Änderung der Berner Konvention muss der nächste Schritt sein

Änderung der Berner Konvention muss der nächste Schritt sein

Ständerat für die Senkung des Schutzstatus von Grossraubtieren

Interview mit Ständerat René Imoberdorf

thk. Die Wiederansiedlung von sogenannten Grossraubtieren (Bär, Wolf, Luchs) in der Schweiz hat zu erheblichen Problemen geführt, unter denen vor allem Schafzüchter und Jäger zu leiden haben. Das Wiederansiedlungsprojekt, das vor allem unter der Führung des zurückgetretenen Bundesrats Moritz Leuenberger hätte durchgedrückt werden sollen, verfolgte unter anderem das Ziel, den Bergbauern das Leben schwer zu machen und die «Biodiversität» über den Menschen zu stellen. Dass sich Leuenberger damit als Erfüllungsgehilfe einer EU-inszenierten «Naturpolitik» zur Verfügung stellte, stiess vor allem in den betroffenen Kantonen immer mehr auf Widerstand. Einzelne Vertreter in den nationalen Parlamenten lancierten Vorstösse, die den Ambitionen Leuenbergers einen Riegel schieben sollten, und hatten damit Erfolg.
Nachdem in der Herbstsession 2010 der Nationalrat mehreren Motionen, die den Schutzstatus von Grossraubtieren senken, zugestimmt hatte, war nun der Ständerat mit dieser Frage befasst. Obwohl in der vorberatenden Kommission die Mehrheit für eine Abschwächung der vom Nationalrat angenommenen Motionen plädiert hatte, zielte der Antrag der Minderheit, deren Sprecher Ständerat René Imoberdorf war, auf die unveränderte Übernahme der entsprechenden Motionen. In der Schlussabstimmung folgte die Mehrheit der Ratsmitglieder dem Antrag der Kommissionsminderheit und überwies die Motionen ohne Einschränkungen an den Bundesrat.

Zeit-Fragen: Was hat im Ständerat zum Erfolg geführt?
Ständerat René Imoberdorf: Ein wichtiger Aspekt, der auch in der Kommission zur Sprache kam, war die falsche Auffassung, die Jäger hätten es auf eine finanzielle Entschädigung für die gerissenen Tiere abgesehen. Man konnte klarstellen, dass dem nicht so ist. Das war ganz wichtig. Das Schreiben der eidgenössischen Jagddirektoren ist klärend gewesen, und zwar, dass die Kantone nicht nur ein Grossraubtier-, sondern ein allgemeines Wildtiermanagement aufbauen wollen. Und die Gespräche mit den Kollegen haben mir gezeigt, dass das zwei ganz wichtige Punkte gewesen sind, die hier im Rat für eine Mehrheit gesorgt haben.

Was bedeutet das für die Kantone?
Ich bin nicht nur von der Sache her froh, sondern auch staatspolitisch, weil die Kantone in beiden Punkten mitbestimmen können, und zwar bei Schäden betreffend die Nutztier- und die Wildtierbestände. Das System ist so aufgebaut, dass die Kantone ein Gesuch an den Bund stellen können, und ich glaube nicht, dass die Gefahr eines Missbrauchs besteht. Auch zeigt sich der Bund bis jetzt kooperativ. Sollte sich das ändern, müsste man hier auch wieder politisch einschreiten. Bei der Argumentation der Jagddirektorenkonferenz hat mich überzeugt, dass man das Gesamte anschauen muss und nicht nur einzelne Segmente, zum Beispiel nur die Nutztiere. Ich sehe darin eine Stärkung der Kantone. Das ist auch sehr wichtig, denn jeder Kanton hat seine Besonderheiten. Im Wallis ist es vor allem der Wolf, der Probleme macht, nicht der Luchs. In anderen Kantonen ist es praktisch nur der Luchs. So wie die Entwicklung aussieht, wird das in den nächsten Jahren noch ziemliche Veränderungen geben. Interessant ist, dass sich in den letzten Jahren im Parlament die Stimmung verändert hat. Vor ein paar Jahren hätten wir mit solchen Vorstössen keine Chance gehabt.

Was hat die Veränderung herbeigeführt?
Da sich die Tiere mehr oder weniger über die ganze Schweiz ausbreiten, ist es doch zu Allianzen dagegen gekommen. Man erkennt auf einmal das Problem.
Bisher war der Wolf vor allem eine Gefahr für Schafe und Ziegen. Man verstärkt jetzt den Herdenschutz. Es könnte so zu einer Verlagerung der Jagd auf Wildtiere kommen. Wie ist das zu beurteilen?
Das ist einer der Hauptgründe für die Wichtigkeit der Motion von Ständerat Fournier, aber auch der anderen Motionen. Ständerat Fournier hat mir gesagt, dies ist heute schon ein Problem. Der Wolf wird nicht nur Schafe reissen, es gibt andere seltene Wildtiere, die dem Wolf zum Opfer fallen werden. Und wenn es dann noch zur Rudelbildung kommt, dann haben wir ein echtes Problem mit anderen Tierarten. Das Gleichgewicht wird dadurch empfindlich gestört. Das ist unmöglich.
Nehmen wir einmal an, der Herdenschutz würde wirklich 100% funktionieren. Das ist natürlich unwahrscheinlich, dann wird der Wolf auf Wildtiere ausweichen, und die Wildtiere sind davon betroffen. Damit haben wir nur eine Verlagerung des Problems.

Ich möchte nochmals auf die Schafe zurückkommen. Das hat doch im Wallis einen besonderen Stellenwert.
Die Schafzucht im Wallis, das ist eine alte Tradition. Ich habe als kleiner Bub Schafe gehütet. Im Frühling in den ersten Wochen ist man jeden Tag mit ihnen auf die Weide gegangen. Und an einem Stichtag hat man sie auf die Alp getrieben. Dann bin ich jedes Wochenende hinaufgefahren und habe geschaut, wie es den Schafen geht. Das ist eine tief verwurzelte Tradition. Sicher gab es auch Tierverluste, aber die Sömmerung gehört selbstverständlich zur Schafzucht. Und das ist fest im Gemüt dieser Schafbauern verankert.
Im Oberwallis gibt es viele kleine Schafbauern. Ich habe das miterlebt, was für ein grosser Aufwand dort betrieben wird. Und wenn sie kein Gehör für ihre Anliegen finden, dann werden sie das aufgeben.

Was hat das für Folgen?
Im Goms gab es eine grosse Strukturveränderung. Wir haben dort sehr viel Viehwirtschaft gehabt, und diese ist enorm zurückgegangen. Was noch übriggeblieben ist, sind die Schafzüchter. Wenn das auch aufgegeben wird, folgt eine völlige Vergandung bis hinunter ins Tal. Diese Auswirkungen werden von diesen radikalen Tierschützern bisher völlig unterschätzt. Das ganze Gebiet wäre zum Beispiel verstärkt lawinengefährdet.
Auch der kulturelle Aspekt würde dadurch verlorengehen, und das dürfen wir nicht vergessen. Es waren Bergbauern, die in der Geschichte der Schweiz für die Freiheit gekämpft haben. Bauern, die in den Bergtälern gelebt haben und sich die Freiheit ertrotzten. Das müssen wir doch erhalten.

Welche Gefahren stellen sich in Zukunft beim Wolf?
Bisher haben wir beim Wolf nur Einzeltiere gehabt. Wenn man weiss, dass sich im Goms Rudel gebildet haben, dann bin ich überzeugt, dass die Menschen beim Langlaufen oder Wandern ein ungutes Gefühl hätten. Man weiss nicht, wie die Tiere reagieren. Die Menschen haben Angst, auch ihrer Kinder wegen.

Wie ist nun der weitere politische Weg?
Die Rückstufung des Wolfs in der Berner Konvention von «streng geschützt» auf «geschützt» müsste der nächste Schritt sein. Aber das wird nicht einfach. Wir müssen aber reagieren können, wenn der Schaden zu gross ist. Und mit Biodiversität müssen sie mir schon gar nicht kommen. Der Wolf hat ganz und gar nichts damit zu tun, er stellt eher eine Gefahr für die Biodiversität dar. Sagen wir doch einfach Artenvielfalt. Und hier können wir ganz klar festhalten: Das Tier steht nicht vor dem Aussterben. Die Gefahr ist schon lange gebannt. Und das ist doch wieder ein Argument, dass er nicht auf diese Liste gehört.
Ich bin froh, dass es so herausgekommen ist, so ist meines Erachtens allen gedient. Sollte sich die Situation aber verschärfen, muss man den nächsten Schritt tun. Wir müssen es genau beobachten.

Herr Ständerat, herzlichen Dank für das ­Gespräch.

«Wie erwartet, fand im Ständerat eine interessante und gute Diskussion statt. Man konnte feststellen, dass die beiden Standpunkte nicht ganz so weit auseinander lagen, wie im Vorfeld befürchtet wurde. Dass schliesslich die jägerfreundlichere Version knapp obsiegt hat, ist letztlich auch auf das gute und sachliche Votum von Frau Bundesrätin Doris Leuthard zurückzuführen. Sie hat vor allem darauf hingewiesen, dass man den Kantonen eine grössere Möglichkeit der Mitbestimmung geben soll. Ich bin froh, dass es so herausgekommen ist, und bedanke mich bei allen, insbesondere auch bei Ständerat René Imoberdorf, die im Vorfeld mitgeholfen haben, sachliche Überzeugungsarbeit zu leisten.»
NR Rudi Lustenberger

 

«Es ist sehr gut, dass der Ständerat auch eingesehen hat, dass man nicht nur Haus- und Nutztiere vor dem Raubtier schützen muss, sondern auch die Wildbestände. Es ist wichtig, dass wir die Bestände von allen Wildtieren erhalten können. Wir haben in der Schweiz  schon Zeiten erlebt, als wir in den meisten Kantonen keine Hirsche mehr hatten, und man sie wieder aussetzen und dafür sorgen musste, dass sie sich wieder vermehren.»
NR Roberto Schmidt

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