«Die Völker Europas wollen Freiheit und nicht Planwirtschaft»

«Die Völker Europas wollen Freiheit und nicht Planwirtschaft»

 

«Mein Verstand sagt mir, dass der Schuldenschirm unvernünftig ist»

Rede des Abgeordneten Frank Schäffler (FDP) in der Bundestagsdebatte über die Erweiterung der EFSF am 29. September 2011

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren!

Am 11. Februar 2010 haben sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union zum kollektiven Rechtsbruch verabredet. Griechenland sollte auf jeden Fall finanziell geholfen werden. Damit haben die Staats- und Regierungschefs nichts anderes verkündet als den Bruch der Nichtbeistandsklausel in den europäischen Verträgen.

«Es gibt Alternativen zum derzeitigen planwirtschaftlichen und rechtswidrigen Handeln der europäischen Regierungen und der EU-Kommission. Planwirtschaft und Rechtsbruch sind nicht alternativlos. Wir müssen uns jedoch trauen, die Alternativen zu bedenken, zu wählen und anschliessend mutig umzusetzen. Vor allem müssen wir anfangen, die heute vielfach geschürte Angst vor der Freiheit zu bekämpfen. Denn die Völker Europas wollen ein Europa des Rechts und der Freiheit.»


Uns wurde im Deutschen Bundestag versprochen, dass die Griechenland-Hilfe eine einmalige Hilfe sei, die absolute Ausnahme und sonst nichts. Die Tinte war noch nicht trocken, wurde einen Tag später in Brüssel der jetzige Schuldenschirm EFSF vereinbart.
Als der Deutsche Bundestag das sogenannte Euro-Rettungspaket verabschiedete, wurde hier erklärt, dass ohnehin niemand unter diesen Schirm flüchten wird. Bereits wenige Monate später drängten sich erst Irland, dann Portugal und bald auch Griechenland unter den Schirm.
Am 27. Oktober 2010 erklärten Sie, Frau Bundeskanzlerin, hier im Hohen Hause, ich zitiere:
«Er läuft 2013 aus. Das haben wir auch genau so gewollt und beschlossen. Eine einfache Verlängerung kann und wird es mit Deutschland nicht geben, weil der Rettungsschirm nicht als langfristiges Instrument taugt, weil er Märkten und Mitgliedstaaten falsche Signale sendet und weil er eine gefährliche Erwartungshaltung fördert.» Zitat Ende.
Keine vier Wochen später galt dies alles nicht mehr. Und es wurde dann sogar am 11. März 2011 in Brüssel ein Weg zur Änderung der europäischen Verträge eingeschlagen,
–    der erstens ein Weg ist zur Ausweitung des bestehenden Euro-Schuldenschirms, die der Deutsche Bundestag nie wollte,
–    der zweitens ein Weg ist zur unbefristeten Verlängerung des Euro-Schuldenschirms, die der Deutsche Bundestag nie wollte,
–    und der drittens ein Weg ist zur qualitativen Veränderung der Europäischen Wirtschaftsverfassung, die der Deutsche Bundestag nie wollte.
Allen Bekundungen zum Trotz hat bereits die erste Griechenland-Hilfe die Situation für Griechenland nicht entschärft, sondern verschärft. Griechenland nimmt weniger Steuern ein als 2010 und gibt im Vergleich zum Vorjahr mehr Geld aus – prozentual und absolut – auch ohne Zinsen.
Allen Bekundungen zum Trotz hat der Schuldenschirm die Überschuldungskrise von Staaten und Banken nicht entschärft, sondern verschärft. Es wird nur teure Zeit gekauft. Doch Griechenland kann aus seiner Überschuldung nicht herauswachsen, erst recht nicht mit noch mehr Schulden. Die angeforderten neuen Hilfen und die Aufstockung des Schuldenschirms werden die Lage noch weiter verschärfen.
Am 17. März und am 10. Juni dieses Jahres haben wir in diesem Hohen Haus beschlossen:
«Der Deutsche Bundestag erwartet aus verfassungsrechtlichen, europarechtlichen und ökonomischen Gründen, dass gemeinsam finanzierte oder garantierte Schuldenaufkaufprogramme ausgeschlossen werden.»
Genau diese Schuldenaufkaufprogramme sind Gegenstand der heutigen Entscheidung. Not bricht nicht jedes Gebot. Der Verfassungsbruch ist auch nicht alternativlos!
Papst Benedikt XVI. zitierte in seiner grossen Rede vor dem Deutschen Bundestag den heiligen Augustinus mit den Worten: «Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine Räuberbande.» Nun wird beim Währungsfonds, bei der Zentralbank und in Brüssel bei der Kommission bereits offen über die Vervielfachung des Schuldenschirmes gesprochen. Sie wollen ihn hebeln. Der Finanzminister will den effizienten Einsatz der Mittel. Vielleicht meint er dies. Wir werden es sehen. Die Wirkung wird dann jedoch sein, dass der Schuldenschirm Risiken ermöglicht wie ein Hedgefonds. Es wird auf Kredit spekuliert, aber die europäischen Steuerzahler haften für diese Spekulation.
Angst war zwar schon immer ein schlechter Ratgeber, aber mit Angst wird seit dem Herbst 2007 eine Politik gemacht, die Recht und Freiheit schleift. Sie fördert die Angst vor dem Zusammenbruch unseres Finanz­systems.
Das vereinte Europa ist von seinen Gründungsvätern als ein Hort der Freiheit gegen alle Formen von Diktatur, Unfreiheit und Planwirtschaft erträumt worden. Das heutige Europa ist auf dem Weg in die monetäre Planwirtschaft und den politischen Zentralismus. Und wir sind auf diesem Weg in die Knechtschaft, weil wir uns durch die Angst vor einem Zusammenbruch unseres Finanz­systems erpressen lassen. Die Gründungsväter Europas wollten ein Europa des Rechts und der Rechtsstaatlichkeit. Die heutigen Regierungen des Euro-Raums, die EU-Kommission und die Zentralbank verabreden sich hingegen wiederholt zum kollektiven Rechtsbruch, obwohl die EU-Kommission als Hüterin der Verträge und die nationalen Regierungen zum Schutz des Rechts verpflichtet sind.
Sie nutzen die Angst vor einem Zusammenbruch des Finanzsystems, um Europa in eine neue Stufe des Zentralismus zu führen.
Es gibt Alternativen zum derzeitigen planwirtschaftlichen und rechtswidrigen Handeln der europäischen Regierungen und der EU-Kommission. Planwirtschaft und Rechtsbruch sind nicht alternativlos. Wir müssen uns jedoch trauen, die Alternativen zu bedenken, zu wählen und anschliessend mutig umzusetzen. Vor allem müssen wir anfangen, die heute vielfach geschürte Angst vor der Freiheit zu bekämpfen. Denn die Völker Europas wollen ein Europa des Rechts und der Freiheit. Die Völker Europas wollen Freiheit und nicht Planwirtschaft.
Als Mitglieder des Deutschen Bundestages tragen wir eine grosse Verantwortung. Wir tragen die Verantwortung für gute Gesetze. Wir müssen richtig von falsch unterscheiden. An Tagen wie heute wird uns diese Verantwortung zur Last. Wir müssen unseren Verstand benutzen und auf unsere Herzen hören. Denn unsere Entscheidung hat Tragweite. Ihre Folgen treffen nicht nur uns, sondern Millionen von Menschen in Deutschland und Europa. Mein Verstand sagt mir, dass der Schuldenschirm unvernünftig ist. Höre ich auf mein Herz, so warnt es mich. Ich werde daher gegen den Gesetzentwurf stimmen.
Vielen Dank!    •

Quelle: <link http: www.frank-schaeffler.de>www.frank-schaeffler.de

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