Warum die Agrarpolitik 14–17 die Souveränität der Schweiz untergräbt

Warum die Agrarpolitik 14–17 die Souveränität der Schweiz untergräbt

Interview mit Nationalrat Jakob Büchler, CVP/SG

Die Versorgung der Bevölkerung mit eigenen, im Land produzierten Lebensmitteln ist ein zentraler Aspekt der Landesversorgung und damit der staatlichen Souveränität. Ein Staat, der nicht in der Lage ist, in Krisenzeiten seine Bevölkerung mit genügend Lebensmitteln zu versorgen, wird von anderen Staaten abhängig und damit erpressbar und muss dann unter Umständen in politisch heiklen Situationen faule Kompromisse eingehen oder gar die Politik eines mächtigeren Staates übernehmen. Wie schnell von den Mächtigen dieser Welt zu einseitigen Strafmassnahmen gegen «missliebige Staaten» gegriffen wird, ist in der letzten Zeit immer deutlicher geworden, die Liste ist lang. Als vor einigen Jahren selbst Österreich mit EU-Sanktionen bestraft wurde, weil die Bevölkerung in einer demokratischen Wahl die «falsche» Partei gewählt hatte, kam deutlich zum Vorschein, wie schnell sich der Wind selbst unter sogenannten befreundeten Staaten drehen kann.
Neben einer einsatzfähigen Verteidigungsarmee ist die unabhängige Versorgung der Bevölkerung mit landwirtschaftlichen Gütern etwas, wofür sich Nationalrat Büchler seit Jahren einsetzt. Im folgenden Interview äussert er sich vor allem zu der verfehlten Landwirtschaftspolitik des Bundes, welche verheerenden Auswirkungen dies für die Versorgung unseres Landes hat und was es bräuchte, damit unsere Landwirtschaft zur Ernährungssicherheit beiträgt.

Zeit-Fragen: Die Agrarpolitik 14–17 enthält unheimlich viele Mängel und steht, obwohl das Referendum dagegen nicht zustande gekommen ist, in der Dauerkritik. Was sind die Kritikpunkte?

Nationalrat Jakob Büchler: Mit der AP 14–17 hat man die sogenannten Tierbeiträge aufgehoben. Die Tierbeiträge sind sehr erwünscht und gut bei den Bauern eingeführt gewesen. Das ist ein Beitrag vom Bundesamt für Landwirtschaft, den jeder Landwirt bekommen hat. Im Departement von Johann Schneider Ammann hat man gefunden, dass das nicht mehr zeitgemäss sei, denn nach ihrer Argumentation führen Tierbeiträge zu mehr Tieren, mehr Tiere geben mehr Milch oder mehr Fleisch, und das führt zu sinkenden Preisen. Die Idee war: Wenn man Tierbeiträge abschafft, kann man der Entwicklung zu mehr Tieren und Fleisch entgegenwirken.

Ist das falsch gedacht?

Ja, natürlich. Der Tierbeitrag ist ein messbarer Betrag. Man hat in GVE (Grossvieheinheit) gerechnet und somit ein transparentes System gehabt.

Wie ist hier der Schlüssel?

Eine Kuh ist eine Grossvieheinheit, zwei Rinder sind ebenfalls eine Grossvieheinheit sowie 7 Schafe oder 10 Ziegen. Man hat alles auf die Grossvieheinheit umgerechnet. Das war ein sehr gutes System. Man hat lange auch Tierbeiträge für Damhirsche ausgezahlt, an die Hirschfarmen. Anfang 2000 waren dann Forderungen, auch für die Milchkühe Tierbeiträge zu bezahlen. Das hat man dann umgesetzt und für Milchkühe die Tierbeiträge eingeführt, wie man das bei den Mutterkühen schon früher gemacht hatte. Aber mit der Agrarpolitik 14–17 hat man das alles wieder abgeschafft.

Warum?

Man will weg von den Tierbeiträgen und hin zu Landschaftsqualitätsbeiträgen. Dabei beteuerte der Bundesrat, dass kein Bauer weniger Direktzahlungen bekommen soll als mit dem alten System.

Wurde das Versprechen eingehalten?

Dazu muss man wissen, dass Landschaftsqualität sehr schwer messbar ist. Das Absurde ist, dass der Bund gesagt hat, jetzt gibt es Landschaftsqualitätsbeiträge, ohne genau zu definieren, was darunter zu verstehen ist. Man hat das befohlen, und die Kantone waren angehalten, das umzusetzen. Bei der Umsetzung der Landschaftsqualitätsbeiträge gab es x verschiedene Systeme. Da gab es zum Beispiel einen Zaun aus Stauden, der soll einen bestimmten Wert haben. Der hat einen Naturwert für Vögel und allerlei Getier auf und unter der Erde, und das soll man entschädigen.

Wo ist hier der Wert für die Landwirtschaft?

Es hat ein paar Nützlinge dabei, die dem Bauern etwas bringen sollen. Vielleicht merkt er etwas davon, vielleicht auch nicht. Aber in bezug auf die Direktzahlungen ist das natürlich nicht messbar. Eine Anzahl Tiere kann man feststellen, aber einen Staudenzaun oder eine Steinmauer oder einen steilen Hang, hier könnte man noch die Fläche messen, aber der Nutzen ist sehr schwer messbar. Und das hat genau zu dem geführt, was wir immer befürchtet haben: zu einem riesigen Verwaltungsaufwand. Es hat sogenannte Kulturingenieure gebraucht, die dann dem Bauern erklären, was mit dem Staudenzaun anzufangen ist. Man hat das Ganze auf die verkehrte Seite verändert, was bei den Bauern zu Stirnrunzeln geführt hat.

Hat das den übrigen Parlamentariern nicht eingeleuchtet, dass das so nicht geht?

Wir haben versucht, die Entwicklung zu verhindern, aber im Ständerat sind die Tierbeiträge abgelehnt worden, und zwar war es ein Bauernvertreter aus einem grossen Gebirgskanton, der das vorangetrieben hat, und nachher war es nicht mehr möglich, das Ruder nochmals herumzureissen.
Hier wäre ein Referendum möglich gewesen.
Wir waren unsicher, ob damit nicht noch mehr verlorengeht, wenn das Referendum angenommen worden wäre, vor allem auch deswegen, weil die meisten Bauern bei dieser Entwicklung mitmachten.

Warum das?

Das ist in dem Sinn nicht weiter verwunderlich, weil man sie letztlich zu diesem System gezwungen hat. Es geht natürlich an das Einkommen. Wenn es keine Tierbeiträge mehr gibt, dann sinkt natürlich das Einkommen, dann überlegt man nicht lange, ob man jetzt dort mitmachen soll oder nicht. Der Bauer wird eigentlich faktisch dazu gezwungen, damit sein Einkommen einigermassen aufrechterhalten werden kann. Das ist die Situation.

Wenn die Parlamentarier hier versagen, dann ist doch das Volk gefragt.

Ja, zum Glück geht das in der Schweiz. Die Volksinitiative zur Ernährungssicherheit hat in der Bevölkerung eine breite Unterstützung gefunden. Die Unterschriftensammlung ist sehr schnell gegangen, und man hat die 150 000 Unterschriften bald zusammengehabt. Aber es hat auch gezeigt, dass die Bevölkerung immer stärker sensibilisiert wird. Nahrungsmittel sind wichtig, die Selbstversorgung ist wichtig, Qualität ist wichtig, und die beste Qualität gibt es natürlich im eigenen Land, was Milch, Käse oder Fleisch anbelangt. Beim Käse haben wir internationale Verpflichtungen, es gibt im Käsehandel offene Grenzen. Bei der Milch darf das nicht passieren. Es gab immer wieder Bestrebungen, die sogenannte weisse Linie, den Milchmarkt, zu öffnen, was bedeutet, dass ausländische Milch auch in die Schweiz käme. Das wäre der sichere Tod für unsere Milchproduktion. Zum Glück sind die Grossverteiler auch dagegen, dass man ausländische Milch einführt, vor allem weil die Qualität der Schweizer Milch im Ausland nicht erreicht wird. Wir haben so strenge Auflagen an die Qualität, bei den Keimzahlen, bei den Zellzahlen. Das sind ganz hohe Schwellenwerte, die die Schweizer Milch erfüllen muss, damit sie auch sogenannt Käserei-tauglich ist. Daran kommt das Ausland nie heran. Das ist für uns ein Trumpf. Grossverteiler wie Emmi wollen keine ausländische Milch. Die wird häufig zusammengeschüttet.

Warum ist das schlecht für die Milch?

Milch wird bei jedem erneuten Umpumpen schlechter. In der Milch hat es Fett. Und das Fett ist in Form von kleinen Kügelchen vorhanden, die sind mikroskopisch klein. Wenn man jetzt die Milch immer wieder in ein neues Gefäss pumpt, werden diese Fettkügelchen verletzt. Dann sieht man im Tank die Fettaugen, und das bedeutet die Zerstörung der Milchkonsistenz. Deshalb ist es nicht sinnvoll, die Milch so weit zu transportieren. Das ist natürlich auch in der Schweiz ein Problem. Der beste Käse wird dort produziert, wo die Bauern auch zu Hause sind. Man kann nicht in der Ostschweiz die Milch produzieren und diese dann nach Genf bringen, um sie dort zu Käse zu verarbeiten. Das macht auch umweltpolitisch keinen Sinn.

Das müsste ja auch mit der AP 14–17 verhindert werden, wenn man dort schon die Ökologie ins Zentrum stellt. Aber wie sieht das wirklich aus?

Die AP 14–17 wurde beschlossen und der dazugehörige Zahlungsrahmen. Aber jetzt sehen wir bei der letzten Pressekonferenz von Eveline Widmer-Schlumpf, dass sie die Beiträge an die Landwirtschaft um 72 Millionen kürzen will. Das heisst, die Bauern müssen weitere Einbu­ssen erleiden. Sie bekommen nicht einmal das, was man ihnen im Gesetz versprochen hat. Das ist absolut unfair und nicht machbar. Diese Entwicklung muss man mit allen Mitteln bekämpfen, und das werden wir auch tun. Bei der Armee gilt das gleiche. Wir müssen hier die 5 Milliarden haben, wenn wir eine annähernde Sicherheit im Land haben wollen.

Was hat die jetzige Politik noch für Auswirkungen?

Die Bauern haben keine Planungssicherheit mehr, was zu einem Mangel an Investitionen führt. Die müssen wir den Bauern zurückgeben. Erschreckend ist die Tatsache, dass über 40 Prozent der Bauernbetriebe keinen Nachfolger haben. Das ist natürlich nicht weiter verwunderlich. Wenn natürlich eine junge Bauerntochter oder ein junger Bauernsohn sagt, dass mit dieser Agrarpolitik kein ausreichendes Einkommen mehr zu erzielen ist, dann fängt er schon gar nicht erst an, in die Landwirtschaft einzusteigen, und wählt einen anderen Beruf. Das ist sehr betrüblich. Wenn man bei Google eingibt «Schweizer Bauern suchen Hofnachfolge», dann sieht man, was da steht, und das ist erschreckend. Das ist eigentlich ein schlechtes Zeichen, wenn man den eigenen Hof nicht mehr an die nächste Generation weitergeben kann. Die Hofnachfolge ist bei vielen Bauern nicht geregelt.

Wie sieht die Zukunft der Landwirtschaft aus? Wie kann sie den Stellenwert erhalten, den sie verdient? Ohne Landwirtschaft keine Versorgung im Land und ohne Nahrungsmittel kein Leben.

Der Bauer müsste in Sachen Produktion wieder mehr Freiheiten bekommen. Das Produzieren von landwirtschaftlichen Gütern hat auf Kosten der Ökologie an Stellenwert verloren. Das ist schlecht. Von der schönen Landschaft haben wir nicht gegessen. Sie ist zwar schön anzusehen, aber wir brauchen Nahrungsmittel, wir brauchen Käse, Milch, Fleisch, Salat und alles, was die Landwirtschaft für die Ernährung der Menschen produziert. Natürlich ist es gut, wenn man die Ökologie ebenfalls beachtet, aber dass das so weit geht, dass die anderen Aufgaben in den Hintergrund gedrängt werden, das dürfte nicht sein.

Ist nicht die von Ihnen erwähnte Ernährungs­­sicher­heits­initiative hier von grosser Bedeutung?

Doch, natürlich. Ich erhoffe mir von der Initiative zur Ernährungssicherheit, dass wir in der Landwirtschaft wieder zum Produzieren zurückfinden, den Stellenwert der Produkte wieder erhöhen können und den Bürgern diese ganze Frage näherbringen, damit unsere Landwirtschaft und unser Land eine Zukunft haben.

Herr Nationalrat Büchler, vielen Dank für das Gespräch.    •

(Interview Thomas Kaiser)

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