Wie weiter in Island nach dem Volks-Nein?

Wie weiter in Island nach dem Volks-Nein?

Staatspräsident Olfar Ragnar Grimsson zeigt den Weg

ww. Die Stimmbürger von Island haben vor drei Wochen zum zweitenmal sehr deutlich abgelehnt, milliardenschwere Bankschulden der verstaatlichten Landsbanki (Ice­save-Gelder) aus der Staatkasse zu bezahlen. Zeit-Fragen hat über die Hintergründe berichtet (Nr. 12 vom 22. März.) Die Isländer haben damit die Regierungen in London und Den Haag gegen sich aufgebracht, die nun die Angelegenheit vor das Efta-Gericht bringen wollen. Die Chefin der rot-grünen Regierung, Sigurdardottir, die das Land in die EU führen will, befürwortet ebenfalls diesen Weg. Sie hatte mit London und Den Haag vereinbart, knapp 4 Milliarden Euro private Bankschulden in Raten bis ins Jahr 2046 aus der Staatskasse zurückzubezahlen. Sie ist enttäuscht vom Ausgang der Abstimmung und erwartet für Island schwere Zeiten.
Nicht so Islands Staatspräsident Olfar Ragnar Grimsson: Er zeigt den Isländern einen Weg aus dem Konflikt, der geradezu «salomonisch» anmutet und dem wohl eine grosse Mehrheit der Bevölkerung spontan zustimmen wird. Island werde die Schulden zahlen, versicherte er noch am Tage der Abstimmung. Das Geld würde jedoch nicht aus der Staatskasse genommen, sondern aus den Erträgen der inzwischen verstaatlichten Grossbank Landsbanki finanziert (oder allenfalls aus der Konkursmasse). Damit wäre das «Verursacherprinzip» gewahrt. Die Steuerzahler wären nicht betroffen und müssten die Spekulationsverluste der privaten Bank nicht tragen. – Soll das Efta-Gericht entscheiden? Für Grimsson ist «das Volk der oberste Richter über die Gültigkeit der Gesetze».

Optimistischer Staatspräsident

Olfar Ragnar Grimsson sieht die Zukunft für das Land nicht so düster wie Regierungschefin Sigurdardottir, die in die EU strebt. Island ist zwar von der Finanzkrise schwer getroffen, hat jedoch mit der Fischerei und der verarbeitenden Industrie ein sicheres Standbein. Auch der Tourismus boomt. Island ist im Trend. Das Land hat zudem einen weiteren Trumpf. Es hat kein Atomproblem, weil es seinen Strom aus geothermischen Gross­kraftwerken bezieht, die das Land auch mit Heizwärme versorgen. Auch Wasserkraft ist zur Genüge vorhanden. Da weltweit mit einem Anstieg der Strompreise gerechnet wird, hat Island einen Wettbewerbsvorteil. Industrien könnten hier betrieben werden, die sehr viel Strom verbrauchen. Die Aluminiumindustrie ist dafür ein Beispiel. Zudem hat Island einen Staatspräsidenten, der die Bevölkerung im Auge hat. Island hat seinen Ausflug in die Welt der Grossfinanz teuer bezahlt. Es ist aber nicht untergegangen.

Signalwirkungen

Die beiden Volksabstimmungen in Island sind für Europa und die ganze Welt bedeutend – aus zweierlei Gründen:
1.    In Island sind gleich drei grosse, systemrelevante Banken untergegangen, deren Bilanzsumme um ein Vielfaches so gross war wie das Bruttosozialprodukt des Landes. Die Folgen waren wirklich schlimm – in vielerlei Hinsicht. Das «System» brach jedoch nicht zusammen, die Lichter gingen nicht aus, wie es Asgeir Jonsson, der ehemalige Chefvolkswirt der Kaupthing Bank, in seinem Buch «Der Fall Island» beschreibt. Das «Horrorszenario», das überall auf der Welt als Rechtfertigung für die massiven staatlichen Rettungsprogramme herangezogen wird, ist nicht eingetroffen. Die Bankomaten blieben in Funktion, die Bankschalter offen, und der Zahlungsverkehr war nie unterbrochen. Der Bankbetrieb ging «neu strukturiert», das heisst stark verkleinert und mit neuen Eigentümern, bald wieder weiter.
2.    Die zwei isländischen Volkabstimmungen über die Frage, ob Steuerzahler private Bankschulden bezahlen sollen, sind ein Warnsignal für die EU. Weshalb? Die EU-Zentrale verfolgt ein ähnliches Projekt mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM, der im Juli 2013 in Kraft treten soll. Zwar sollen mit diesem Projekt nicht die Steuerzahler direkt für Spekulationsverluste von privaten Banken aufkommen. Sie sollen jedoch mit Garantien für die leichtfertige Schuldenpolitik in einigen Ländern einstehen, obwohl die EU-Statuten dies ausdrücklich verbieten (No-Bailout-Klausel). Zudem sind Schulden privater Banken in den Staatsschulden inbegriffen, weil viele Länder – ähnlich wie Island – diese einfach verstaatlicht haben. Wenn man die bisher erfolgten und versprochenen Zahlungen im Rahmen des EU-Rettungsschirms an Griechenland, Irland und Portugal von insgesamt 620 Milliarden Euro (Berechnung von Prof. Hans-Werner Sinn) mit dazuzählt, ergibt dies ein Haftungsvolumen von 1,3 Billionen Euro, mit dem die Steuerzahler im Euro-Raum im Juli 2013 als Haftungsgemeinschaft konfrontiert sein werden. Private Banken, die sich verspekulieren, Regierungen, die sich leichtfertig verschulden … Sollen die Steuerzahler wirklich dafür zahlen?

Am Volk vorbei?

Der Europäische Stabilitätsmechanismus ESM ist zwar in Brüssel beschlossen, muss aber in den einzelnen Mitgliedsländern noch ratifiziert werden. Angesichts der Tragweite der Vertragsänderung wären in einigen Ländern Volksabstimmungen nötig (ähnlich wie beim Maastricht-Vertrag). In Deutschland wäre im Bundestag ein qualifiziertes, die Verfassung änderndes Mehr erforderlich. Dies alles soll vermieden werden, indem das «Verfahren der vereinfachten Vertragsänderung» angewandt werden soll. In einigen Ländern ist aber auf jeden Fall die Zustimmung des Parlamentes notwendig – wie zum Beispiel in Finnland. Hier ist vor wenigen Wochen die Protestbewegung «Wahre Finnen» erdrutschartig mit zwanzig Prozent der Stimmen ins Parlament gewählt worden. Sie hat sich – ähnlich wie die Bürgerbewegung «DeFence» in Island – zum Ziel gesetzt, den «Deal» der EU-Eliten zu Lasten der Steuerzahler zu bekämpfen.
Auch wenn die EU-Elite Volksabstimmungen meidet wie der Teufel das Weihwasser, so gelingt es ihr nicht, ganz am Volk vorbei zu politisieren. Wird eine Volksabstimmung verhindert, so lässt sich eine in der Bevölkerung verankerte Protestbewegung ins Parlament wählen, um von dort aus handeln zu können – so geschehen in Finnland. Die EU-Zentrale muss nicht nur in Finnland, sondern auch in anderen Ländern mit Überraschungen rechnen. Island selber befindet sich am Scheideweg: Treten die Isländer wirklich der EU bei, wie es die rot-grüne Regierung will, dann müssen sie damit rechnen, in der Frage der Haftung für fremde Schulden (mit denen die Steuerzahler nichts zu tun haben) vom Regen in die Traufe zu geraten.    •

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