Leserbriefe

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«Brechstange gegen Frankenstärke»

Der älteren Generation anzugehören bietet den Vorteil, dank persönlicher Erfahrungen während der Krisenjahre 1930 bis 1936 die gegenwärtigen Börsen- und weltwirtschaftlichen Herausforderungen nüchterner in Kauf zu nehmen. – 1936: Frankreich wertete im September den Franc um 30% ab. Sofort ­blockierte unser Bundesrat alle Börsengeschäfte, zwei Tage später wertete er den zu «starken Schweizerfranken» durch Herabsetzung der Goldparität um 30% ab! Kein Spielraum für Spekulanten! – Und heute, 2011? Weltweiter Run auf Schweizerfranken, Zerfall von Dollar und Euro, Banken im Risikozustand, unverantwortlich überschuldete EU-Staaten, statt Abbau ihrer Schulden wachsende Neuverschuldungen! In der Schweiz: ein unschlüssiger Bundesrat, ratlose Politiker quer durch alle Instanzen. Und jetzt: Garantie des Wechselkurses von Fr. 1.20 beim Euro gegenüber den mit Euro Handel Treibenden; einen künftig möglichen Verlust durch Unterschreitung von Fr. 1.20 übernimmt unsere Nationalbank!
Welche Auswirkungen zeigte vor 75 Jahren die überrumpelnde Frankenabwertung?
Binnenwirtschaftliche Produkte blieben preislich kaum verändert; jedoch alle vom Ausland importierten Produkte wie Rohstoffe, besonders Kohle, wurden spürbar teurer. In den Fabriken drohte Arbeitslosigkeit, unsere Produkte waren für den Export zu teuer. Abhilfe boten: längere Arbeitszeiten zu reduziertem Lohn, für Rohstoffbeschaffung! In der Maschinenfabrik Rüti ergab eine Urabstimmung unter allen Beschäftigten: entweder 20% Entlassungen von zuunterst bis zuoberst, oder alle Arbeitnehmer erhalten 20% weniger Lohn – ein Ja zur Lohnreduktion! Pensions- und AHV-Kassen waren unbekannt! – Und die Folge: Ab sofort 20% weniger Lohn in der «Papiertüte», vom Rest einmaliger Abzug von 50% für den Einkauf in die zu gründende «Angestelltenversicherungskasse»! – Notiz auf der Monatslohntüte meines Vaters (für unseren 6-Personen-Haushalt!): «Alt Fr. 600.–; neu Fr. 500.– abz. Einkauf Fr. 250.– = Tüten-­Inhalt Fr. 250.–»
Spätestens jetzt war dem allerletzten Mitbürger bewusst, was «Krisenzeiten» bedeuten: Verzichten, sparen, Solidarität bezeugen! Im Januar 1936 (Wohnbevölkerung rund 4 Millionen Einwohner) waren 124 000 Personen arbeitslos – Ende 1937 noch etwas über 65 000, wohlverstanden: bei tieferen Löhnen und vielfach über 50 Wochen-Arbeitsstunden, dankbar, Arbeit zu haben! Dafür wurde es «am Horizont» ganz langsam etwas heller! – Diese Jahre harten Verzichtes, mit Kartoffeln als Alltagsspeise, haben damals alle Betroffenen gereift! Wären wir heute dazu bereit?
Übrigens: Fast alle obigen Angaben und daraus resultierende Lehren hätten unsere verantwortlichen Politiker selbst den Bundesstatistiken entnehmen können! – Offenbar ist es weniger anstrengend, als Gewerkschafter für «nächstes Jahr mehr Lohn» zu fordern und dabei eine definitive Verlagerung von Arbeitsplätzen ins billigere Ausland in Kauf zu nehmen, als etwas vertiefter die gegenwärtige wirtschaftliche Herausforderung mit eigener Kopfarbeit zu begleiten.
Josef Lauber, Wetzikon

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