Wirtschaften ohne ­Grenzen – Fallgrube für alle

Wirtschaften ohne ­Grenzen – Fallgrube für alle

von Reinhard Koradi

Die Finanz- und Wirtschaftskrise deckt die Mängel der aktuellen Wirtschaftsordnung schonungslos auf. Eine Wirtschaftsordnung, die sich von allen Regelungen lossagt und sich grundsätzlich auf eine «globale Welt» bezieht, führt unweigerlich zur nationalen Handlungsunfähigkeit der involvierten Staaten und verletzt deren Souveränität. Die unterschiedlichen geographischen, kulturellen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen werden rigoros ausgeblendet. Die mit diesem Prozess verbundene Nivellierung schafft unweigerlich ein Machtvakuum, das nur allzu schnell zu Ungleichgewichten führt. Die Dominanz des Stärkeren setzt sich durch und zieht vielfach auch Machtmissbrauch nach sich.
Das Ziel einer verantwortungsbewussten und den Menschen dienenden Volkswirtschaft müsste eigentlich die Schaffung von Gleichgewichten sein. Bezogen auf den Aussenhandel sollten die Volumen der exportierten und importierten Güter und Dienstleistungen zwischen den einzelnen nationalen Volkswirtschaften ausgeglichen sein. Exportiert ein Land mehr Güter als es importiert, dann stärkt es seinen Werkplatz auf Kosten anderer Länder. Auch bei der Beschäftigungspolitik geht es letztlich um das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage von Arbeitsplätzen. Ebenso angewendet werden muss das Ausgleichsprinzip bei der Geldpolitik (Geldmenge darf nicht beliebig ausgeweitet werden), bei der Finanzpolitik (Einnahmen und Ausgaben). Die Missachtung der Forderung, die Balance zwischen Ab- und Zufluss durch ordnungspolitische Eingriffe auf den einzelnen Märkten herzustellen, sind zusammen mit der durch die Deregulierung und Globalisierung begünstigten Machtkonzentration zumindest teilweise die Ursache der aktuellen Krisen.
Eines der wesentlichen Instrumente zur Gestaltung der erforderlichen Gleichgewichte ist die eigene Landeswährung. Die Gemeinschaftswährung Euro hat die nationalen Volkswirtschaften in Europa entmündigt und ihnen die selbstverantwortliche Einfluss­nahme auf ihre Volkswirtschaften entzogen. Neue Machzentren (WTO, IWF, EZB, Brüssel, London, New York usw.) diktieren die Wirtschaftsordnung der einst unabhängigen nationalen Volkswirtschaften. Die Zentralisation der Gestaltung der Wirtschaftsordnung hat den Durchbruch der neoliberalen Wirtschaftstheorie erheblich beschleunigt. Die Definition des globalen Marktes, Deregulierung, Privatisierung der Grundversorgung und die rigorose Anwendung der Kostenbewirtschaftung schwächen den Nationalstaat und rauben ihm die Chancen, volkswirtschaftliche Fehlentwicklungen zu korrigieren. Die heutigen Kräfteverhältnisse begünstigen auch die Umgehung der Nationalstaaten durch umfassende länderübergreifende Freihandelsabkommen (TTIP, TiSA) usw.

Wer heute auf Griechenland zeigt, sollte zuerst vor der eigenen Tür wischen

Die Griechen sind letztlich das Opfer der global ausgerichteten Wirtschaftsordnung. Sie hätten sich gar nie in diese globale Ordnung integrieren lassen sollen. Aber auch die durch eine überbordende Geldschwemme finanzierte Wachstumspolitik löste Fehlentwicklungen aus, die unweigerlich in die Schuldenkrise führen müssen. Selbstverständlich haben die Griechen volkswirtschaftliche Fehler auf nationaler Ebene begangen – wie in anderen Ländern auch. Geblendet von der neoliberalen «Heilsbotschaft» sind wir vom Kurs der eingangs erwähnten volkswirtschaftlichen Tugenden abgewichen.
Griechenland muss seinen eigenen Weg finden. Angepasst auf die eingangs erwähnten Rahmenbedingungen ist die Rückkehr zu einer stabilen und verantwortungsbewussten nationalen Politik umzusetzen. Das heisst aber auch: Das griechische Volk muss sich die Freiheit zurückholen, selbst über die Gestaltung der griechischen Volkswirtschaft zu entscheiden.
Doch auch die andern europäischen Länder haben keinen Grund, mit dem Finger nach Athen zu zeigen. Es wird Zeit, dass die einzelnen Volkswirtschaften auf dem ganzen Erdball auf ihren spezifischen Fähigkeiten und Kulturen aufbauen und die Notwendigkeit erkennen, in ihrem Land eine Wirtschaft für das Wohl der Menschen einzurichten. Die daraus entstehende Vielfalt wird zu weit mehr Unabhängigkeit führen und den Wettbewerb um die besten Lösungen beleben.
Die zukünftigen Herausforderungen lassen sich weder durch Gleichmacherei noch durch Machtdemonstrationen lösen. Selbstverantwortung – und dazu gehört die Souveränität der einzelnen Staaten – ist der Schlüssel, um dem durch eine kleine Macht­elite angerichteten globalen Chaos zu entrinnen. Es muss gelingen, den Zentralismus durch dezentrale Strukturen zu überwinden. Dezentral-regional ausgerichtete Strukturen fördern die Handlungsfähigkeit und die Bereitschaft der Menschen, sich für gemeinsame Interessen einzusetzen und sich gegenseitig zu unterstützen.

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