Der Euro als Fehlkonstruktion

Der Euro als Fehlkonstruktion

von Pierre Bessard, Direktor des Liberalen Instituts, Zürich
Wenn wir über eine Anbindung des Schweizerfrankens an den Euro oder gar eine Übernahme dieser Währung nachdenken, müssen wir die institutionellen Schwächen berücksichtigen, die sich in der jüngsten Krise widerspiegeln. Die Schwächen des Euro liegen weniger in der spezifischen Geldpolitik der zuständigen Zentralbank, als im Wesen dieser Währung selbst. Schon vor der Einführung war klar, dass der Euro ein suboptimales Konstrukt ist.
Milton Friedman und Martin Feldstein hatten nicht zufälligerweise die europäische Währungsunion als «schlechte Idee» bezeichnet. Robert Barro nannte die Vereinheitlichung des Währungssystems gar den «Weg zur Knechtschaft» für Europa. Die Probleme des Euro waren und sind nämlich vierfach:
•    erstens die Inflexibilität gewisser nationaler Arbeitsmärkte durch Mindestlöhne und exzessive Regulierungen (man denke hier an Spanien mit gegenwärtig einer Arbeitslosigkeitsquote von über 20%),
•    zweitens die kulturellen und sprachlichen Barrieren, die erschweren, dass Arbeitnehmer von Portugal nach Schweden konjunkturbedingt umziehen können, wie in den USA von Kalifornien nach Texas,
•    drittens die hohen politischen Kosten ausgedehnter fiskalischer Transfers von hochproduktiven zu defizitären Ländern, wie die aktuellen Debatten in Europa zeigen,
•    und viertens die wirtschaftsstrukturellen Unterschiede zwischen den beteiligten Regionen. Dies macht die Eurozone besonders verletzlich gegenüber asymmetrischen Schocks, gegenüber Veränderungen in der Angebots- oder Nachfragestruktur der unterschiedlichen Volkswirtschaften, die nicht mehr durch die Geldpolitik stabilisiert werden können, wie beispielsweise auch der Fall Irland veranschaulicht – oder auch Portugal, das seit 10 Jahren stagniert.
Nun stellt sich die Frage, warum der Euro trotz dieser bekannten Schwächen vorangetrieben wurde. Der Euro ist selbstverständlich kein wirtschaftliches, sondern in erster Linie ein politisches Instrument. Der Ökonom Bruno Frey von der Universität Zürich identifizierte schon vor 12 Jahren die zwei wesentlichen Vorteile des Euro für die beteiligten ­Politiker, wenn man hier überhaupt von Vorteilen reden kann.
Erstens muss die Politik mit dem Euro für verfehlte finanzpolitische Entscheide weniger Verantwortung übernehmen. Die Konsequenzen einer schwachen Budgetdisziplin lassen sich mit der einheitlichen Währung auf andere Länder überwälzen. Eine inflationäre Politik äussert sich nicht mehr, wie früher, in einer Verschlechterung des Wechselkurses der eigenen Währung, sondern belastet alle Mitgliedstaaten. Es kann also auf Kosten verantwortungsbewusster Länder Trittbrett gefahren werden.
Das Beispiel Griechenland ist hier deutlich. Die griechische Regierung subventionierte eine nicht wettbewerbsfähige Wirtschaft mit zu hohen Reallöhnen, die auf starke Gewerkschaften und inflexible Arbeitsmärkte zurückzuführen waren. Die Regierung kaschierte die daraus resultierende Arbeitslosigkeit durch einen enormen ineffizienten Staatssektor. Wie finanzierte sie diese fahrlässige Politik? Sie gab Staatsanleihen heraus, die vom Bankensystem gekauft und anschliessend als Sicherheiten im Europäischen Zentralbanksystem hinterlegt wurden.
So kommt es zur monetären Umverteilung in Europa. Neues Geld aus dem Nichts wird ausgegeben, das schrittweise die Preise in der ganzen Eurozone in die Höhe treibt.
Diese Verschuldungsanreize und das erhöhte Risiko einer Monetisierung der Schulden wurden zwar im Vorfeld der Einführung des Euro erkannt. Deshalb wurde ja der sogenannte Stabilitätspakt beschlossen. Der Pakt hätte den Anreiz zu hohen Defiziten auf 3% des BIP begrenzen sollen. Er hat aber bekanntlich nie funktioniert. Gerade einflussreiche Länder wie Frankreich und Deutschland verletzten wenige Jahre nach Einführung der neuen Währung mehrere Jahre lang den Pakt, und selbstverständlich verhinderten sie die Auferlegung von Sanktionen. Damit ist ein Wettlauf der Staatsdefizite entstanden. Letztes Jahr hielt wohl kein einziges Eurozonen-Mitglied die 3%-Marke ein, von der Verschuldungsbegrenzung von 60% des BIP ganz zu schweigen.
Niemand, der die Funktionsweise der europäischen Institutionen kennt, hatte auch ernsthaft erwartet, dass der Stabilitätspakt wirken würde. Als politisches Projekt ist der Euro mit impliziten Spielräumen und Beistandsgarantien für Politiker verbunden. Mit dem euro­päischen Hilfsfonds und den Staatsanleihe­aufkäufen der EZB statt der Zulassung von ordentlichen Staatsbankrotten hat sich nun diese Annahme als richtig erwiesen.
Zum zweiten Vorteil des Euro für die ­Politik: die Zentralisierung. Die einheitliche Währung verschiebt unvermeidlich die politischen Entscheidungen auf die EU-Ebene, wo die Kontrolle durch die Bürger viel weniger intensiv ist. Das Demokratiedefizit der EU ist unbestritten und betrifft nicht nur das fehlende Vetorecht der Bürger, sondern auch die Vielfalt der Systeme und den politischen Wettbewerb, die teilweise ausgeschaltet werden. Die Möglichkeit zu vergleichen und zu wählen, indem die Menschen auswandern, wie es Zehntausende von EU-Bürgern in den letzten Jahren in Richtung Schweiz taten, nimmt innerhalb der Eurozone ab.
Dies erklärt, warum der Euro in vielen Ländern von allen politischen Lagern unterstützt wird, koste es, was es wolle. Der Euro erhöht den Entscheidungsspielraum der ­Politiker auf Kosten der Bürger. Die Hoffnung auf eine zentrale EU-Wirtschaftsregierung, auf weitere Zentralisierung der Besteuerungs- und Regulierungssysteme, auf eine schützende Kartellisierung der Politik wächst mit der Krise.
Zusammenfassend können wir feststellen, dass einzelne Mitglieder der Eurozone möglicherweise an scheinbarer monetärer Stabilität gewonnen haben. Aber zu welchen Kosten? Die Arbeitslosigkeit in der Eurozone übersteigt 10%, sogar 13% im ehemaligen Wirtschaftswunder Irland. Deutschland geht es momentan wirtschaftlich besser, es muss aber für die Verzerrungen auf den Märkten, die inadäquate einheitliche Zinsniveaus in unterschiedlichen Ländern verursachten, sowie für die Verantwortungslosigkeit gewisser Regierungen auf anderem Wege bezahlen. Noch vor kurzem warb der EU-Kommissionspräsident erneut für einen grösseren Rettungsfonds für klamme Eurostaaten. Die Ausweitung des 750-Milliarden-Euro-Rettungsschirms sei seiner Ansicht nach nur eine von vielen notwendigen Massnahmen, um den Euro zu stabilisieren.
Die Richtung ist klar gesetzt: Der Euro soll zu mehr Zentralismus und Umverteilung von gesunden zu schlecht geführten Ländern führen. Genau das müssen wir in der finanziell relativ soliden und politisch bürgernäheren Schweiz berücksichtigen, wenn über tagesaktuelle Währungsschwankungen gestritten wird.    •

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