«Diejenigen, die Risiken eingegangen sind, müssen dafür haften»

«Diejenigen, die Risiken eingegangen sind, müssen dafür haften»

Ein Interview mit Frank Schäffler, Abgeordneter der FDP im Deutschen Bundestag*

ef./kks. Am 21. September veranstaltete die «Zivile Koalition e.V.» in Berlin unter der Leitung von Beatrix von Storch eine Podiumsdiskussion zum Thema «ESM-Vertrag – Der Weg in die Schuldenunion? – Abschaffung von Demokratie und Souveränität». Mit Prof. Dr. Hans-Olaf Henkel, den Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler (FDP) und Klaus-Peter Willsch (CDU), Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider, Marie-Christine Ostermann («Die Jungen Unternehmer – BJU») und Beatrix von Storch («Zivile Koalition e.V.») war das Podium hochkarätig besetzt.
Die Veranstaltung wurde von mehr als 300 Teilnehmern besucht. (Ein ausführlicher Bericht folgt in der kommenden Ausgabe von «Zeit-Fragen».) Die grosse Mehrheit der Teilnehmer war sich darin einig, dass der permanente Euro-Rettungsschirm ESM verhindert werden muss. Unterstützt wird diese Position von den bislang bei Bundestagsabgeordneten eingegangenen 180 000 Protest-E-Mails.
Der FDP-Abgeordnete Frank Schäffler, der gemeinsam mit anderen Parteimitgliedern einen Mitgliederentscheid angestossen hat, um den unbefristeten ESM zu verhindern, forderte auch, dass die Gläubiger der zahlungsunfähigen Staaten an den Rettungspaketen beteiligt werden müssen. «Zeit-Fragen» sprach mit ihm am Rande der Veranstaltung.

Zeit-Fragen: Sie haben mit dem Antrag zur Mitgliederbefragung innerhalb der FDP über weitere Rettungsmassnahmen für überschuldete Staaten einen Stein ins Rollen gebracht. Können Sie etwas sagen zum Echo dazu?

Frank Schäffler: Wir haben in der FDP das Instrument einer Mitgliederbefragung, die Parteitagsbeschlüsse ersetzt, wenn gewisse Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Wir sind jetzt dabei, 5% der Mitgliederstimmen zu sammeln – das ist das notwendige Quorum, um einen Mitgliederentscheid durchzusetzen. Wir haben bundesweit aus allen Regionen und aus allen Landesverbänden Unterstützer gesammelt. In den nächsten Tagen werden wir das notwendige Quorum erreichen. Dann wird es eine Alternativabstimmung für die 68 000 Mitglieder der FDP geben. Der Vorschlag, den wir eingereicht haben, und der Vorschlag, den der Bundesvorstand einreichen wird, wird dann von den Mitgliedern alternativ abgestimmt. Das wird im September bzw. Oktober der Fall sein. Dann werden wir die Stimmen haben, und dann schauen wir mal weiter.

Was ist Ihr Vorschlag zur Lösung des Euro- Problems?

Wir müssen eigentlich drei Dinge tun. Wir müssen zum einen die Haftungsregeln in ­Europa wieder zur Geltung bringen. Das heisst, diejenigen, die Risiken eingegangen sind, müssen dafür haften. Die Länder und die Banken, die über ihre Verhältnisse gelebt haben, die zu hohe Risiken eingegangen sind, müssen dafür haften. Gegebenenfalls muss es einen Schuldenschnitt und einen Gläubigerverzicht geben.  
Zweitens muss es beim Euro eine Austrittsmöglichkeit geben. Das heisst, wer dauerhaft Regeln verletzt, muss im Zweifel auch ausgeschlossen werden können; als ultima ratio.
Drittens ist es natürlich auch ein fundamentales Problem des Geldsystems. Wir haben eine Überschuldungskrise von Banken und Staaten. Wir sind deshalb hineingekommen, weil unser Bankensystem als Teilreservesystem Geld aus dem Nichts produzieren kann und damit Kredite aus dem Nichts vergeben kann. Wir haben über Jahrzehnte ein System entwickelt, wo nicht nur das, was gespart wird, als Kredit vergeben wird. Die Banken haben die Möglichkeit, aus diesem Ersparten, was Sie und ich zur Bank bringen, ein Vielfaches an Kredit zu produzieren. Sie produzieren Geld auf Knopfdruck. Das führt zunehmend dazu, dass wir immer mehr Geld herstellen müssen, um ein gewisses Wirtschaftswachstum zu haben. Damit wird im Kern Inflation geschaffen. Inflation nicht nur bei den Konsumgütern, sondern auch Inflation bei den Vermögensgütern. Was jetzt stattfindet, ist, dass sich die Vermögensgüterinflation korrigieren will. Das Problem ist, dass die Luft aus dem System raus will und wir immer mehr Luft in das System hineinpumpen. Das führt dazu, dass die Korrektur zu einem späteren Zeitpunkt viel, viel fundamentaler sein wird.

Was denken Sie zum Vorschlag der geordneten Insolvenz?

Das ist der harte Schuldenschnitt. Es gibt in Europa keinen Insolvenzrichter oder dergleichen. Griechenland z.B. legt selbst fest, wann es insolvent ist, indem es seine Schulden nicht mehr bedient. Dann sagt der Markt, ihr seid insolvent, ihr bekommt keine neuen Kredite. Eine geordnete Insolvenz heisst im Kern, dass man sich früh genug mit den Gläubigern zusammensetzt und die Gläubiger einen Gläubiger-Ausschuss bilden. Auf der Ebene des Pariser Clubs und des Londoner Clubs bei den staatlichen und privaten Gläubigern ist das immer wieder geschehen. Das ist eigentlich die geordnete Insolvenz. Die ungeordnete Insolvenz ist, wenn das nicht geschieht, wenn man sich nicht im Verlauf mit den Gläubigern verständigt, ihnen nicht signalisiert: «Wir wollen mit euch sprechen.» Eine geordnete Insolvenz ist, dass der Staat, der überschuldet ist, aktiv auf die Gläubiger zugeht und über einen Lösungsweg verhandelt.
Hierin sehe ich eine Perspektive: Man muss umschulden, man muss die Möglichkeit zum Austritt schaffen, die es laut Professor Schachtschneider seit dem Maastricht-Urteil auch gibt. Die Gläubiger müssen als erstes beteiligt werden. Die jetzigen Rettungspakete beteiligen die Gläubiger nicht – so wird Marktwirtschaft pervertiert.

Was braucht es für Europa in der gegenwärtigen Situation?

In Europa gibt es keinen Rechtsschutz. Keiner hat die Regeln kontrolliert. Es braucht eine Rückkehr zu einem Europa des Rechts. Das ist Grundvoraussetzung dafür, dass es besser wird. Es muss die Möglichkeit zum Austritt aus dem Euro geben. Nur so hat Griechenland eine Chance, wieder wettbewerbsfähig zu werden. Innerhalb des Euro-Raumes ist das nicht möglich.
Augenblicklich wird versucht, ein Angstszenario aufzubauen. Wir müssen uns aus der «Rettungslogik» befreien: Wer Schulden macht, muss haften. Staaten wie Investoren müssen das Risiko selbst tragen. Es ist immer teurer, wenn man Schulden sozialisiert, und es besteht die Gefahr des Nachahmens. Wir müssen dazu beitragen, dass die Bürgergesellschaft nicht zerstört wird.
Herr Schäffler, vielen Dank für das Gespräch.    •

*    Frank Schäffler, 1968 geboren in Schwäbisch Gmünd, ist ausgebildeter Industriekaufmann und Diplom-Betriebswirt. Er war 13 Jahre als selbständiger Berater für ein Unternehmen tätig, das Finanzprodukte vermittelt. Seit 2009 ist er Abgeordneter der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag und Mitglied im Finanzausschuss, seit 2010 Vorsitzender der AG Bürokratieabbau der FDP-Bundestagsfraktion. Im Jahre 2011 erhielt er den Deutschen Mittelstandspreis. Seit 2011 ist er Beisitzer im FDP-Bundesvorstand und zudem Bezirksvorsitzender der FDP Ostwestfalen-Lippe.

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