Wie Funktionäre von internationalen Organisationen nach Macht streben

Wie Funktionäre von internationalen Organisationen nach Macht streben

von Beat Kappeler

Die OECD mahnt, der Europarat kritisiert, die Weltbank verlangt. Sind das also hoheitliche Erlasse?
Überhaupt nicht, sondern hier schreiten auf hohen Stelzen und im Hermelinmantel der Macht lediglich die Funktionäre solcher internationaler Organisationen. Aber sie mischen sich immer lauter in alle möglichen nationalen Belange ein.
Die Schweiz ist wieder einmal Zielscheibe, diesmal kritisiert eine Untergruppe des Europarats, dass die Parteienfinanzierung nicht geregelt sei. Wo in aller Welt betrifft dies ein zwischenstaatliches Problem, wo soll dies andere Länder stören? Schwacher Trost, dass die anderen Länder ebenfalls unter die Communiqué-Walze dieses Komitees geraten, schwacher Trost zudem, dass auch andere Organisationen sich oft massiv in innerstaatliche Fragen einmischen.
So war die OECD als Diskussions- und Studienforum der Industrieländer gegründet worden, aber allein im Mai 2013 hat der Generalsekretär die neue italienische Regierung zu Reformen ermahnt, etwa 10 Länder gerügt, deren Entwicklungshilfe sank, und Südkorea befohlen, seine Arbeitslosen stärker zu unterstützen. Es fand keine Ministerkonferenz der Staaten der OECD statt, welche mit halbwegs demokratischer Legitimation solche Einmischungen diskutiert hätte. Rein rechtlich gesehen hätten selbst die Minister dazu nichts zu sagen gehabt. Von der Sache her stehen die erwähnten Handlungsfelder in der nationalen Kompetenz.
Diese Woche platzte nun China als Opfer der Weltbank in die Öffentlichkeit. Die Weltbank, eher ihre nirgends demokratisch gewählten Funktionäre, erstellen jährlich eine Rangliste der Wirtschaftsfreundlichkeit der Mitgliedsländer. Hier sticht die Schweiz zwar immer schmeichelhaft obenaus, China hingegen fasst Prügel wegen seiner nicht westlichem Standard entsprechenden Regeln für Firmengründungen, Währung, Arbeitsmarkt (im «Doing Business»-Report).
Doch auch der Weltdachverband der Gewerkschaften tobt, weil jede Schutzmassnahme im Arbeitsmarkt den Daumen der Weltbank-Sekretäre nach unten dreht. Tatsächlich verstossen manche Schutzregeln sogar gegen die Interessen der Arbeitenden.
Aber sollen angestellte Funktionäre einer zwischenstaatlichen Organisation den Mitgliedsregierungen auf diese Weise drein­reden, sollen sie solche Regeln von der Mongolei über die Schweiz, Frankreich bis zu Ecuador über den gleichen Leisten schlagen? Das sei Ranglisten aus der Zivilgesellschaft vorbehalten, dem World Economic Forum, dem Wettbewerbsreport des IMD oder Transparency International.
Das Fachwort aber für die selbsternannten, ausgreifenden zwischenstaatlichen Unionen heisst «mission creep». Auch der Weltwährungsfonds IMF masst sich dies an. Seit den Rettungspaketen des Euro stützt er einzelstaatliche Budgets innerhalb eines Währungsgebiets, nicht die Währung an sich, wozu er gegründet wurde. So beteiligt er sich nun sogar am Paket für Zypern, einer kleinen Insel innerhalb des Euro-Raums von insgesamt 331 Millionen Einwohnern. Die Schweiz zahlt mit, das Parlament beschloss wieder Milliarden für den IMF. Doch nie hat der Weltwährungsfonds für eine Inselprovinz Indonesiens bezahlt, auch ein Währungsraum von 240 Millionen. In Zypern war der Währungsfonds sogar für die Amputation der kleinen Bankeinlagen.
Den Gipfel solch aufgeblasener Organisationen zeigen die Fotos der Gipfeltreffen – auf den Schlussbildern der G-20 lächeln die Funktionäre der OECD, des Währungsfonds, der Weltbank neben den souverän gewählten Präsidenten. Es gilt, offen einzuschreiten, gerade auch von seiten der Schweiz als Land ohne abhängig machende Hilfspakete, sondern als souveränes, zahlendes Mitglied. Man muss Einmischungen in nationale Belange zurückweisen und sie in einem offiziellen Brief aus den Verträgen ausnehmen – in Strassburg, in der OECD, im Währungsfonds. Wir hören da noch wenig aus Bundesbern.
Hingegen gibt es Fachorganisationen, die mit ausdrücklichem Auftrag der Mitgliedsländer verfügen dürfen. Die Fernmeldeunion vergibt Mobilfrequenzen, da kann man rein technisch nicht beliebig schalten. Die Eisenbahnunion regelt Schienen, Strom, Signale – auch kein freies Menu. Die Welthandelsorganisation darf Tricksereien im Handel bestrafen, auch gut. Da sind zwischenstaatliche Regeln im Spiel, mit Folgen für alle andern.
Sodann gibt es einige zwingende Regeln des Völkerrechts (ius cogens), wie das Verbot von Aggressionen, von Sklaverei oder Völkermord. Da kann der Sicherheitsrat der Uno Eingriffe machen oder billigen, wie in Kosovo oder Libyen. Doch nicht jede politische Korrektheit darf sich ins Gewand zwingenden Völkerrechts kleiden. Dieses verlangt nicht ein mildes Strafrecht, lasche Asylregeln oder was sich Ethikdozenten noch alles ausdenken.
Richten wir den Scheinwerfer am Ende noch selbstkritisch auf das Wuchern nicht gewählter Organisationen in der Schweiz selbst. Dazu gehören die Konferenzen der kantonalen Erziehungsdirektoren, der Finanzdirektoren. Sie erlassen nun schon Schulreformen und Steuerdekrete und haben Funktionärsstäbe dazu aufgebaut. Oder zeigen wir einmal mehr die Verordnung des Bundesrates vor, welche Stiftungsräte von Greenpeace oder der Konsumenten mit Rekursrechten bekleiden, obwohl sie keine Mitglieder haben und nie gewählt wurden. Der Hermelin­mantel solch vermeintlicher Macht muss ihnen entwunden werden. Unter freien Bürgern gilt bei Geschäftsführung ohne Auftrag, hier wie im Ausland: Halt die Klappe.    •

Quelle: NZZ am Sonntag vom 12.5.2013

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