Naturpärke – alles nur Propaganda für ein neoliberales EU-Projekt

Naturpärke – alles nur Propaganda für ein neoliberales EU-Projekt

von Erika Vögeli

Naturpärke sind kein Schweizer Produkt, sondern ein EU-Importartikel. Sie reihen sich nahtlos in alle Strategien der neoliberalen Globalisierer zur Auflösung der Nationalstaaten ein. Privatisierung ist hier ein Stichwort, unter dem Ressourcen und Land der öffentlich-rechtlichen Kontrolle von Staaten bzw. Gemeinden entzogen werden. Entbürgerlichung der Bürger müsste ein zweites lauten, denn Privatisierung einerseits und ­supranationale Strukturen andererseits schaffen neue privatwirtschaftliche Einfluss- und Entscheidungsgremien jenseits der staatlich garantierten politischen Rechte, ­welche dadurch auf immer kleinere Einflussbereiche zusammengestutzt werden sollen.
Die EU selbst ist dafür ein Paradebeispiel: Immer weniger Gesetze werden von den gewählten Parlamenten der Nationalstaaten erlassen, statt dessen werden diese von 27 nicht vom Volk gewählten Kommissaren kreiert – unter dem Einfluss von 15 000 gutbezahlten Lobbyisten der Wirtschafts- und Finanzkonzerne, die dafür in Brüssel ihre Büros unterhalten.
Angesiedelt ist die Naturpark-Strategie unter anderem in einem Programm der Europäischen Union zur «Entwicklung des ländlichen Raums», denn auch die Länder der EU sind weitflächig mit derartigen Projekten überzogen. Und genau wie bei den Naturpärken in der Schweiz werden sie auch hier mit Umweltschutz, wirtschaftlicher Entwicklung, Förderung von Labels zur besseren Vermarktung lokaler Produkte, Tourismusförderung, Schaffung von Arbeitsplätzen usw. PR-mässig angepriesen.

Wenn «von unten nach oben» von oben gesteuert wird

Tatsache ist, dass die Naturpärke auf einer Website der Europäischen Kommission ­figurieren, als Beispiele sogenannter Local Action Groups – lokaler Aktionsgruppen. Diese bilden, man lese genau, «die Hauptstützen zur Implementierung des Leader Konzepts».1 Diese ganz und gar nicht lokale, sondern von der EU-Zentrale entwickelte Herangehensweise werde von den Aktionsgruppen genutzt, «um ihre Entwicklungsstrategie zu implementieren und zu finanzieren. Diese Strategien sind auf die Förderung von Public Private Sector Partnerships angelegt und setzen eine multisektorielle, von unten nach oben angesetzte Herangehensweise ein, welche lokale Kooperation und lokales Netzwerken fördert.»2
Die Aktionsgruppen wiederum sind Teil nationaler Netzwerke, die alles einbinden, was an dieser Entwicklung beteiligt ist. Zusammengeführt wird alles im Europäischen Netzwerk für die Entwicklung des ländlichen Raums (European Network for Rural Development ENRD), dessen Aufgabe die effiziente Umsetzung der EU-Entwicklungsprogramme für den ländlichen Raum ist.

Appetit auf Nutzung ländlicher Ressourcen

Das Interesse der EU ist nicht unbegründet, schliesslich entsprechen ländliche Gebiete in der EU «90% des Territoriums, und die ländliche Entwicklung ist ein lebenswichtiger Bereich der Politik. Land- und Forstwirtschaft bleiben entscheidend für die Landnutzung und das Management von natürlichen Ressourcen in den ländlichen Gebieten der EU …»3
Allein die Tatsache, dass die sogenannten lokalen Aktionsgruppen über verschiedene Strukturen (Leader, Nationale Netzwerke, Europäisches Netzwerk) schliesslich an die Politik der EU-Kommission gekoppelt sind, straft die ganze Darstellung Lügen. Was auf der Ebene der Gemeinden als lokale Aktionsgruppe daherkommt, die sich als Strategie von unten nach oben ausgibt, erweist sich als letztes Glied einer von Brüssel inszenierten Strategie, die sich als Förderung lokaler Anliegen präsentiert, um Bürgernähe zu suggerieren, in Wirklichkeit aber an Brüsseler Vorgaben und Vorschriften hängt, welche sich zu einem Netz von Fallstricken und teuren Gerichtsverfahren für die lokale Wirtschaft erweisen können.

«Harmonisierung» – Deckbegriff für Ausschaltung der Bürger und Zentralisierung

Wie die Auflösung nationalstaatlicher Grenzen vorangetrieben wird, präsentiert sich etwas konkreter auf der Seite «Regional­politik Europäische Union» unter «Naturparks ohne Hindernisse». Weil die Landschaft eine «geographische Einheit» bilde, müsse diese «Trennung» durch Auflösung der Grenzen – und damit nationalstaatlicher Strukturen, die «harmonisiert» werden müssten – rückgängig gemacht werden.4 Harmonisierung – ein typischer Spin – bedeutet konkret: Was bisher der Gesetzgebung von Gemeinden, Bezirken, Kantonen und Staaten unterstellt war, soll da herausgelöst und im Beispiel der Naturpärke den Entscheiden solcher überstaatlicher – privater – Aktionsgruppen und Vereine zugeordnet werden, die über die entsprechenden Netzwerke bzw. finanzielle Abhängigkeit an EU-Vorgaben angebunden werden.

Demokratieabbau – kein Schweizer Weg

Betrachtet man die Entstehung der Naturpärke in der Schweiz, stellt man fest, dass das Vorgehen praktisch analog erfolgt. Der – leere – Brüsseler Tropf fehlt zwar, ersetzt wird er durch Mittel aus der Bundeskasse. Und genau analog der Leader-Strategie werden öffentlich-rechtliche Gemeinden in einen privaten Verein eingebunden, der dann eine neue Ebene bildet, die sich – und das ist für die Schweiz entscheidend – der direkt­demokratischen Einflussnahme entzieht, man schafft Strukturen, die letztlich der ­politischen Kontrolle der Bevölkerung entzogen sind. Wohl können im Fall der Naturpärke die Stimmberechtigten der jeweils betroffenen Gemeinden über den Beitritt zum Parkvertrag abstimmen – das war dann allerdings das letzte Mal. Der Vorgang verläuft ansonsten analog zu demjenigen in den demokratisch nicht legitimierten Metropolitankonferenzen und -vereinen in den städtischen Gebieten des Mittellandes: Dort beschliessen Exekutivmitglieder der beteiligten Städte und Gemeinden über Programme für diese Region – obwohl dies verfassungsmässig festgelegte Kompetenz der Bund und Kanton konstituierenden politischen Körperschaften ist, die als solche den politischen Rechten – Referendum und Initiative – unterliegen. Man schafft mit solchen Gremien eine weitere verfassungsmässig nicht definierte, staatsrechtlich nicht erfasste Ebene, die sich Entscheidungsbefugnisse zuschreibt, welche von Bund- und Kantonsverfassungen klar zugeordnet und nicht verfügbar sind. Diese demokratisch nicht kontrollierte Zwischenebene produziert oder kopiert dann – im Verbund mit anderen solchen Gremien und manchmal mit einzelnen Abteilungen in Bundesämtern, die solche Initiativen fördern, im Falle der Naturpärke im zuständigen Bundesamt für Umwelt Bafu – Richtlinien, Bestimmungen, Verordnungen usw., ganz analog dem Vorgang in der EU.
Das Konzept, dass private «parastaatliche Organisationen» staatliche Aufgaben übernehmen, drängt den Staat zurück und leitet seine schleichende Privatisierung ein. Hier wird – ohne formelle EU-Mitgliedschaft – auf verschiedenen Ebenen an Strukturen gebastelt, die sich genauso wie andernorts in neoliberale Konzepte einpassen liessen. Etwa dann, wenn der Appetit an «Landnutzung und Management der natürlichen Ressourcen» sich auf die finanziellen Möglichkeiten privatisierter Verkehrswege oder Wasserressourcen richtet.

Finanzielle Verlockungen aus euphorischen Zeiten

Die Schweiz jedenfalls braucht solche Konzepte nicht. Schon gar nicht in Zeiten wirtschaftlicher Anspannung, denn bei der Entwicklung solcher Strukturen soll auch Geld fliessen, manchmal viel Geld, etwa für Machbarkeitsstudien oder ähnliches. Dabei wurden diese Projekte in einer Zeit entwickelt, als noch reichlich Geld in die Bundeskasse floss. Mittlerweile zeigen die Erschütterungen der Finanz- und Wirtschaftskrise ihre Folgen: Die aktuellen Bundeseinnahmen werden wesentlich geringer ausfallen. Und vermutlich sind die Kapazitäten für diese Parkprojekte nach Finanzierung teurer Konzeptions- und Machbarkeitsstudien auch schon erschöpft, so dass weitere Kosten von den Gemeinden und Kantonen zu übernehmen wären.

Zurück zur Vernunft

Natur und Landschaft sind bei uns seit Jahrzehnten gepflegt und geschützt. Wenn es wirklich um die Förderung der ländlichen Gebiete geht: Wie wäre es da statt dessen mit einer Erinnerung zum Beispiel an den Investitionshilfefonds für Berggebiete? Dieser Fonds hatte zuletzt rund 1,5 Milliarden Franken geäufnet. Daraus wurden unzählige zinslose Darlehen für Infrastrukturbauten finanziert und von den Gemeinden immer wieder zuverlässig zurückgezahlt. Dieser Fonds ist nun im Zuge der neuen Regionalpolitik aufgelöst worden – werden die Zahlungen des Bundes für die Naturpark-Projekte nun daraus finanziert? Diesmal allerdings ohne Rückzahlung. Bis die Kasse leer ist? Und dann? Werden die Gemeinden in die Pflicht genommen? Oder verscherbeln wir dann unseren Lebensraum an private Investoren?
Besinnen wir uns wieder auf uns selber, auf die eigenen Werte und Erfahrungen. Lösen wir uns von dem Irrglauben, alles Neue sei per se auch besser. Die Schweiz hat mit dem Investitionshilfefonds beste Erfahrungen gemacht. Wie wäre es anstelle demokratiezerstörender EU-Projekte mit einer Wiederbelebung dieser echt schweizerischen und wirklich nachhaltigen Lösung?
Und übrigens: Uri zum Beispiel hätte mit seinen Volkstheatern, an denen vom Schulkind bis zum Landammann das ganze Tal mitwirkte und die bei den Besuchern auf begeisterten Beifall stiessen, etwas Eigenständigeres und Sinnvolleres zu bieten als EU-kopierte Parkverordnungen und weitere Ergänzungen für den unüberschaubaren Label-Salat. Nebenbei bieten solche Initiativen auch Gelegenheit, die Jugend mit sinnvolleren Aktivitäten vertraut zu machen, ihnen neben Geschichte und Allgemeinwissen auch ihre Bedeutung für die Gemeinde und das Gemeinwohl zu vermitteln, anstatt sie dem hirnlosen Kulturabbau des American way of life zu überlassen.    •

1    Leader steht dabei für «Liaison Entre Actions de Développement de l’Economie Rurale», was soviel heisst wie «Bindeglieder zwischen ländlicher Wirtschaft und Entwicklungsaktionen.»
2    <link http: enrd.ec.europa.eu rural-development-policy leader en leader_home_en.cfm>enrd.ec.europa.eu/rural-development-policy/leader/en/leader_home_en.cfm
3    <link http: enrd.ec.europa.eu rural-development-policy introduction en introduction_home_en.cfm>enrd.ec.europa.eu/rural-development-policy/introduction/en/introduction_home_en.cfm

4    Europäische Kommission. Regionalpolitik Europäische Union. Naturparks ohne Hindernisse (pdf.)

Das Wasserschloss Schweiz steht auf dem Spiel

zf. Plötzlich schiessen in der Schweiz sogenannte Naturpärke aus dem Boden – etwa 30 Projekte sind es inzwischen, über das ganze Land verteilt. Der Rattenfänger von Hameln spielt die Schalmeienklänge von besserem Naturschutz und Erhaltung der Umwelt. Und in diesen Bereichen hat die grosse EU auf ihrem eigenen Gelände nicht genug zu tun? Wozu in der Schweiz dasselbe?
    Die Schweizer Bevölkerung ist so natur- und umweltliebend, dass sie darob schon bald das reale Leben vergisst – zum Beispiel ihre Bauern. Die Musterprojekte der Pärke in perfekten Hochglanz-Zeitschriften riechen nach neoliberaler Finanzwirtschaft: Da gibt es keine Schweiz und keine Bürger mehr, sondern nur um ihr Überleben kämpfende und dienende Zweibeiner, den Tourismus als Kernstück – der Rest gruppiert sich darum herum. Und für wen eigentlich? Für russische Oligarchen? Arabische Scheichs? Eine chinesische Oberschicht, die die Natur angeblich so liebt? Die Herren National- und Ständeräte, die ihre Hand über diese Projekte halten, werden sich bald einmal die Frage gefallen lassen müssen, ob sie aus uns Schweizern ein Volk von Prostituierten für die 20% Reichsten dieser Welt machen wollen …
    Hinter dem Rücken der Bevölkerung würde das ganze Wasserschloss Schweiz stückweise unter Verträge genommen und dann verkauft. Natur- und Umweltschutz sind die Lockvögel dazu. Und die Bauern werden finanziell in die Knie gezwungen, damit sie keine Zeit und keinen Atem haben, um dagegen aufzustehen, weil die ganze Familie Teilzeit oder Ganzzeit einem zweiten Beruf nachgehen muss. Heute, da in verschiedensten Gemeinden im Bündnerland, Bernbiet, Wallis, der Innerschweiz und in der Ostschweiz Volksabstimmungen über den Beitritt zu einem «Naturpark» anstehen, ist es ein Gebot der Stunde, die Bevölkerung und die Gemeindepolitiker darauf aufmerksam zu machen, worauf sie sich da einlassen würden. Noch ist es Zeit, sich die Folgen vor Augen zu führen und nein zu sagen. Bald aber nicht mehr.

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