Steuerung des Gesundheitswesens durch Bundesrat Berset und «sein» BAG?

Steuerung des Gesundheitswesens durch Bundesrat Berset und «sein» BAG?

Schweizer Gesundheitswesen gehört in die Hand der Kantone

von Dr. iur. Marianne Wüthrich

Im Artikel «Nein zur Mogelpackung ‹Bundesbeschluss über die medizinische Grundversorgung›» (Zeit-Fragen Nr. 7 vom 25. März) wurde auf die grosse Bedeutung eines föderalistisch organisierten Gesundheitswesens für unsere Bevölkerung hingewiesen: «In der Schweiz funktioniert das Gesundheitswesen wie alles, was die Bevölkerung von unten nach oben eingerichtet hat, bestens. Das Erfolgsrezept ist ganz einfach: Direkte Demokratie und Föderalismus sind die besten Mittel, um ein Gemeinwesen solide und nachhaltig zu organisieren. Im schweizerischen Bundesstaat ist es selbstverständlich, dass das Gesundheitswesen, wie übrigens auch die Schule, in der Hand der Kantone liegt. Das Subsidiaritätsprinzip – der Bund greift nur ein, wenn die Kantone ausserstande sind, ihre Aufgaben zu erfüllen – hat sich seit 1848 bestens bewährt. Eine zentralistische Steuerung ist uns Schweizern zutiefst zuwider.»

Föderalismus als eine Säule des Schweizer Modells

Die Schweiz ist 1848 aus dem Zusammenschluss der souveränen Kantone zu einem Bundesstaat entstanden. Selbstverständlich ist seit damals viel Wasser den Rhein hinabgeflossen und das Schweizervolk hat dem Bund im Laufe der Zeit viele neue Kompetenzen zugesprochen, von denen im 19. Jahrhundert noch niemand etwas wissen konnte. Denken wir nur an Bereiche wie die Kernenergie oder die Nationalstrassen (Autobahnen) und die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB), die der Souverän sinnvollerweise in die Hände des Bundes gelegt hat. Die SBB beispielsweise ist in den Köpfen und Herzen der Bevölkerung als Bundeseinrichtung par excellence seit langem verwurzelt.
Aber ebenso in unserem Innersten verwurzelt ist die kleinräumige, föderalistische Staatsstruktur der Schweiz. Vielleicht sollte man – ähnlich wie zur Verankerung des Prinzips der immerwährenden bewaffneten Neutralität in der Bevölkerung – einmal eine Umfrage zur Erhaltung des Föderalismus machen. Eine mindestens 90prozentige Bejahung der Schweizer zu einer starken Stellung der Kantone könnte mit Gewissheit erwartet werden.
Zu den Bereichen, die seit jeher in der Kompetenz der Kantone liegen, gehört das Gesundheitswesen. Jedem leuchtet ein, dass die Aufsicht über die Grundversorgung der Bevölkerung durch Ärzte und Spitäler nicht von Bern aus organisiert werden kann, sondern im kleinen Gemeinwesen vom Souverän geordnet werden muss. In der Diskussion zum Gegenvorschlag über die Grundversorgung ist die Bemerkung gefallen, der Staat habe ja seit jeher in die Gesundheitsversorgung eingegriffen. Dazu ist festzuhalten: Selbstverständlich hat der Staat Aufsichts- und Kontrollrechte im Gesundheitswesen, und die Spitäler führt zum grossen Teil der Staat selbst. Aber «der Staat» ist in der Schweiz der Kanton – ihm stehen diese Aufgaben zu, nicht dem Bund.

Föderalistisches Prinzip in der Bundesverfassung

In der schweizerischen Bundesverfassung ist das Prinzip des Föderalismus in einer bemerkenswerten Art und Weise formuliert:

Art. 3 Kantone
Die Kantone sind souverän, soweit ihre Souveränität nicht durch die Bundesverfassung beschränkt ist; sie üben alle Rechte aus, die nicht dem Bund übertragen sind.

Das heisst, dass nicht der Bund den Kantonen einzelne Kompetenzen überträgt, sondern umgekehrt: Grundsätzlich liegen alle Kompetenzen bei den Kantonen, die nicht durch den Verfassungsgeber, also durch Volk und Stände, dem Bund übertragen werden. Dieser Grundsatz wird bestätigt durch die folgende Bestimmung:

Art. 42 Aufgaben des Bundes
1 Der Bund erfüllt die Aufgaben, die ihm die Bundesverfassung zuweist.

Also: Dem Bund stehen lediglich diejenigen Kompetenzen zu, die der Souverän ihm ausdrücklich zuweist, alle anderen Befugnisse bleiben bei den Kantonen.
In der langen Zeit seit der Gründung des Bundesstaates hat sich bestätigt, dass die Lösung der meisten anfallenden Probleme am besten gemäss der Vielfalt der Kantone und Gemeinde entschieden werden soll. «Am besten» will heissen: möglichst bürgernah, mit möglichst wenig Bürokratie und erst noch finanziell am günstigsten. Also entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip, wonach die Gemeinde die Aufgaben löst, die sie selbst bewältigen kann, bevor der Kanton eingreift. Dasselbe muss für das Verhältnis zwischen Kanton und Bund gelten. Auch das Subsidiaritätsprinzip ist in der Bundesverfassung festgelegt:

Art. 43 a Grundsätze für die Zuweisung und Erfüllung staatlicher Aufgaben
1 Der Bund übernimmt nur die Aufgaben, welche die Kraft der Kantone übersteigen oder einer einheitlichen Regelung durch den Bund bedürfen.

Das Subsidiaritätsprinzip ist nicht nur wichtiger Ausfluss des Föderalismus, sondern auch der direkten Demokratie, denn auf den unteren Staatsebenen, der Gemeinde und dem Kanton können die Bürger viel direkter in das Geschehen eingreifen.

Der Erhaltung des Föderalismus Sorge tragen

Verfassungsgesetzgeber ist der Souverän, also wir Bürger. Wir sind dafür verantwortlich, dass grundlegende Aufgaben des Gemeinwesens wie Schule und Gesundheitswesen in den Händen der Kantone bleiben.
In neuester Zeit jedoch greifen gewisse Kreise in Politik und Verwaltung immer mehr in den Bestand des Föderalismus hinein und versuchen, die Bundesverwaltung zu einem zentralen Macht- und Steuerungsapparat auszubauen und in einem Mass auszudehnen, das eine fortlaufende Schwächung des bewährten und sehr gut funktionierenden föderalistischen Systems zur Folge hat. Wer das Ziel verfolgt, die Schweiz immer stärker in die EU und in eine Welt der globalisierten Grosskonzerne einzugliedern, kann keine kleinräumige Organisation mit vielen «veto playern» brauchen – gemeint sind die 26 kantonalen Parlamente und der Souverän in den 26 Kantonen.
Wir Stimmbürger sind aufgerufen, dazu Sorge zu tragen, dass der Föderalismus nicht dem Zentralisierungsstreben einiger Bundesräte und Bundesbeamten zum Opfer fällt. Am 18. Mai haben wir ein weiteres Mal Gelegenheit dazu: Sagen wir nein zur Mogelpackung «Bundesbeschluss über die medizinische Grundversorgung», die dem BAG und seinem vorgesetzten Bundesrat Alain Berset die Umfunktionierung unseres guten föderalistisch geregelten Gesundheitswesens überlassen will.    •

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