Interview mit Hauptmann Bernhard Murri, Kommandant der «Kavallerie-Schwadron 1972»
Zeit-Fragen: Bis zur Reform Armee XXI war der Train ein fester Bestandteil der Schweizer Armee. Die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Tier hatte hier eine grosse Bedeutung. Das gleiche gilt wohl auch für die Kavallerie. Bestehen heute Verbindungen zwischen diesen Einheiten?
Hauptmann Bernhard Murri: Zwischen der «Kavallerie Schwadron 72» und dem Train besteht bis heute ein sehr enger Kontakt, und vor gut einem Monat haben wir zusammen im Sand Schönbühl einen Ausbildungstag durchgeführt, bei dem wir die Verbindung zwischen Schwadron und Train deutlich manifestieren konnten. Dazu luden wir ganz gezielt Gäste aus der Politik ein, um aufzuzeigen, dass in der Armee der Train erhalten bleiben sollte und dass heute noch für Repräsentationszwecke eine Kavallerie-Schwadron existiert, obwohl man sie bereits 1972 abgeschafft hat. Unsere Einheit nimmt auch im Auftrag des Chefs der Armee Auftritte wahr. Als ausserdienstlicher Verband haben wir uns von der Einstellung der Menschen, von der Ausrüstung der Pferde und von unserer Uniform her das Ziel gesetzt, den Verband genau so weiterzuführen, wie es bis zur Aufhebung im Jahre 1972 der Fall gewesen ist.
Weil Sie den Train erwähnt haben, interessiert uns, wie Sie den militärischen Nutzen beurteilen.
Der militärische Nutzen vom Train ist für mich ganz klar durch die Topographie der Schweiz bestimmt, durch das unwegsame Gelände. Ich bin überzeugt, dass man mit dem Train, auch wenn es etwas nostalgisch wirkt, auf einem Säumerweg mit hoher Geschwindigkeit und wenig Aufwand Material über die Berge von A nach B transportieren kann. Im Gelände, wo man mit Lastwagen oder anderen Motorfahrzeugen nicht weiterkommt, genau dort sehe ich den Einsatz, und zwar nach wie vor. Auch wenn ich weiss, dass der Einsatz von Pferden in der heutigen Zeit nicht so einfach zu definieren ist wie die Anschaffung neuer Kampfjets, bleibt der Nutzen für mich bis heute unbestritten.
Mir macht es vor allem Freude, dass ich der Kommandant einer Truppe sein darf, von der ich überzeugt bin, dass alle wissen, wozu es unsere Armee braucht und was sie abstimmen müssen, wenn es um Fragen der Armee geht.
Welche Bedeutung messen Sie heute der Kavallerie-Schwadron bei?
Ich spüre bei all unseren Aktivitäten, die wir als Schweizer Kavallerie-Schwadron durchführen, dass der Goodwill vom Volk sehr gross ist. Wenn wir mit den Rössern auftreten, hat das schon emotional eine positive Wirkung, weil viele Menschen Pferde gern haben. Aber auch als Repräsentationsformation, als Teil der Armee werden wir sehr positiv aufgenommen. Wir möchten die Tradition der 1972 abgeschafften Kavallerie-Schwadron weiterführen. Das zieht auch junge Menschen an, die meist vom Train her oder aus der Landwirtschaft kommen. Von ihrer Einstellung passen sie zur Armee und sind davon überzeugt, dass es in unserem Land eine starke Landesverteidigung braucht. Damit die Schwadron weiter bestehen kann, brauchen wir die alten Kavalleristen, die den Jungen sagen können, wie der Sattel richtig aufs Ross gehört. Das stärkt auch den Zusammenhalt zwischen Jung und Alt.
Wir sehen hier, dass die Pferdeanhänger aus vielen verschiedenen Kantonen kommen. Das ist etwas, was die Armee immer ausgezeichnet hat, dass man in der Armee mit Menschen aus der ganzen Schweiz zusammengekommen ist und so Land und Leute kennengelernt hat. Eine sehr wichtige Erfahrung für einen jungen Bürger. Das ist ein wichtiger Aspekt auch für den Zusammenhalt unseres Landes.
Sie haben die Autos aus den verschiedenen Kantonen erwähnt. Es ist klar, wir heissen «Schweizer Kavallerie-Schwadron 1972». «Schweizer», weil es eine Schweizer Institution ist, und in diesem Sinne nichts mit den Kantonen zu tun hat, sondern mit dem ganzen Land, nämlich mit der Armee der Schweiz. 1972 ist das Jahr, in dem man sie aufgelöst hat. Nächstes Jahr haben wir das 40-Jahr-Jubiläum. Wir werden eine riesige Veranstaltung durchführen, wahrscheinlich im Kanton Aargau. Aber «Kantönligeist» hat bei uns keinen Platz. Uns ist der Ostschweizer, der Westschweizer, der Bündner, der Tessiner, wer auch immer herzlich willkommen in unserer Schwadron. Es spielt überhaupt keine Rolle, in welchem Kanton die Menschen leben. Es geht nur darum, ob derjenige, der sich bei uns meldet, seinen Beitrag im Rahmen unserer Organisation als ausserdienstlicher Verband leisten möchte, das heisst, mit dem Ross aufzutreten, so wie es bis 1972 der Fall gewesen ist. Hier ist uns ein Welscher, ein Tessiner, ein Zürcher, ein Berner immer willkommen. So wie es in unserer Armee überall der Fall ist, und das trägt natürlich zum Zusammenhalt unseres Landes bei, eine Verbindung, die für unsere Nation sehr wichtig ist. Das, was wir unternehmen, hat nie einen kantonalen Charakter.
Welche Aufgaben hat die Kavallerie-Schwadron heute noch?
Wenn der Chef der Armee sagt, es gibt einen Empfang einer ausländischen Delegation, ich brauche euch als Repräsentationsformation, dann sind wir parat. Aber wir organisieren auch aus eigenem Antrieb Anlässe, die ganz gezielt in die erwähnte Richtung wirken. Wenn wir die Armee in der Öffentlichkeit dadurch positiv unterstützen können, dann bringen wir unsere Truppe auf Vordermann. Das ist unsere Einstellung.
Wird die Kavallerie-Schwadron von der Armee heute unterstützt?
Die Armee unterstützt unsere Kavallerie-Schwadron, indem wir zum Beispiel einen Teil des Zeughauses in Aarau beanspruchen dürfen. Man hat dort alles Material, was zur Schweizer Armee gehört hat, eingelagert. Wenn wir heute einen neuen Mann aufnehmen, dann können wir diesen ausrüsten, leihweise natürlich. Das Material gehört der Armee. Meine Uniform, das Sattelzeug, die Trense, das alles ist Eigentum der Armee. Der Unterhalt all dieser Dinge ist sehr aufwendig, und wir sind sehr zu Dank verpflichtet und auch froh darüber, dass es in der Armeespitze Leute gibt wie den Chef der Armee, André Blattmann, die eine solche Institution unterstützen. Wenn wir so einen Anlass durchführen wie hier in Pfyn, dann werden unser Zelt und unser ganzes Material von der Armee hierher transportiert. Dafür sind wir sehr dankbar.
Muss man die Unterstützung durch die Armee nicht auch als eine Würdigung der historischen Leistung der Kavallerie verstehen?
Ja, genauso ist es. Es ist eine Würdigung dieser in der Armee damals wichtigen Einheit.
Wie bewältigen Sie den grossen zeitlichen Aufwand, den die Pflege dieser historischen Einheit verlangt?
Wir haben einige Pensionierte, die freiwillig ohne Entgelt das ganze Jahr über dafür arbeiten. Die sich engagieren, so dass wir überhaupt in der Lage sind, so einen Auftritt zu machen. Alle, die hier mitmachen, müssen die Bereitschaft mitbringen, das eigene Ross mit dem privaten Vehikel an den entsprechenden Ort zu bringen, wo der Anlass jeweils stattfindet. Man muss die Bereitschaft haben, im Jahr vier bis fünf Ausbildungstage zu leisten, damit man zum Beispiel versteht, warum man in einer Viererkolonne reitet und wie die Befehle lauten und was dann zu tun ist. Wenn man nur den Auftritt mit dem Ross ins Zentrum stellt, dann gibt es 5 bis 6 Auftritte, die teilweise eine Woche dauern können. Letztes Jahr waren wir eine Woche in Deutschland. Aber die meisten Übungen gehen ein, zwei Tage. Und das muss man schon investieren. Auch ein Beitrag bei der Erstellung der Infrastruktur ist zu leisten. Es werden pro Jahr ungefähr 20 Tage sein. Das ist das Minimum, von dem man ausgehen muss, wenn man mit gutem Herzen und innerem Kern dabei ist. Und dazu braucht es natürlich auch eine Frau und eine Familie im Hintergrund, die das alles mitträgt.
Was denken Sie über die Zukunft dieser «Kavallerie-Schwadron 1972»?
Wenn wir wollen, dass sie auf lange Sicht Bestand haben soll, müssen wir junge Leute dafür begeistern können, die erstens für die Armee sind, zweitens Reiter sind und drittens den Aufwand, den ich vorher erklärt habe, nicht scheuen. Das müssen wir schaffen. Wir sind uns bewusst, vor 40 Jahren ist die Schwadron aufgelöst worden, und es gibt nicht mehr viele, die damals schon dabei waren. Wir müssen also die Truppe immer mit neuen Leuten ergänzen. Unser Verein hat im Moment 400 Mitglieder, und es gibt zum Glück immer mehr junge Leute, die mitmachen wollen. Oft werden sie durch einen älteren Kavalleristen angeregt und dafür begeistert. Denn was man bei allem nicht vergessen darf: Es ist auch ein gesellschaftliches Ereignis, es ist die Gemeinschaft, die wir miteinander pflegen. •
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