von Jean-Jacques Langendorf
Man könnte einwenden, dass die folgenden Überlegungen uns von unserem Thema «Wille zur Verteidigung» abbringen. Das ist jedoch nicht der Fall, denn sie weisen auf das Problem der «Zivilisationskrise» hin, der wir in Westeuropa gegenüberstehen und die einen starken Einfluss auf eben diesen Willen zur Verteidigung ausübt. Verschiedenste Strömungen markieren die Wege, die uns zum Frieden führen sollten. Die einen sind der Meinung, eine breite Unterstützung der dritten Welt sei ein wirkungsvoller Beitrag zur Stärkung des Friedens. Andere, vor allem in der Schweiz, sprechen von Mediation bei ernsthaften Konflikten. Der Dialog werde die Probleme lösen und die Gegensätze beseitigen. Eine nicht zu vernachlässigende weitere Gruppe wendet ihre verliebten Blicke auf ein vereinigtes Europa, universelles Allheilmittel, das unsere Wunden verbinden und unsere Muskeln stärken soll. Aber bei all diesen Möglichkeiten befinden wir uns im Bereich der Politik der dargebotenen Hand. Um was es auch immer geht, der Dialog soll’s richten. Der von einem Gauner überfallene Juwelier soll mit diesem in den Dialog treten! Der nach Hause zurückkehrende Pensionist, der vom Messer eines kleinen Ganoven bedroht wird, Dialog! Und – warum nicht – wenn die Kräfte des Bösen oder des Zwangs verschwunden sind, soll sich der Feuerwehrmann, bitte sehr, bei der Feuersbrunst, ein Ausdruck fröhlicher und strahlender Freiheit, entschuldigen, auch mit ihr ist es erlaubt, in den Dialog zu treten!
Parallel dazu wird jedoch das Nicht-in-den-Dialog-Treten, oder, noch schlimmer, die Verweigerung des Beurteilens von Mitmenschen oder gar eines sozialen oder historischen Ereignisses, zum Dogma erhoben. Die angelsächsische Erfindung der Political correctness triumphiert. Die Dinge dürfen nicht mehr so bezeichnet werden, wie es sich gehört und wie sie wirklich sind. Wenn, wie gewisse Sprachtheoretiker meinen, die Sprache das Denken formt, kann man sich die Verwüstungen vorstellen, die verursacht werden, beim Vorgang, neue Begriffe für alte Realitäten zu erfinden: Die Lehrer werden zu Professoren, die Schüler der Primarschule werden zu Studierenden, die Putzfrauen werden zu Raumpflegerinnen, die Hauswarte zu Gebäudepflegern, die Prostituierten zu Erotikberaterinnen. In einem Lokalradio erklärt ein Infanterieoberst, sein Beruf bestehe darin, «Sicherheit zu verkaufen»! Indem sie verharmlost, schwächt, maskiert und vertuscht, entzieht uns die Political correctness die Realität und hindert uns daran, sie anzuerkennen. Konfrontiert mit der Geschichte und mit der harten Realität, die uns die Gesellschaft aufzwingt, bringt uns diese Geisteshaltung in die Situation erschreckter Jungfrauen.
Sagen sie mal, dass der Islam eine kriegerische, eroberungslustige Kultur ist. Sagen sie mal, dass vielleicht fünf Millionen Juden und nicht sechs massakriert wurden! Sagen sie mal, dass die Armenier 1917, als sie sich mit den Russen verbündeten, die Türkei wissentlich verrieten! Sagen sie mal, dass die Asylbewerber nicht alles unschuldige Opfer sind, die nichts anderes beabsichtigen, als sich bei uns friedlich zu integrieren. Sagen sie mal, dass bei den Kosovaren die Kriminalität besonders hoch ist und dass die serbische Sache nicht so schändlich ist, wie man es uns hat glauben machen wollen. Sagen sie mal, dass ein guter Teil der Künstler, Maler, Musiker und Dichter nichts als Scharlatane sind, die sehr geschickt darin sind, das Publikum übers Ohr zu hauen. Mehrere Affären haben uns in der letzten Zeit gezeigt, wie sehr unsere Gedankenfreiheit eingeschränkt ist.
In Frankreich werden Gesetze verabschiedet, um die Verbreitung historischer Thesen zu verbieten, die als widersprüchlich zur offiziellen «Doxa» gelten, ob es sich nun um Juden, um Armenier oder um die Kolonisation handelt. Dass das erste dieser Gesetze auf Anregung eines kommunistischen Parlamentariers erlassen wurde, stimmt einen nachdenklich. Dass man diese Gesetze – die übrigens alle von meist historisch völlig unwissenden Volksvertretern verabschiedet wurden – «Erinnerungsgesetze» («lois mémorielles») nennt, zeigt wohl, dass man mit diesem Vorhaben, wie bei Orwell, die Erinnerung selektionieren und dirigieren will, so wie man auch versucht hat, eine «Pflicht» zur Erinnerung einzuführen.
Der grosse Historiker Max Gallo hat mit viel gesundem Menschenverstand folgendes gesagt: «Für den Historiker ist es nicht akzeptabel, dass die nationalen Repräsentanten die ‹korrekte Geschichte› diktieren, diejenige, die gelehrt werden muss. Zu viele mit guter Absicht geschaffene Gesetze haben das eine oder andere historische Ereignis charakterisiert. Und dann entscheiden die Gerichte darüber. Der Richter muss also die Geschichte auf Grund des Gesetzes beurteilen. Der Historiker jedoch muss die Geschichte auf Grund der Tatsachen beurteilen.»
Die Affäre Sylvain Guggenheim in Frankreich zeigt überdeutlich, wie die Gedankenfreiheit eines seriösen und unabhängigen Historikers eingeschränkt werden kann. Er hat in einem Buch aufgezeigt, dass man den Beitrag der islamischen Gelehrten, zwischen dem 7. und dem 12. Jahrhundert, an der Vermittlung der griechischen Antike im Westen ernsthaft relativieren muss und dass dieser Beitrag eher Byzanz zuzuschreiben ist. Diese These, die unter Historikern auf wissenschaftlicher Ebene ernsthaft hätte diskutiert werden können, ist zum Skandalobjekt geworden, denn sie verstösst gegen das Dogma, dass der Islam im Mittelalter der wichtigste Vermittler der Kultur der klassischen Antike in Europa gewesen ist.
Sogar im Welschland konnte man miterleben, wie der Chef einer roten politischen Partei beim Rektor einer Universität intervenierte, weil einer der Soziologieprofessoren sich erlaubt hatte, diese Partei in einer Zeitung zu kritisieren. Der Gipfel ist jedoch, dass dieser Rektor – die akademische Freiheit über den Haufen werfend – diesem politischen Druck nachgab.
In der Schweiz wie im übrigen Europa sind die Gemüter unter den Einfluss des Konformismus gelangt, der selbsternannten «Weisen», die darüber bestimmen, was gesagt und geschrieben werden darf. Aus vier Jahrhunderten Distanz grüsst die «Kabale der Frommen»! •
Quelle: Jean-Jacques Langendorf, Capitulation au Volonté de défense? La Suisse face à un défi. Editions Cabédita 2011, ISBN 978-2-88295-621-7
<link http: www.cabedita.ch>www.cabedita.ch
(Übersetzung Zeit-Fragen)
* * *
Dieser Auszug aus dem neuen Buch von Jean-Jacques Langendorf, das hoffentlich demnächst in deutscher Sprache zugänglich wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt dringend nötig. Wenn die EU hinter dem Rücken der ganzen Schweizer Bevölkerung mit einer 100-Milliarden-Euro-Erpressung Feuer legen will, dann müssen schleunigst alle überlegen, wie sie ihre Geisteskräfte aus den trägen Bahnen der «Political Correctness» herauslösen und fit für die Realität machen. Die Psychologen sagen, dass das jederzeit möglich ist – man muss es nur wollen.
Unsere Website verwendet Cookies, damit wir die Page fortlaufend verbessern und Ihnen ein optimiertes Besucher-Erlebnis ermöglichen können. Wenn Sie auf dieser Webseite weiterlesen, erklären Sie sich mit der Verwendung von Cookies einverstanden.
Weitere Informationen zu Cookies finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Wenn Sie das Setzen von Cookies z.B. durch Google Analytics unterbinden möchten, können Sie dies mithilfe dieses Browser Add-Ons einrichten.