«Die Schulen in Sachsen sind die besten»

«Die Schulen in Sachsen sind die besten»

Das Berufliche Schulzentrum Weisswasser – ein Beispiel

von Dieter Sprock

«Die Schulen in Sachsen sind die besten, und wir sind Sachsen», sagt Eveline Hubatsch, die ehemalige Geschäftsführerin der Lausitzer Glaswerke Weisswasser, in einem Gespräch mit Schulleitung und Lehrern des Beruflichen Schulzentrums Weisswasser, nicht ohne berechtigten Stolz. Die Schulen und die Lehrkräfte der ehemaligen DDR hatten es nach der Wende vielfach nicht leicht, wurden doch ihre Erfahrungen vom Westen kaum zur Kenntnis genommen, und dies, obwohl die Industrie die hervorragend ausgebildeten Ingenieure aus dem Osten mit Handkuss nahm. Die Chance, von beiden Schulsystemen das Beste zu nehmen und zusammenzuführen, wurde vertan.

Trotz Verunsicherung vorausschauen

Auch das Berufliche Schulzentrum Weiss- wasser hat mehrere Umbrüche mitgemacht, darunter mindestens einen grossen, den Übergang vom Schulsystem der DDR zum Schulsystem von Baden Württemberg und Bayern, an deren Lehrpläne und Form es sich nach der Wende orientieren musste. In Weisswasser gab es zur DDR-Zeit zum Beispiel eine Berufsausbildung mit Abitur. Diese hatte sich seit den 70er Jahren als bewährtes System etabliert. Es bot Lehrlingen die Möglichkeit, auf diesem Weg das Abitur zu erlangen. Mit dem radikalen Einschnitt bis hin zur Wende sollte dieses System auslaufen. «Aber die Schüler waren ja noch da, die konnten wir doch nicht einfach wegschicken; in der Übergangsphase gab es in Weisswasser drei Abiturjahrgänge. Obwohl wir Lehrer sehr verunsichert waren, mussten wir doch vorausschauen und die Klassen zum Abschluss bringen», sagt Friedhelm Patock, der stellvertretende Schulleiter.
Im gesamten Ostgebiet gingen die Schülerzahlen nach der Wende stark zurück. Im Kreis Görlitz, Zittau und Hoyerswerda waren die Rückgänge besonders dramatisch. Die Bevölkerungszahl in Weisswasser schrumpfte von knapp 40 000 in der Nachwendezeit auf gegen 19 000 heute. «Vor allem jüngere Menschen gingen weg; sie nahmen ihre Kinder – auch die Nichtgeborenen – mit, und die fehlen jetzt. Mit Aktionen, wie ‹Sachse komm zurück› und anderen, versucht man nun, die Leute zurückzuholen, die hier dringend gebraucht werden», erklärt Friedhelm Patock. Viele gingen weg, weil die Löhne im Westen höher waren. Ein weiterer Grund waren die Strukturveränderungen: Die gesamte Textilindustrie brach zusammen, und damit fielen Hunderte von Arbeitsplätzen weg. Im Lausitzer Glaskombinat gab es insgesamt gegen 14 000 Beschäftigte, heute sind in der Glasindustrie nur noch 500 tätig. Und im Kraftwerk Boxberg, einem der Hauptarbeitgeber in der Region, waren zu Spitzenzeiten über 4000 Menschen beschäftigt, heute sind es noch 800 bis 900.
Diese Entwicklung hat natürlich auch die Bildungslandschaft verändert: Standorte wurden zusammengelegt und Schulen geschlossen. Das führte zunächst zu einem deutlichen Lehrerüberhang, den man durch einen Einstellungsstop abzubauen versuchte.
Doch inzwischen herrscht in Sachsen akuter Lehrermangel, auf allen Stufen werden wieder Lehrer gesucht; die bestehende Lehrerschaft ist überaltert. Das ist besonders für die Berufsschulen ein Problem, da dort jeder Lehrer ein bestimmtes Fachgebiet hat, und nicht einfach ein anderes Fach übernehmen kann.

«Die Ergebnisse sind sehr ermutigend»

Auch die Einführung des Lernfeldkonzepts hat den Lehrern viel abverlangt. Kaum einer, der in seinem ursprünglich ausgebildeten Fach noch klassisch unterrichtet. Die Lehrer ­mussten sich nicht nur auf neue Fächer einstellen, sondern auch die pädagogischen und  methodischen Anforderungen haben sich verändert. Zum Beispiel wurde das klassische Fach Mathematik in vielen Berufen in den fachlichen Bereich eingebettet, um es praxisnäher zu gestalten, denn es ist ja ein fliessender Übergang: «Ich muss rechnen können, ich muss in der Lage sein, einen Text zu verstehen, vielleicht muss ich ihn sogar übersetzen, aus dem Englischen oder Russischen, ich muss am Ende eine Strategie entwickeln und eventuell die Ergebnisse auch noch präsentieren können. Es oblag den Lehrern, das Fach so zu entwickeln. Diese Entwicklung erstreckte sich über einen längeren Zeitraum und erforderte viel Zusammenarbeit. Für Mechatroniker zum Beispiel musste der ganze Lehrplan neu entwickelt und erst mal praxisrelevant werden. Wir haben die Mechatronikerausbildung 2000 in unserem Standort in Boxberg installiert, und ich muss sagen, das sind immer Klassen mit einem sehr hohen Potential.
Ich bin seit einigen Jahren Korrektor bei den Industrie- und Handelskammer-Prüfungen. Dort sehe ich, dass es richtig ist, was wir in der Schule gemacht haben, zielorientiert und zweckmässig. Die Ergebnisse sind sehr ermutigend», fügt Friedhelm Patock an.

«Unser Angebot ist ziemlich breit gefächert»

Das Berufliche Schulzentrum Weisswasser ist eine breit aufgestellte Schule. Sie bildet viele Berufe aus. Dabei ist die klassische Berufsschule mit der dualen Berufsausbildung – in Betrieb und Schule – nur eine Säule. «Wir arbeiten hauptsächlich mit dem Blocksystem. Im Blocksystem kommen die Schüler 14 Tage in die Schule, dann sind sie 4 Wochen im Betrieb. Nur die Handelsberufe, also die Verkäufer und Einzelhändler, kommen jede Woche zwei Tage in die Schule, mindestens 13 Stunden», erklärt der Schulleiter Gotthard Bläsche. «Wir haben Tischler, Holzmechaniker, Industriemechaniker, Fertigungsmechaniker, Elektroniker, Automatisierungstechniker, Betriebstechniker, Mechatroniker, Teilezurichter, verschiedene Bauberufe sowie Verkäufer und Einzelhändler, alle arbeiten in einem Ausbildungsbetrieb.
Es gibt auch berufsvorbereitende Angebote für junge Leute, die keinen Hauptschulabschluss haben.
Dann haben wir noch die Fachoberschule. Da können gute Schüler die Fachhochschulreife erlangen; nach der zehnten Klasse in zwei Jahren oder nach einer abgeschlossenen Lehre in einem Jahr.
Eine andere Schulart nennt sich Berufsfachschule. Da bildet der Staat Berufe aus; in Weisswasser in Informatik und im sozialen Bereich.
Und schliesslich führen wir eine Fachschule für Berufsleute mit abgeschlossener Lehre, die zum staatlich geprüften Techniker und Betriebswirt führt. Die Schüler kommen Freitagabend und Samstagvormittag, die Ausbildung ist berufsbegleitend und dauert vier Jahre.
Das zeigt, unser Angebot ist ziemlich breit gefächert, und das ist sehr anspruchsvoll. Von den Schülern her gesehen reicht das Spektrum von ganz schwachen Schülern bis hin zu sehr guten. Für die Lehrer ist das sicher nicht einfach; sie müssen hier bei den Schwachen unterrichten und zwei Stunden später müssen sie umschalten und ein ganz anderes Anspruchsniveau liefern.»
Mit seinen 1000 Schülern, 53 Klassen und 56 Lehrern gehört das Berufliche Schulzentrum Weisswasser zwar nicht zu den gröss­ten; grosse Zentren haben 2000 Schüler und mehr, doch hat die «Kleinheit» auch ihre Vorteile, vor allem den Vorteil der ländlichen Gegend: Es gibt weniger Gewalt als in den grossen Städten.

«Es wird überall eine fantastische Arbeit gemacht»

«In Sachsen», führt Gotthard Bläsche weiter aus, «geben sich die Mittelschulen (siehe Kasten) sehr viel Mühe, sie machen richtig guten Unterricht. Das Problem der Mittelschulen bestand lange darin, dass nach der Wende sehr viele Schüler bereits nach der vierten Klasse den Weg ins Gymnasium wählten; damit fehlte in den Mittelschulen die Leistungsspitze. Das hat sich inzwischen wieder etwas geändert. Heute wählen wieder mehr Schüler den Weg über die Mittelschule und entscheiden nachher, ob sie weitermachen wollen. Die Anforderungen an den Mittelschulen sind ordentlich. Vielleicht gab es in der Überganszeit einen gewissen Leistungsschwund; man war verunsichert und musste sich erst umstellen. Auch die Grundschulen hier haben den Schülern immer ordentlich Lesen, Schreiben und Rechnen beigebracht. Ich denke, es wird überall eine fantastische Arbeit gemacht.
Wenn man das Leistungsniveau unserer Schüler beurteilt, muss man das sehr differenziert sehen: Der wirklich gute Schüler geht zum beruflichen Gymnasium. Der nächste, der vielleicht 2,0 steht, kriegt eine Lehrstelle bei Vattenfall, dort bekommt er viel Geld und hat Aussicht, nachher übernommen zu werden. Der dritte kriegt vielleicht auch irgendwo eine Lehrstelle und auch noch ein ordentliches Geld. Und dann der vierte mit vielleicht 3,5 oder 3 … Wir sind natürlich daran interessiert, unsere Fachoberschule mit Schülern auszustatten, auch wenn uns nicht nur die Besten zur Verfügung stehen. Wenn die Lehrer dann über den Stand der Schüler klagen, liegt das nicht unbedingt an den vorhergehenden Schulen, sondern daran, dass einfach nicht die Besten bei uns auf der Matte stehen. Ich will damit sagen, es ist schwer, aus unserer Position über die anderen Schularten zu urteilen.» Und dann komme hinzu, dass gerne über Dinge geklagt werde, die einem nicht gefallen. Natürlich gäbe es Momente, wo man sich wünsche, dass die Schüler dieses oder jenes besser könnten, aber man müsse halt mit dem leben, was man habe, fügt Andreas Diener an. Er unterrichtet bei den Sozialassistenten die Bereiche Beziehungsgestaltung und Musik, ausserdem Deutsch als Zweitsprache für Jugendliche mit Migrationshintergrund. Petra Weidner, die im Bereich Fachoberschule Wirtschaft unterrichtet, setzt sich für gehirngerechtes Lernen ein und bricht eine Lanze fürs Spielen: Auf die Dosis komme es an.
Jedenfalls sind alle überzeugt, dass Unterrichten in erster Linie mit dem Lehrer zu tun hat und nicht schulleitungsgesteuert ist. «Es kommt darauf an, wie der Lehrer in die Klasse reingeht und seine Ziele und den Stoff rüberbringt.» Der Lehrerberuf sei schon ein sehr wichtiger Beruf; es brauche Lehrer mit Herz und Seele, die auch wieder Werte vermitteln. Dem bleibt eigentlich nichts hinzuzufügen.     •

Mittelschule in Sachsen

In Sachsen sind Haupt- und Realschule zur Mittelschule zusammengefasst. Diese umfasst die Klassen 5 bis 10. Sie vermittelt sowohl eine theoretische als auch eine praktische Bildung und ist Basis für eine berufliche oder weiterführende schulische Bildung.
Die Klassen 5 und 6 bilden eine Einheit, in ihnen können die Kinder sich orientieren. Die Lehrpläne sind ausgeglichen, sodass ein Wechsel in das Gymnasium möglich bleibt. Unterrichtet wird im Klassenverband, aber die Schüler kommen bereits in Kontakt mit dem Fachsystem, um so den Sprung in die höheren Klassen problemlos zu schaffen. Damit jeder Schüler entsprechend seinen Fähigkeiten lernen kann, wird Förderunterricht angeboten. Dieses Angebot gibt es zum einen für Schüler, die Defizite in ihren Leistungen zeigen, aber teilweise auch für solche, die bereits früh besonders gute Leistungen erkennen lassen. Ab der siebten Klasse wird der Unterricht auf den Abschluss bezogen erteilt. Sie als Eltern müssen sich entscheiden, welchen Abschluss Ihr Kind in der Mittelschule anstreben soll. Allerdings ist diese Entscheidung nicht endgültig, da auch nach der siebten, achten und neunten Klasse – je nach Leistung – noch gewechselt werden kann.
Es gibt drei Abschlüsse, die an der Mittelschule erreicht werden können. Nach der neunten Klasse erreichen die Schüler des Hauptschulbildungsgangs den Hauptschulabschluss. Haben diese zusätzlich noch erfolgreich eine Prüfung abgelegt, dann erhalten Sie den Qualifizierenden Hauptschulabschluss. Im Realschulbildungsgang haben die Schülerinnen und Schüler nach erfolgreichem Besuch der zehnten Klasse den Realschulabschluss in der Tasche, wenn sie die Abschlussprüfung bestanden haben. Mit diesen Abschlüssen stehen den Schülern weitere Bildungsgänge an beruflichen und allgemein bildenden Schulen offen.

Quelle: <link http: www.studienkreis.de service schulsysteme artikel das-schulsystem-in-sachsen.html>www.studienkreis.de/service/schulsysteme/artikel/das-schulsystem-in-sachsen.html

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