Der unkontrollierbare türkische Kettenhund der USA

Der unkontrollierbare türkische Kettenhund der USA

von Prof. Dr. Albert A. Stahel, Institut für Strategische Studien, Wädenswil

Am 24. November hat ein türkischer Abfangjäger F-16 einen russischen Jagdbomber Su-24 abgeschossen. Gemäss der türkischen Luftverteidigung soll die Besatzung des Su-24 während 5 Minuten 10mal gewarnt worden sein, dass sie mit ihrem Kampfflugzeug in den türkischen Luftraum über der Provinz Hatay eingedrungen seien.1 Die russische Seite bestreitet dieses Eindringen durch den russischen Jagdbomber. Tatsache ist, dass der Su-24 über syrisches Territorium abstürzte.2 Dieser Absturzort wurde auch im russischen Fernsehen am 24. November 2015 (in Moskau) aufgezeigt und so kommentiert. Sowohl der Pilot wie auch der Waffenoffizier konnten sich mit dem Schleudersitz retten. Während der Letztere durch syrische Truppen, unterstützt durch russische Spetznaz, gerettet werden konnte, wurde der Pilot durch turkmenische «Irreguläre» mit Infanteriewaffen abgeschossen und getötet.3 Anschliessend haben die Turkmenen einen russischen Transporthelikopter Mi-8, der zur Rettung der Mannschaft in das Kampfgebiet flog, mit dem Feuer ihrer Infanteriewaffen zur Landung gezwungen. Dabei wurde ein Marinesoldat getötet. Anschliessend zerstörten sie den Helikopter mit amerikanischen Panzerabwehrlenkwaffen TOW.4
Nur schon auf Grund des Absturzortes des Jagdbombers muss die russische Version als die richtige bezeichnet werden. Des weiteren ist zu bemerken, dass die Türkei insbesondere die turkmenische Opposition im Gebiet von Jabal al-Turkman der syrischen Provinz Latakia gegen das Regime von Assad politisch unterstützt und vermutlich auch mit Waffen beliefert.5 Ankara hat mehrmals gegen die russischen Luft-Boden-Angriffe gegen die Turkmenen protestiert, und Erdogan hat die Verteidigung der Turkmenen durch die Türkei öffentlich beansprucht. Der russische Präsident Wladimir Putin hat seinerzeit festgehalten, dass die Mannschaft des abgeschossenen Jagdbombers Su-24 den Auftrag hatte, die Kämpfer dieses Gebietes anzugreifen.6 Den Abschuss hat der russische Präsident Wladimir Putin als «einen hinterhältigen Dolchstoss» und der russische Aussenminister Lawrow als «eine geplante Provokation» bezeichnet.7
Welches sind die unmittelbaren Auswirkungen des Abschusses? Gemäss der Anordnung des russischen Verteidigungsministers werden von jetzt an alle Jagdbomber bei ihren Bombardierungen durch Abfangjäger Su-30 geschützt werden.8 Dass der abgeschossene Su-24 keinen solchen Begleitschutz hatte, muss angesichts der Lage im Kriegsgebiet als leichtsinnig bezeichnet werden. Des weiteren wird, wie im russischen Fernsehen am 25. November gezeigt wurde, eine Batterie des modernen Luftverteidigungssystems S 400 auf den russischen Kriegsflugplatz Hmeimim bei Latakia verlegt. In der Zukunft dürfte jedes Kampfflugzeug, das einen russischen Jagdbomber bedroht, durch Su-30 oder S 400 abgeschossen werden.
Putin hat von Erdogan eine Entschuldigung verlangt. Dieser hat dies mit der Bemerkung abgelehnt, dass Russland sich für das Eindringen in den türkischen Luftraum entschuldigen müsse.9 Als Sofortmassnahme hat Russland den Import von türkischen Lebensmitteln gestoppt. Des weiteren ist für Türken und Türkinnen wieder die Visumspflicht nach Russland eingeführt worden. Die russische Finanzierung des Baus eines Kernkraftwerkes in der Türkei dürfte eingefroren werden. Möglicherweise wird Russland weitere Wirtschaftsmassnahmen gegen die Türkei ergreifen.
Barack Obama hat bis jetzt den Abschuss des russischen Jagdbombers vorsichtig kommentiert und in einer Art Nibelungentreue gegenüber dem Alliierten das Recht der Türkei betont, den eigenen Luftraum zu schützen und zu verteidigen.10 Angesichts der Tatsache, dass in der nächsten Zukunft die Spannungen im Kriegsgebiet entlang der syrisch-türkischen Grenzen noch mehr zunehmen könnten, wären die USA und ihre Alliierten gut beraten, ihre Beziehungen zur Türkei zu überprüfen. Zur Vermeidung einer weiteren Eskalation kriegerischer Luftkriegsaktionen sollten die USA ihren Kettenhund, der bis anhin immer loyal die Interessen der USA im Mittleren Osten wahrgenommen hat, wieder an die Leine nehmen. Dies dürfte aber, angesichts des offensichtlichen Desinteresses von Erdogan am Niederringen des Islamischen Staates (IS), nicht einfach sein.    •

1    Oliker, O. and J. Mankoff, Turkey’s Downing of a Russian Jet, Center for Strategic & International Studies, CSIS, Washington DC, 25. November 2015, S. 1
2    Stratfor, Russia, Turkey: Two Versions of the Same Story, 25. November 2015, 20:18
3    Oliker, O. and J. Mankoff, S. 1
4    Stratfor, What to Expect After the Downing of a Russian Fighter Jet, 24. November 2015, 19:47
5    Oliker, O. and J. Mankoff, S. 2
6    Oliker, O. and J. Mankoff, S. 2
7    Oliker, O. and J. Mankoff, S. 1
8    Oliker, O. and J. Mankoff, S. 2
9    Ostroukh, A., Dagher, S., Abdulrahim, R., Alakraa, M.N., Lubold, G. and J. Barnes, Turkey Downs Russian Jet; Ankara claims fighter violated airspace; Moscow says it was over Syrian territory, in: The Wall Street Journal, 25. November 2015, S. A1/A4
10    Stratfor, U.S., France: Presidents Respond to Downed Russiand Fighter Jet, 24. November 2015, 18:14

Quelle: Institut für Strategische Studien, www.strategische-studien.com vom 29.11.2015

Wer mit wem gegen wen?

Auf der Pressekonferenz mit Präsident Hollande hat Präsident Putin nochmals klargestellt, dass Russland die Routen und Ziele aller geplanten Angriffsflüge in Syrien vereinbarungsgemäss den Amerikanern mitteilt: «The US-led coalition, which includes Turkey, was aware of the time and place where our planes would operate. And this is exactly where and when we were attacked.» Damit sollte das Propaganda-Gedröhn von 17 Sekunden «Luftraumverletzung» nun wirklich ein Ende haben: Der Abschuss war ein Hinterhalt, den Erdogans Luftwaffe ohne US-Unterstützung nicht hätte legen können. Dass der US-Syrien-Koordinator General John Allen (Obama-Feind und Neocon) den Hit genehmigte, ist wahrscheinlich.

Quelle: <link http: www.broeckers.com tag syrien>www.broeckers.com/tag/syrien/  vom 29.11.2015

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