Ein geniales Windrad aus der Schweiz

Ein geniales Windrad aus der Schweiz

von Daniele Schwelger

Roman Bühler hat ein Windrad mit dem man zwei Liegenschaften unabhängig mit Strom versorgen kann. Der Strom kann mittels Batterie gespeichert oder ins Netz eingespeist werden. Seine Windkraftanlage läuft so ruhig, dass sie problemlos in einem Wohnquartier stehen kann. Der Clou dabei ist die vertikale Drehachse der Rotorblätter. Wie ist Bühler bloss auf so etwas gekommen?

«Wind ist mein Element. Schon als kleiner Junge hatte ich das Gefühl, ich könne nur meine Arme ausbreiten und wie ein Vogel davonfliegen», erinnert sich Roman Bühler. Mit sieben Jahren bastelte er Modellflugzeuge, mit zwölf Deltasegler und Heissluftballone. Als Erwachsener wurde der heute 50jährige aus Horn TG dann tatsächlich Pilot. Und er war einer der ersten Gleitschirmkonstrukteure. Vor 25 Jahren gründete er eine Gleitschirmfirma, die später zu einer der weltweit grössten wurde. Die Gleitschirme litten damals an einer Kinderkrankheit: Sie hatten die Tendenz vorzuschiessen – der Schirm nimmt dabei volle Fahrt auf, klappt nach vorne herunter und bringt den Piloten in arge Schwierigkeiten. «Die ungeheure Kraft, die der Wind bei diesem Vorgang freisetzte, faszinierte mich», sagt Roman Bühler. Die Frage, wie dieser Effekt auch positiv genutzt werden konnte, liess ihn nicht mehr los.

Lernen vom Fliegen

So lange nicht, bis in seinem Kopf die Idee einer vollkommen neuartigen Windkraftanlage reifte. Mit dem sogenannten H-Rotor stellte der Tüftler das Prinzip bisheriger Windkraftanlagen auf den Kopf. Wortwörtlich: Denn anders als bei den gemeinhin bekannten Windrädern dreht der H-Rotor nicht um die horizontale, sondern um die vertikale Achse. Die Flügelanordnung um den Mast erinnert an ein H, daher der Name H-Rotor. Und bei diesen Flügeln ist das Vorschiessen erwünscht. Dank dieses Effekts beginnen die Rotorblätter schon bei geringstem Wind zu drehen. Und produzieren damit Strom.
Jahrelang trug der Erfinder seine Idee mit sich herum, machte Skizzen, erstellte Berechnungen und füllte Notizzettel um Notizzettel. Bald fing auch sein Bruder Daniel, ein ehemaliger «Crossair»-Pilot, Feuer für die neuartige Windanlage. «Wir starteten mit unseren ersten Rotormodellen wie Bill Gates mit Microsoft in einer Garage», lacht der 50jährige Erfinder. Das war vor vier Jahren. Dabei musste Roman Bühler von Grund auf alles neu entwickeln: Form, Material, Grösse der Flügel. Bei der Entwicklung floss alles Wissen aus der Fliegerei mit ein.

Lastwagen als Windkanal

Den ersten Prototyp bauten die Brüder in ihrer Freizeit. Das war 2008. Zu Testzwecken montierten sie diesen auf einen kleinen Lastwagen und fuhren damit durch die Gegend. «Der Lastwagen simulierte den Windkanal unter freiem Himmel», erklärt Bühler. Und das Prinzip funktionierte! Das Windrad hatte die Feuertaufe bestanden. Damit war die Grundlage gelegt für die Gründung des eigenen Unternehmens: Envergate.
Die Rotorblätter aus Kohlefasern wurden perfektioniert. Im März letzten Jahres ging die erste Anlage ans Stromnetz. Die Betriebszentrale der Migros Ostschweiz in Gossau stellte eine Bühlersche Anlage auf ihr Dach: Deren Mast ist neun Meter hoch, die Flügel sind sechs Meter lang. Im Normalbetrieb liefert die Anlage Strom für zwei Einfamilienhäuser.

Leise und ausgeklügelt

«Unsere Anlage läuft praktisch geräuschlos», sagt Roman Bühler. «Mit 40 Dezibel ist sie kaum lauter als die Umgebungsgeräusche in Wohnquartieren.» Das liegt an der Anordnung der Flügel. Die Form des Flügelendes ist so gestaltet, dass der Wind praktisch ohne Wirbel darum herumfliesst. Und die Wirbel an der Austrittskante oder an der Spitze des Rotors sind die, die den grossen Lärm verursachen. Ausserdem strömt der Wind den ganzen Flügel mit derselben Geschwindigkeit an, was das Rauschen minimiert. Das ist wichtig. Denn der Lärm ist meistens der Grund, weshalb konventionelle Anlagen ausserhalb von Wohnsiedlungen aufgestellt werden müssen. Ein weiterer Vorteil des H-Rotors: Er muss nicht nach dem Hauptwind ausgerichtet werden. Eine ausgeklügelte Steuerung stellt die Rotorenblätter immer optimal in den Wind. Weil das alles so schön funktioniert, hat Roman Bühler eine Vision. Darin setzt jeder Einfamilienhausbesitzer auf Windkraft und die Menschheit ganz allgemein auf eine autarke Stromversorgung. Zumal ein Drittel der Menschheit noch immer ohne Strom lebe, wie Bühler vorrechnet. «Mit unserer Anlage kann man überall, wo es auch nur ein biss­chen Wind hat, Strom produzieren.» Wobei dieser entweder in die bestehenden Stromnetze gespeist oder mittels Batterie gespeichert werden kann. Vor allem abgelegene Orte können von der Technologie profitieren. Berghütten zum Beispiel oder Beschneiungsanlagen in den Bergen.
Der Markt für solche Windanlagen in der Schweiz ist wegen mangelnden Windes eher klein. Aber das nehmen die Brüder Bühler gelassen. Denn die ab 59 000 Franken teuren Windanlagen sollen den Weltmarkt erobern. Sie sind auf dem besten Weg dazu. Roman und Daniel Bühler lieferten schon nach England, Irland, Indien und Deutschland. Die Auftragsbücher sind gut gefüllt. «Seit dem Unglück in Japan ist die Nachfrage merklich gestiegen», so Bühler.

Wie ein Baum

Bühler glaubt fest an die Zukunft der Windenergie: «Das nukleare Zeitalter neigt sich dem Ende zu.» Natürlich brauche das Umdenken noch Zeit.
 Und es gilt, einige Hürden zu nehmen: Zum Beispiel beansprucht ein Windrad Landfläche. Aber in Siedlungsgebiete integriere sich die Anlage sehr gut, zumal sie kaum höher als ein Baum sei, sagt Bühler. «Und im Vergleich zu den möglichen Folgen eines Atomkraftunfalls sollte uns die Windkraft doch geringe Nachteile wert sein.»     •

Quelle: ecolife. Das Schweizer Magazin für nach­haltigkeit. Nr. 3/11.
Weitere Informationen unter <link http: www.envergate.com>www.envergate.com

Herr der Lüfte

DS. Dass Roman Bühler (50) eine Lehre als Automechaniker absolvierte, ist lange her und schon fast vergessen. Hier fand er sein Glück nicht. Dafür in der Luft. Roman Bühler ist ausgebildeter Pilot. Er flog für die Pilatus-Werke, war Mitglied des Red-Bull-Acro-Teams und Schweizer Meister im Motor-Kunstflug. Bühler studierte Physik und Aerodynamik, schrieb Bücher darüber und revolutionierte mit seiner (inzwischen verkauften) Firma Paratech vor 25 Jahren die Gleitschirmfliegerei. Zudem war Bühler Mitglied der Schweizer Nationalmannschaft im Hängegleiten.
Der ehemalige Ostschweizer Meister im Kunstturnen ist ein sportbegeisterter Mensch, der gerne läuft oder klettert. Zudem spielt er Gitarre, Klavier und Handorgel. Er ist Vater von fünf Kindern.

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