Paraguay
von Karl Schuler
In einer Mittelschule der besonderen Art im paraguayischen San Miguel lernen 125 Jugendliche, traditionelle Landwirtschaft mit neuen Methoden zu betreiben. Damit sollen die Ernährung gesichert und die Abwanderung in die Stadt vermindert werden.
«Nennen Sie mich einfach Mari, so sagen mir alle hier am Colegio», meint die 18jährige Maria Nilsa Gonzales vertrauensvoll. Nach 6 Studienjahren steht sie zusammen mit 20 gleichaltrigen Mädchen und Jungen kurz vor der landwirtschaftstechnischen Matur. Mari ist die Jüngste von 6 Geschwistern einer Kleinbauernfamilie, die sie im 250 km entfernten Herkunftsdorf jeweils einmal pro Monat besucht. An der zweisprachigen Sekundar-und Mittelschule «Ko’ê Pyahü», was in der Guarani-Sprache «Neuer Tag» bedeutet, die hier alle auf spanisch als «Colegio» bezeichnen, lernte sie neben den theoretischen Fächern auch Backen in der Schulbäckerei und auf dem fast 30 Hektaren umfassenden Landwirtschaftsbetrieb viel Grundlegendes über organische Anbaumethoden. Sie wird nun auf einem Bauernbetrieb ein Praktikumsjahr absolvieren und möchte später ihren Traum verwirklichen und Veterinärmedizin studieren.
In dem 200 km nördlich der Hauptstadt Asuncion gelegenen Departement San Pedro sind die Organisationen der Kleinbauern besonders aktiv, und sie haben sich schon Anfang der Neunzigerjahre zur ACADEI zusammengeschlossen. In diesem an sich fruchtbaren Gebiet war die Landflucht besonders hoch. Der Druck der grossen exportorientierten Soja-Produzenten auf die bloss 2 oder 3 Hektaren umfassenden Kleinbetriebe wurde immer grösser, und der massive Einsatz von Pestiziden gefährdet auch heute die Gesundheit der Bauernbevölkerung. Besonders die heranwachsenden Kinder der Kleinbauern sahen keine Zukunftsperspektive auf dem Land und zogen, kaum hatten sie die Primarschule abgeschlossen, in die Hauptstadt Asuncion oder in eine der anderen Städte des Landes. Dort fanden sie, wenn überhaupt, nur eine unqualifizierte Arbeit. In dieser schwierigen Lage griffen vor allem die in der ACADEI organisierten Bäuerinnen zur Selbstinitiative und gründeten mit der Unterstützung durch das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) das landwirtschaftliche Colegio in der Gemeinde San Miguel.
Die Eltern waren von Anfang an im Schulrat vertreten, und sie bestimmten auch das Schulprogramm mit. Sie wollen, dass ihre Kinder neben den Allgemeinfächern vor allem auch eine praktische landwirtschaftliche Ausbildung erhalten und dass neben dem Erlernen angepasster Anbaumethoden mit mehrheitlich biologischem Landbau auch die kulturelle Bildung ihren Platz erhält. Heute lehren 24 Fachkräfte an dem als Internat eingerichteten Colegio, und die 6 Klassen von der Sekundarstufe bis zur Matur werden von 125 Schülerinnen und Schülern besucht. Inzwischen wird die Schule vom Staat anerkannt und unterstützt und gilt in Paraguay gar als Modell.
Ein Rundgang durch den Landwirtschaftsbetrieb kommt einer Einführung in die ganze Breite der subtropischen Landwirtschaft Paraguays gleich. In Gruppen und unter Anleitung der Instruktoren hegen und pflegen die Jugendlichen sowohl eine kleine Bananen-Plantage wie auch einheimische Fruchtbäume, Bohnen und Mais und sogar einen Kräutergarten mit über 80 Arten. Die Bienenzucht sowie die Aufzucht von Hühnern und Schweinen dienen neben der Ausbildung vor allem auch der Selbstversorgung dieser grossen Gemeinschaft. Da die Schülerinnen und Schüler, betreut von einer Küchenchefin, auch selber kochen, werden sie das Fleisch der von ihnen gepflegten Tiere zum gegebenen Zeitpunkt schmackhaft zubereiten.
Um sich in der Landwirtschaft eine Existenz zu sichern, müssen die Kleinbauern neben den zur Selbstversorgung bestimmten Erzeugnissen auch solche produzieren, die in der Region oder gar im Ausland einen Markt finden. Naheliegend wäre der Anbau von Soja, doch vermögen sie dabei nicht mit den grossen Grundbesitzern zu konkurrenzieren. Das Colegio hat deshalb mit Erfolg den biologischen Anbau von Sesam eingeführt, und bereits können die Bauern der Region von dieser Initiative profitieren. Das subtropische Klima eignet sich gut für diese Pflanze, die sowohl als Öl wie als Gewürz begehrt ist und von Japan in grossen Mengen importiert wird. •
Quelle: Samariter 3/11
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