Geburtsstunde und Geburtshelfer der Taliban

Geburtsstunde und Geburtshelfer der Taliban

von Dr. phil. Matin Baraki

Im April 1978 hatte die Demokratische Volkspartei Afghanistans das feudale Daud-Regime gestürzt und grundlegende Reformen eingeleitet. Unmittelbar danach hatte man in den strategischen Zentren des Westens festgestellt, dass dieses Afghanistan keine Schule machen dürfe. Ansonsten würde die gesamte Region revolutioniert und die Ölversorgung des Westens gefährdet. Die iranische Februar-Revolution von 1979 bestätigte die Befürchtung der westlichen Strategen. Daraufhin wurde die Beseitigung der Regierung in Kabul beschlossen. Sie wurde als kommunistisch eingestuft und zu ihrer Bekämpfung der Islamismus erfunden. Das war die Geburtsstunde der Mudschahedin, Taliban und al-Kaida, also jener Islamisten, die wir nun weltweit beobachten.
Die Taliban waren Waisenkinder der afghanischen Flüchtlinge sowie Kinder armer pakistanischer Familien. Letztere konnten ihren Kindern keine Schulausbildung finanzieren. Sie wurden in den um Peshawar errichteten Koranschulen kostenlos unterrichtet, ideologisch geschult und später militärisch ausgebildet und ausgerüstet. Für ihre Organisierung und militärische Ausbildung sorgten die CIA und der pakistanische Geheimdienst ISI und für die Finanzierung die arabischen Golfmonarchien. Somit waren die USA, Pakistan und die arabischen Scheichtümer die Geburtshelfer von Taliban und al-Kaida.
Der pakistanische Machthaber General Zia Ul Haq hatte ab 1980 massiv neue Koranschulen errichten lassen, deren Zahl die Experten heute mit 50 000 angeben. Selbst wenn sich von jeder Schule nur ein einziger Talib den Kämpfern anschliessen würde, hätten die Taliban jährlich 50 000 Kämpfer. Dazu kommen noch afghanische, uigurische, turkmenische und arabische Taliban beziehungsweise freiwillige Dschihadisten. Man kann daher ohne weiteres von einer Internationale des Islamismus sprechen.
Erst nach dem 11. September 2001 erklärten die USA ihre ehemaligen Zöglinge zu Terroristen. Seit dreizehn Jahren führen sie nun einen gnadenlosen Krieg gegen sie. Viele ihrer alten durch die Jahre müde gewordenen Kommandanten, die zuletzt Kompromissbereitschaft signalisierten, wurden eliminiert, aber die Bewegung konnte nicht zerstört werden. Die jungen Taliban-Kommandanten sind kompromissloser. Wegen der Drohneneinsätze der CIA, bei denen es zu vielen zivilen Opfern kam, schliessen sich dann deren Angehörige als Freiwillige den Taliban an, gewähren ihnen Unterschlupf und geben ihnen Spenden. So können sich die Taliban in den Stammesgebieten wie Fische im Wasser bewegen. Sowohl von den erstarkten islamistischen Parteien Pakistans als auch aus arabischen Quellen werden sie weiterhin finanziert. Waffen kaufen sie sowohl auf dem Schwarzmarkt oder erbeuten sie durch Überfälle auf die Konvois, die von Karatschi aus über den Khaybar-Pass die US-Besatzer in Afghanistan beliefern. Da sie von den islamistischen Parteien Pakistans als Freiheitskämpfer gegen die USA angesehen werden, werden sie von ihnen sowohl politisch, personell und finanziell unterstützt.
Die Nato-Strategen haben vor etwa vier Jahren eine Differenzierung der Talibanbewegung vorgenommen. Es wurde zwischen den einheimischen und den internationalen Taliban unterschieden. Die einheimischen hätten im Gegensatz zu al-Kaida keine internationale Agenda. Sie wollen lediglich die fremden Soldaten aus ihrem Land vertreiben, deswegen könne man mit ihnen verhandeln. Ziel der westlichen Strategen war es, die Taliban in Afghanistan in die kolonial ähnlichen Strukturen zu integrieren und damit zu neutralisieren. Als dann die pakistanische Regierung dieselbe Nato-Position auch für sich beanspruchte und mit den Taliban einen Waffenstillstand vereinbarte, übten die USA massiven Druck auf die Regierung in Islamabad aus und forderten diese ultimativ auf, die Taliban weiter zu bekämpfen. Die pakistanische Armee führte mehrere Operationen durch, zuletzt im Frühjahr 2013, wobei auch Zivilisten zu Tode kamen. Jetzt haben die Taliban grausame Rache genommen, indem ihre Selbstmord-Attentäter am 16. Dezember 2014 eine von Kindern des Militärs besuchte Schule in Peshwar angriffen, wobei über 140 Schüler beziehungsweise Lehrer und die Angreifer ums Leben kamen. «Sie müssen fühlen, wie es ist, wenn man Kinder ermordet», sagte ein Taliban-Sprecher, an die Adresse des Militärs gerichtet, um diese Blutrache zu rechtfertigen.
Für eine Lösung des Konfliktes in und um Pakistan gibt es zu Verhandlungen mit den Taliban keine Alternative. Die westlichen Länder, allen voran die USA, sollten sich aus diesem Konflikt heraushalten. Es ist mehr als einmal bewiesen worden, dass externe Faktoren, die Probleme nicht lösen, sondern eher verschlimmern. Die USA sind inzwischen längst nicht nur Teil des Problems, sondern das Hauptproblem für die Lösung der Konflikte in und um Pakistan. Sie sind zu einem Hemmnis für eine friedliche Beilegung der innenpolitischen Konflikte in Afghanistan und Pakistan geworden.    •

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