokratischer Elemente – hier können die Menschen in den Gemeinden, in den Quartieren mitberaten und -bestimmen –, die Bevölkerung weiss, wem sie das zu verdanken hat. Diese Kulturrevolution nach 500 Jahren Vertikalität und Autoritarismus wird durch direkte Beteiligung der Menschen durchbrochen. Was das für die Menschen bedeutet, wird im Westen häufig völlig unterschätzt. Das hat heute bereits Wurzeln geschlagen. Dazu kommt trotz der ganzen Medienkampage hinzu, dass Chávez auf eine Integration in Lateinamerika hingearbeitet hat, und das entfaltet nun seine Wirkung.

Wie muss man sich diese Integration konkret vorstellen?

Sie haben Unterstützung aus der Region, und zwar von Alba [vgl. Kasten], aber auch von Unasur, die alle Staaten Südamerikas umfasst, auch solche Staaten, die ideologisch auf der anderen Seite stehen. Dazu gehört auch Celac [vgl. Kasten], das noch weiter gefasst ist. Aber am wichtigsten war Unasur, weil hier auch schon gewisse Strukturen vorhanden sind.

Wie hat die Unasur reagiert?

Diese hat sofort, als solche Bewegungen aufkamen – wir hatten das in Bolivien, in Ecuador und jetzt erneut in Venezuela nach der Wahl von Maduro –, die Reihen geschlossen, und zwar über die Staats- und die ideologischen Grenzen hinweg. Sie unterstützen die demokratisch legitimierte Regierung und verurteilen gewalttätige Ausschreitungen. Diese internationale Unterstützung ist sehr wichtig gewesen, vor allem auch als Gegengewicht gegen den Tenor in den meisten Medien, besonders in den rechten privaten Medien in Lateinamerikas. Die Regierungen in Lateinamerika, auch die nichtsozialistischen, wissen, dass es langfristig wichtig ist, dass es eine Stabilität für die Region gibt, besonders als Friedenszone, und dort haben solche gewalttätigen illegitimen Ausschreitungen keinen Platz. Das bedeutet eine gewaltige Rückenstärkung für die Regierung. Eine Kommission von Aussenministern aller Unasur-Staaten ist eingeladen, und sie wollen sich mit der Regierung Venezuelas treffen. Die OAS wollte das auch, aber ohne die Regierung vorher zu konsultieren. Die Unasur hat sich zuerst mit Caracas in Verbindung gesetzt und angekündigt, dass sie gerne jemanden schicken würden.

Welche Rolle spielt Panama, das plötzlich Forderungen gegen Venezuela erhoben hat?

Da die USA oder Kanada sich im Hintergrund halten wollten, haben sie das kleine, von den USA abhängige Panama nach vorne geschickt. Panama hat dann vorgebracht, dass wegen der Menschenrechtsverletzungen eine Kommission eingesetzt werden müsse.

Wie hat Venezuela darauf reagiert?

Die Regierung von Maduro hat ihnen mitgeteilt, dass ungefragt überhaupt keiner kommen müsse. Sie haben diesen Vorstoss abgelehnt und die diplomatischen Beziehungen mit Panama auf Eis gelegt. Es gab in der OAS eine Abstimmung über dieses Ansinnen, und von 32 Staaten haben 29 dieses Vorgehen abgelehnt. Das war eine deutliche Niederlage für die USA. Damit stützte man die Regierung in Caracas. Diese internationale regionale Unterstützung stärkt die Regierung enorm. Sie machen das auch, weil sie wissen, dass Venezuela eine demokratisch legitimierte Regierung hat und dass ihnen in ihren Ländern Ähnliches blühen könnte.

Die Celac hat Lateinamerika zur Friedenszone erklärt. Hat das nicht auch etwas damit zu tun?

Ja, an ihrem jüngsten Gipfel hat die Celac beschlossen, ihren Raum explizit zur Friedenszone zu erklären und solche Unruhen in dieser Region auf keinen Fall mehr zu dulden. Das ist nicht im Interesse eines friedlichen Zusammenlebens und einer friedfertigen Entwicklung. Das wissen alle, auch diejenigen, die mehr rechts stehen als links. Dank der Unterstützung einer echten Mehrheit der Bürger für die Regierung und der internationalen Unterstützung haben die radikalen Ultrarechten Venezuelas und ihre Anstifter in Washington die Übung vorläufig abbrechen müssen. Die USA werden jedoch nicht aufgeben. Diese haben nach wie vor ein grosses Interesse an Venezuela, denn das Land hat die grössten zertifizierten Erdölreserven weltweit. Damit ist es natürlich ein höchst interessantes Gebiet für die USA.

Zumal sich die USA primär aus dem Nahen Osten zurückziehen. Kann das vielleicht damit zusammenhängen?

… ja, die USA wollen ja weltweit mitmischeln und, wo es geht, ihren Einfluss geltend machen, in Europa, in Osteuropa, in Asien. Sie werden es natürlich besonders dort machen, wo ihre Interessen am nächsten sind. Davon muss man ausgehen und davon geht natürlich auch die Regierung in Caracas aus.

Wie ist die Position der Mitgliedstaaten von Alba, Unasur und Celac?

In Lateinamerika ist das ganz klar. Es geht um die Schaffung einer Friedenszone. Die Integration basiert auf der Souveränität der einzelnen Nationalstaaten, aber Zusammenarbeit soll solidarisch und komplementär sein. Das ist die Idee von Alba und Unasur: Wir unterstützen uns, wo wir können, aber dies immer aus freien Stücken, auf Grund einer klaren nationalen Souveränität. Es gibt in der Unasur einen Verteidigungsrat; aber die einzelnen Streitkräfte sind trotzdem autonom. Man möchte aber eine Kooperation haben. Man einigt sich, dass die Aufgaben der Staaten und deren Regierungen darin bestehen, den Frieden zu bewahren. Das ist eine Verteidigungsorganisation, aber nicht mit koordinierten Einsätzen und Truppenkontingenten. Sie haben auch kein Oberkommando. Es ist ein Verteidigungsrat; der ist vor allem politisch und behandelt Verteidigungsfragen. Es gibt regelmässige Treffen und pro tempore Präsidentschaften, die alle halbjährlich wechseln. Diese Organisationsformen, begonnen mit Alba im engeren Kreis, dann erweitert auf Unasur und noch einmal erweitert mit Celac, sind drei Integrationsprojekte, die auf die Initiative von Hugo Chávez zurückzuführen sind. Als er diese lanciert hat, war ich Botschafter in Caracas. Der Zweck dieser Vereinigungen ist nicht die Dominanz über andere Länder, sondern das Gegenteil ist das Ziel: Gleichberechtigt, solidarisch und komplementär, weil sie verschiedene Volkswirtschaften haben, mit denen sie komplementär zusammenarbeiten wollen. Es ist schon zu sehen, dass sie, auch wenn sie weiterhin vom Norden unter Druck gesetzt werden, die Feuertaufe bestanden haben. Auch wenn das im Westen niemand gerne sieht, es ist so.

Maduro hat US-amerikanische Diplomaten ausgewiesen. Was waren die Gründe?

Der Vorwurf war, dass sie Mitarbeiter der Botschaft ertappt hätten, wie sie mit den gewaltbereiten Rädelsführern der Opposition, die für die gewalttätigen Auseinandersetzungen verantwortlich waren, regelmässig Kontakt hatten. Es ist allgemein bekannt, dass NGOs, die die Demokratie fördern sollten, sich in diese Abläufe einmischen, gesteuert durch das National Endowment for Democracy. Hier werden letztlich über die CIA die Mittel gesprochen und eingesetzt bei Gruppen, die die Staatsgewalt unterminieren wollen. Dabei hat man sie erwischt und deshalb dann ausgewiesen. Man hat die Personen beim Namen genannt und ihnen dieses Tun vorwerfen können.

Vor wenigen Wochen gab es in Genf ein Treffen der internationalen Parlamentarier-Vereinigung UIP, welcher auch Venezuela angehört. Wie stehen diese zu der Entwicklung in Venezuela?

Innerhalb der UIP gibt es verschiedene Gruppen wie Lateinamerika und die Karibik, die heutige Grulac. Es gab eine Resolution von diesen Staaten, in der sie die Regierung in Venezuela voll und ganz unterstützen und die Gewaltausschreitungen der Opposition verurteilen. Dieser Entwurf wurde dann auch in das Plenum der UIP eingebracht. Die Grulac hat hier etwas ganz Wichtiges getan. Auch hier sieht man, dass Venezuela in dem lateinamerikanischen Staatenverbund vollständig eingebunden ist.
Diese neue und verstärkte Integration in Lateinamerika und das gegenseitige Stützen ihrer Regierungen wird verhindern, dass sich solche Umsturzversuche ausbreiten können.

Herr Suter, vielen Dank für das Interview.    •

(Interview Thomas Kaiser)

*    Walter Suter trat 1964 in den Dienst des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten. Während seiner langen Karriere als Diplomat war er in vielen Ländern tätig, vor allem in Lateinamerika. Venezuela war das Land, in dem er als Botschafter die Schweiz bis zu seiner Pensionierung 2007 vertrat. Walter Suter ist Mitglied der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz.

Alba

thk. Alba ist ein wirtschaftliches und politisches Bündnis von neun lateinamerikanischen Staaten und Staaten der Karibik. Der Zusammenschluss heisst auf spanisch: Alianza Bolivariana para los Pueblos de Nuestra América – Tratado de Comercio de los Pueblos, ALBA-TCP. Das Bündnis stellt eine Alternative zu der von den USA geplanten gesamtamerikanischen Freihandelszone dar. Mitgliedsländer sind: Kuba, Bolivien, Ecuador, Nicaragua, Venezuela, St. Lucia, Dominikanische Republik, Antigua und Barbuda, St. Vincent und die Grenadinen. Weitere Länder aus der Region haben Beobachterstatus.

Celac

Celac ist ein Zusammenschluss aller amerikanischen und karibischen Staaten mit Ausnahme der USA und Kanada. Dieser bildet eine Alternative zu der von den USA 1948 gegründeten OAS, die damals das Ziel verfolgte, eine Ausdehnung des sowjetischen Einflusses auf Mittel- und Südamerika zu verhindern. Vor kurzem haben die Mitgliedstaaten von Celac ihre Region zur Friedenszone erklärt (vgl. Zeit-Fragen vom 11. Februar).

ws. Im September letzten Jahres wurde in der Schweiz eine Parlamentariergruppe «Solidarität mit den Alba-Staaten» (vgl. Kasten zu Alba), mit der Bolivarischen Revolution gegründet. In dieser Gruppe haben sich 33 Parlamentarier eingeschrieben. Diese haben ein besonderes Interesse an der Zusammenarbeit und halten das, was in diesen Staaten entwickelt wird, insgesamt für ein interessantes Projekt. Sie haben eine Unterstützungserklärung für die Regierung verabschiedet – gegen die Anwendung von Gewalt. Das ist wichtig für die Regierung in Venezuela. Und wichtig ist, dass auch hier bekannt wird, dass es eine Schweizer Parlamentariergruppe gibt. Es handelt sich um eine erste konkrete Aktion dieser Freundschaftsgruppe zugunsten der Alba-Staaten, um ihre Solidarität mit dieser Staaten-Gruppe, mit deren Regierungen und mit deren Völkern auszusprechen. Alba ist eine sozialistisches Projekt, das verhindern konnte, dass in Lateinamerika von den USA eine Freihandelszone eingerichtet wird.

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