Duale Berufsbildung muss als gleichwertiger Bildungsweg neben dem gymnasialen Weg erhalten werden – Absage an das «Bologna-System»

Duale Berufsbildung muss als gleichwertiger Bildungsweg neben dem gymnasialen Weg erhalten werden – Absage an das «Bologna-System»

mw. Mit aller Schärfe kritisiert Rudolf H. Strahm die Ignoranz der Schweizer Wirtschafts- und Bildungselite, welche die zentrale Bedeutung der dualen Berufslehre für die Standortqualität der Schweiz seit Jahren ganz einfach übergeht und unbeirrt von jeder Realität eine Erhöhung der – im internationalen Vergleich sehr tiefen – Maturitätsquote fordert. (Strahm 2010, S. 90 und S. 116; 2014, S. 80ff.) Gefahr Nummer 1 droht dem dualen Berufsbildungssystem laut Strahm nämlich von «Bologna», das heisst «von einem selbst auferlegten Zwang zur Anpassung an die internationale Bildungssystematik.» (Strahm 2010, S. 117) Mit Recht moniert der Autor, dass die Bologna-Erklärung weder dem eidgenössischen noch den kantonalen Parlamenten zur Ratifizierung vorgelegt, sondern dem schweizerischen Bildungssystem ganz einfach übergestülpt wurde. (Strahm 2014, S. 140ff.) Dabei geriet der Bildungsweg von der Berufslehre zur Fachhochschule unter die Räder: Er ist «nicht kompatibel» mit den Bildungssystemen der anderen OECD-Länder, oder anders gesagt: Das Bologna-Modell favorisiert den rein schulischen Weg. (Strahm 2014, S. 120ff.) Die ganzen Jahre der praktischen Berufserfahrung während der Lehre und danach in der Arbeitswelt werden nicht honoriert, so dass ein Schweizer Fachhochschultitel «bloss dem oft nicht berufsbefähigenden Uni-Bachelor Europas gleichgestellt» wird. Dadurch fördert Bologna «eine Nivellierung nach unten, das heisst eine Anpassung an Länder, die den arbeitsmarktorientierten, berufspraktischen Ausbildungsweg nicht kennen.» (Strahm 2010, S. 119)

Bologna-Hochschulreform hat auf der ganzen Linie versagt

Grössere Mobilität (erstes Bologna-Ziel): ist nicht erreicht worden, jedenfalls nicht für die Schweizer Studenten! Nur wenige Schweizer verbringen einen Teil ihres Studiums an ausländischen Universitäten – hingegen sind 27 Prozent der Master-Studenten und über 50 Prozent der Doktoranden in den Schweizer Hochschulen Ausländer! (Strahm 2014, S. 154f.)
Internationale Wettbewerbsfähigkeit der Universitäten (zweites Bologna-Ziel): «Die Selektion der Universitätsprofessoren erfolgt primär über die Publikationsmenge» statt über wissenschaftliche und didaktische Fähigkeiten, das Bologna-Ranking führt zu einer ‹Flut von Publikationsschrott›.» (Strahm 2014, S. 155f.). Der Autor beschreibt den Weg zum Beispiel deutscher Akademiker an Schweizer Universitäten: «Im Auswahlverfahren haben solche Bewerber eine viel längere Publikationsliste vorzuweisen (was als Forschungsperformance gilt) als zum Beispiel gleichaltrige Schweizer Assistenten, die für ihren Professor vor allem Seminarien und Prüfungskorrekturen durchzuführen hatten […].» Diese Chancenungleichheit führt dazu, dass «rund fünfzig Prozent aller Professuren an schweizerischen Universitäten von Ausländern besetzt werden [...].» (Strahm 2014, S. 156)
Förderung der Beschäftigungsfähigkeit (Employability) (drittes Bologna-Ziel): Die oben beschriebenen Mängel sowie das Leistungspunktesystem «haben die Universitäten arbeitsmarktferner gemacht». (Strahm 2014, S. 157) Die Abschlüsse der Uni-Absolventen sind zwar prestigeträchtiger, aber viele finden mit ihren Bachelors keine passenden Stellen. (Strahm 2014, S. 157–163)
Fazit: Die Schweizer Universitätsrektoren haben diese Mängel nach Strahm erkannt und wollen das Leistungspunktesystem reformieren, die Zulassungshürden und die Studiengebühren für ausländische Studenten erhöhen und anderes mehr. Strahm bemerkt dazu: «Welche dieser (beabsichtigten) Reformen europakompatibel sein werden und welche überhaupt realisierbar sind, lässt sich [...] nicht absehen.» (Strahm 2014, S. 165)
Die Autorin dieses Artikels bemerkt dazu: Unsere Hochschulen sind ja auch nicht verpflichtet, Standards einzuhalten, die weder tauglich sind noch durch den Souverän angenommen wurden.    •

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