25 Jahre nach der Maueröffnung – welche Lehren gibt es?

25 Jahre nach der Maueröffnung – welche Lehren gibt es?

von Karl Müller

Am 9. November jährt sich die erste Öffnung der Berliner Mauer für die Bürger der damaligen DDR. Dieser Tag vor 25 Jahren war für sehr viele Menschen ein Tag der Freude. Aber die Hoffnungen der Menschen, dass mit diesem Tag auch insgesamt die Türen für eine bessere Welt geöffnet würden, haben sich nicht erfüllt. Im Gegenteil – humanitäre Organisationen sprechen heute davon, dass die schon jetzt hohe Anzahl von Krisenregionen in den kommenden Jahren zunehmen wird. Die internationale Ordnung befindet sich in einer sehr instabilen Lage, und die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in vielen Staaten der Welt verläuft nicht gut.
Das alles ist kein Zufall, sondern das Ergebnis politischer Fehlentscheidungen der vergangenen 25 Jahre, die aber sehr wohl so gewollt waren – nicht für das allgemeine Wohl, aber sehr wohl für ganz spezielle Inter­essen.
Worum es geht, zeigt sich exemplarisch beim Blick auf drei Interviews der vergangenen Wochen.
Das erste Interview führte der Deutschlandfunk (10.10.2014) mit dem ehemaligen DDR-Bürgerrechtler und evangelischen Theologen Friedrich Schorlemmer. Anlass für das Interview war die erneute Forderung westdeutscher Parteipolitiker, die DDR insgesamt als Unrechtsstaat zu bezeichnen und damit alles in der DDR zu delegitimieren. Schorlemmer wandte sich dagegen. Er führte unter anderem aus: «Dieses Totschlagargument verhindert jede differenzierende Betrachtung dessen, was die DDR war und wollte. […] Man muss auch die Urabsichten der DDR 1949 verstehen. Wenn sogar einer, der aus der DDR weggejagt wurde, der grosse Hans Mayer, sagt, die DDR war ein Versuch, und wenn man mal das Pathos sich anguckt, mit dem die Bechersche Nationalhymne, ‹Lasst uns pflügen, lasst uns bauen, lernt und schafft wie nie zuvor›, [ertönte], das waren hohe ethische Vorstellungen. Aber man hat aus meiner Sicht Unmögliches mit untauglichen Mitteln versucht. Aber das Ganze als Unrechtsstaat zu bezeichnen führt in die Irre. […] Friedliche Revolution heisst doch auch, die einen haben nicht gehängt, und die anderen haben nicht geschossen. Warum soll man nicht auch die würdigen. Man muss ja nicht vor ihnen auf die Knie fallen. Aber zu sagen, gut, verehrter Hans Modrow, er hat den drohenden Bürgerkrieg auf eigene Kappe damals in Dresden verhindert, oder auch der Roland Wötzel in Leipzig. Ich finde, man sollte auch anerkennen, dass die dann schliesslich friedlich den Machtlöffel abgegeben haben und wir die Demokratie aus eigener Kraft hier zunächst organisieren konnten. Ich denke, das sollten wir nicht vergessen. Es reicht aus, den Strafvollzug in der DDR ebenso anzuprangern wie das ­politische Strafrecht, und das wird ja bis heute wieder und wieder getan. Damit aber trifft man nicht die gesamte Lebenswirklichkeit von Menschen, schon gar nicht die Motive von Menschen, die dachten, die DDR sei die richtige Antwort auf die verhängnisvolle deutsche Geschichte. All das muss man differenziert angucken, ohne zu relativieren. Aber man muss die DDR nicht noch schärfer machen als sie ist. […] Unter denen, die das System getragen haben, waren durchaus auch Menschen, die etwas Grosses wollten, nämlich dass die Entfremdung aufhört, die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, alles – wie hiess es damals? – mit dem Volk, für das Volk und durch das Volk.»
Solche Ansichten werden von den westdeutschen Eliten nicht gerne gehört. Sie passen nicht ins Schwarz-Weiss-Bild, passen nicht zu einer verblendeten westlichen Selbstgefälligkeit, stören vor allem den Machtanspruch einer kleinen Minderheit.
Das zweite Interview führte der Deutschlandfunk (14.10.2014) mit dem Wirtschaftswissenschaftler Max Otte. Professor Otte war neben Eberhard Hamer einer der wenigen Ökonomen, die schon geraume Zeit vor 2007 die dann beginnende weltweite Finanzkrise voraussagten. Nun hat er den aktuellen Konjunktureinbruch kommentiert. Max Otte sagte unter anderem: «Tatsache ist, dass die Politik langsam keine Optionen mehr hat, dass dieser Einbruch vielleicht viel gefährlicher ist als der, den wir 2008 hatten. Das haben wir durch billiges Geld wieder rausgerissen, aber die Politik der Notenbanken kommt jetzt an ihre Grenzen. […] Die Politik der Notenbanken ist jetzt am Ende. Wir sind schon fast bei null Zinsen, wir haben Strafzinsen. Das erinnert ein bisschen an die Spätzeit der DDR, wo auch solche Potemkinschen Dörfer aufgebaut wurden. […] Wenn es uns jetzt trifft, dann wird es wahrscheinlich eine Abwärtsspirale in der gesamten Weltwirtschaft. […] Das ganze viele Geld, was wir jetzt gedruckt haben, das ist an die Banken geflossen, das ist zum Teil in spekulative Bereiche geflossen, und es ist nicht wirklich dahin geflossen, wo es hinfliessen müsste, nämlich in den Süden, in den Mittelstand in Deutschland, dort, wo Investitionen sinnvoll sind. […] Die Lage ist diesmal so ernst wie seit Jahrzehnten nicht, denn wir haben wirklich viele Krisen, und die Notenbanken sind mit ihrer ­Politik am Ende.»
Max Otte fügte dann noch zwei Überlegungen zum wirtschaftlichen Niedergang in Europa hinzu: «Wir haben diese unsäglichen Sanktionen viel zu früh und viel zu stark gegen Russland beschlossen, die natürlich vor allem Deutschland und Österreich treffen.» Und dann noch: Im Bereich der Hochtechnologie müsse sich Europa «erst mal aus der totalen Abhängigkeit von Amerika lösen». Die Europäer seien hier «im Prinzip ein Anhängsel der USA».
Der dritte Interviewpartner war der Inhaber der schwäbischen Textilfirma Trigema, Wolfgang Grupp, der als einer der profiliertesten Mittelständler Deutschlands gilt. Er stand dem Magazin Compact (10/2014) Rede und Antwort und hielt mit seiner Meinung über die Sanktionspolitik gegen Russ­land nicht hinter dem Berg: «Mein Votum gegen Sanktionen speist sich nicht aus wirtschaftlichen und schon gar nicht aus eigennützigen Motiven. Die Ausfuhr von Trigema-Produkten nach Russland liegt bei null.
Mir geht es um den Frieden auf unserem Kontinent. Es kann nicht sein, dass wir uns von den Amerikanern in einen neuen Kalten Krieg hineinziehen lassen. Die grossen Gewinner der Sanktionspolitik sind nämlich die USA. Die Amerikaner haben kaum Güteraustausch mit Russland, aber uns wollen sie das verbieten. Der Grund ist klar, die USA sehen Europa als wichtigsten Wirtschaftskonkurrenten, und mit diesen Sanktionen wollen sie Europa schwächen.»
Und zu Russland selbst fügte er hinzu: «In Moskau sitzt doch kein Stalin und kein Breschnew mehr, da ist doch seit Gorbatschow viel passiert. Putin hat diesen Weg fortgesetzt, und daher sollten wir mit ihm kollegial umgehen. Wir können ja Kritik äussern, aber wir sollten uns nicht als Lehrmeister aufspielen.»
Es lohnt sich, über die inneren Zusammenhänge zwischen dem heutigen Zustand Europas und der Welt und dem nun schon 25 Jahre währenden westlichen Umgang mit der ehemaligen DDR nachzudenken. Schwarz-Weiss-Malerei, Überheblichkeit und Besserwisserei sind «nützliche Idioten» einer eiskalten Macht- und Interessenspolitik. Genaues Hinschauen, eigenständiges Denken und gleichwertiger Umgang mit allen Menschen auf diesem Globus sind eine gute Immunisierung dagegen. 25 Jahre nach der Maueröffnung ist auch das eine Lehre aus der Geschichte.    •

Papst Franziskus zum Welternährungstag: Globale Solidarität für nachhaltiges Wirtschaften

Papst Franziskus hat ländliche Familien als Modell einer nachhaltigen Landwirtschaft gewürdigt. In einer Botschaft an den Generaldirektor der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) anlässlich des Welternährungstages am 16. Oktober ruft Franziskus dazu auf, Kleinbauernfamilien weltweit zu schützen, ihre ­Potentiale weiterzuentwickeln und ihre Arbeitsweisen zu fördern. Die ländliche Familie sei ein Vorbild der Schöpfungsverantwortung und der gemeinschaftlichen Arbeit, betont der Papst in dem Schreiben an José Graziano da Silva, das der Vatikan an diesem Freitag veröffentlichte. Solche Formen des nachhaltigen Wirtschaftens müssten auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene stärker gewürdigt werden.

Dramatisches Paradox unserer Zeit: Verschwendung und Hunger

Mit Blick auf den Welternährungstag ruft Franziskus erneut zu gemeinsamen Anstrengungen der Weltgemeinschaft im Kampf gegen den Hunger auf. Die globale Krise und die aktuellen Konflikt-herde gingen vor allem auf Kosten der Armen in der Welt, erinnerte er. Dass Menschen in verschiedenen Teilen der Welt Hunger litten und auf der anderen Seite Essen verschwendet würde, sei «eines der dramatischsten Paradoxe unserer Zeit», formulierte der Papst. Der generelle Rückgang der öffentlichen Gelder für die Entwicklungshilfe trage ihren Teil zu dieser «beunruhigenden Situation» bei. Entschieden wandte sich der Papst gegen Spekulationen mit Lebensmitteln und verurteilte ein solches Gewinnstreben, das im Namen des «Gott Profit» stehe.

Papst fordert gerechte Weltwirtschaft

In dem Schreiben plädiert Franziskus weiter für ein generelles Umdenken in der Hilfs- und Entwicklungspolitik. Ländern, die wesentlich von der Landwirtschaft lebten, müsse eine «Selbstbestimmung des eigenen Marktes» garantiert werden, so Papst Franziskus. Daran müssten die Regeln internationaler Produktions- und Handelsweisen angepasst werden. Der Papst rief zu einer gerechten Weltwirtschaft auf, die vom Menschen und dem Schutz der Schöpfung ausgeht: «Das ist vielleicht die einzige Möglichkeit, um eine authentische Zukunft des Friedens aufzubauen.»

Quelle: <link http: de.radiovaticana.va news papst_zum_welternährungstag:_globale_solidarität_für_nachhaltiges ted-831481>de.radiovaticana.va/news/2014/10/17/papst_zum_welternährungstag:_globale_solidarität_für_nachhaltiges/ted-831481
vom 17.10.2014

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