«Nato und EU vor der Haustüre Russlands»

«Nato und EU vor der Haustüre Russlands»

Interview mit Nationalrat Geri Müller, Grüne Partei, Mitglied der aussenpolitischen Kommission des Nationalrats

Zeit-Fragen: Kurz nachdem das Flugzeug der Malaysia Airlines abgestürzt war, begannen die Schuldzuweisungen gegenüber Putin. Er sei letztlich für den Abschuss der Maschine verantwortlich. Wie beurteilen Sie diese Aussagen, was haben Sie für Informationen betreffend den Absturz?

Nationalrat Geri Müller: Im Krieg stirbt die Wahrheit als erstes. Das ist auch hier so. Schuld ohne Beweise zuzuweisen, ist töricht. Jetzt arbeitet eine internationale Untersuchungskommission, welche hoffentlich gut begründet herausfinden kann, wer für den Absturz verantwortlich ist. Ich habe sehr verschiedene Informationen dazu erhalten, eben auch widersprüchliche.

Ist es plausibel, dass Russland hinter dem Abschuss steckt?

Bis zum Untersuchungsergebnis gilt die Unschuldsvermutung.  

Der Konflikt um die Ukraine hat seinen Ursprung, so wird zumindest behauptet, auf dem Maidan in Kiew. Der Westen gibt Russland und letztlich Putin die Schuld dafür.Können Sie sich dieser Auffassung anschliessen?

Diese These ist zu einfach. Als Gorbatschow 1991 die Sowjetunion für beendet erklärte, rief er Europa dazu auf, zwischen Russland und dem ehemaligen «Eisernen Vorhang» das «gemeinsame Haus Europa» zu schaffen. Damit meinte er, eine Verbindung zwischen Osten und Westen zu kreieren, welche weder der «Europäischen Gemeinschaft» noch dem «Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe» (RGW) und weder der Nato noch dem «Warschauer Pakt» angehören soll. Heute stehen die Nato und die Europäische Union vor der Haustüre Russlands. Russland sieht sich durch die Integration der Ukraine und eventuell später Belarus und Kasachstan umstellt.

Die Abspaltung der Halbinsel Krim und die Aufnahme derselben in die Russische Föderation wird vor allem von den Ländern verurteilt, die den Kosovo sofort nach der einseitigen Unabhängigkeitserklärung durch das kosovarische Parlament als neuen Staat anerkannten. Wie erklären Sie dieses Verhalten?

Beide Aktionen sind Verletzungen des Internationalen Völkerrechts. Das ist Fakt. Es wird nicht besser, wenn beide Seiten behaupten: «Ich nicht, du aber auch!»

Welche Rolle spielen die USA und die EU in der Auseinandersetzung um die Ukraine?

Beide würden sich darüber freuen, wenn die Ukraine ein weiteres Mitglied der EU und Nato werden würde.

Wie sollte Russland auf die Politik des «Westens» reagieren?

Politisch, meinetwegen auch wirtschaftlich, aber sicher nicht militärisch. Russland ist Mitglied der Uno und zugleich ständiges Mitglied des Sicherheitsrates.

Von vereinzelten Politikern in der Schweiz, wird verlangt, dass sich die Schweiz den Sanktionen der USA und der EU anschliessen solle. Manche gehen so weit, dass sie verlangen, die Feierlichkeiten mit Russland, 200 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen beiden Ländern, abzusagen.  Wie sehen Sie das?

Welche Sanktionen denn? Reiseverbote? Die Schweiz ist neutral und soll sich nicht in diesen Konflikt einmischen. Die 200jährigen diplomatischen Beziehungen mit Russland zeigen auf, dass Russland immer wieder integrierte und integriert wurde, da haben die Schweiz und Russland jeweils ihre Rollen gut gespielt. Vor zweihundert Jahren war es der Russische Gesandte in Wien, der forderte, die Schweiz solle eine Nation bleiben, Schweizer waren keine am Kongress. Und es waren Schweizer, welche Russland 1992 in den Europarat vorschlugen und die Russen 2010 gewannen, in der WTO mitzumachen. Und das alles ohne Krieg. Und diese Geschichte soll man nun mit einem Boykott der Erinnerung an das friedliche Verhalten brechen? Wir haben von 1914 gelernt, dass nicht Öl nachgegossen werden soll, wenn Feuer brennt.

Welche Rolle könnte und müsste die Schweiz in diesem Konflikt spielen, auch in bezug auf den Flugzeugabsturz?

Die Schweiz spielt bisher eine sehr gute Rolle, nämlich die zwischendrin. Da gehört sie hin, vor allem dann, wenn beide Seiten sie kritisieren.

Herr Nationalrat Müller, vielen Dank für das Gespräch.    •

(Interview Thomas Kaiser)

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