Eine Parlamentarische Initiative fordert die Abschaffung der Fachstelle für Schulbeurteilung

Eine Parlamentarische Initiative fordert die Abschaffung der Fachstelle für Schulbeurteilung

ds. Von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, wurde im Zürcher Kantonsrat am 22. November 2010 eine Parlamentarische Initiative mit 92 von 180 Stimmen unterstützt und an eine Kommission zu Bericht und Antrag überwiesen; 60 wären dazu nötig gewesen. Die Initiative fordert die Abschaffung der Fachstelle für Schulbeurteilung und eine entsprechende Änderung des Volksschulgesetzes. Die hohe, wenn auch bisher nur vorläufige Unterstützung zeigt, dass eine Mehrheit des Rates Handlungsbedarf in dieser Frage sieht. (Wortlaut der Initiative siehe Kasten auf der nächsten Seite)
In der Debatte wirft der Erstinitiant und Sekundarlehrer Matthias Hauser (SVP, Hüntwangen) die Frage auf, wie die Fachstelle die Schulqualität überhaupt bemisst. «Was ist eine gute Schule? Die Schulqualität wird nicht etwa von der Erreichung der Lernziele aus definiert, nicht etwa davon, ob Lehrpersonen zum Beispiel in einem Umfeld mit leistungsschwachen Schülerinnen und Schülern aus sozial schwierigen Verhältnissen etwas erreichen, den Schülerinnen und Schülern Zukunftsperspektiven geben. Die Qualität der Schule wird an sogenannten Qualitätsansprüchen gemessen, welche die Fachstelle für Schulbeurteilungen selbst formuliert.»1 Die Qualität der Lehrpersonen würde durch Schulleitungen und die Schulbehörde (Gemeindeschulpflege) gewahrt. Lehrplan und Gesetz seien genügende Leitplanken. Darüber hinaus brauche es nicht noch Qualitätsansprüche einer Fachstelle.
Unterstützung kam von der Eidgenössisch Demokratischen Union und den Grünliberalen. Stefan Dollenmeier (EDU, Rüti) ist ebenfalls der Meinung, die Fachaufsicht könne abgeschafft werden. So könnten «einige Millionen gespart werden, ohne dass die Qualität der Schule leidet».2 Der Vertreter der Grünliberalen, Andreas Erdin (GLP, Wetzikon) nennt die Evaluation durch die Fachstelle einen «administrativen Overkill»3.
Die Schulpräsidentin und Mitinitiantin, Corinne Thomet (CVP, Kloten), betont noch einmal den immensen Aufwand finanzieller wie personeller Art. Sie wundert sich, dass die Regierung im Sanierungsprogramm 2010 noch nicht selbst darauf gekommen ist, die Fachstelle zu schliessen, und fordert den Rat auf, die Parlamentarische Initiative zu unterstützen. «Sie tragen damit einen wesentlichen Beitrag zur Entlastung der Lehrpersonen und Schulleitungen bei. Besten Dank.»4
Ebenfalls Mitinitiant, Sekundarlehrer und Schulleiter, Kurt Leuch (EVP, Oberengstringen) geht auf das «Handbuch Schulqualität» ein, welches die Grundlage für die Beurteilung der Schulen bildet. Es sei nicht ersichtlich, ob das Handbuch von einer neutralen, politisch und weltanschaulich ausgewogenen Kommission erstellt wurde. «Die Vorgaben, nach denen die Fachstelle beurteilt, sind schulpolitisch hochbrisant. Die Schulen werden sich nach den Vorgaben ausrichten, um gut beurteilt zu werden, und damit stark gesteuert und in ihrer Methoden-, Gestaltungs- und Handlungsfreiheit eingeschränkt. Die Fachstelle für Schulbeurteilung ist nicht nur überflüssig, sondern gefährdet eine gesunde Pluralität der Volksschule.»5

Über Bertelsmann zum «US-Total-Quality-Ansatz» …

Setzt man sich mit der Selbstdarstellung der Fachstelle6 auseinander und geht den Grundlagen der «Qualitätskriterien» nach, kommt man aus dem Staunen nicht heraus.
Zunächst fällt auf, wie penetrant beinahe auf jeder Seite die Neutralität und Professionalität der Fachstelle herausgestrichen wird: Ein Team von «professionellen Evaluatorinnen und Evaluatoren» beurteilt die Schul- und Unterrichtsqualität nach «wissenschaftlichen Kriterien» und vermittelt den Schulen eine «professionelle und neutrale» Aussenansicht. Die Fachstelle ist «fachlich unabhängig». Sie stützt sich auf «anerkannte Evaluationsstandards» und entwickelt ihr «Qualitätsmanagement» kontinuierlich weiter. Denn eines sei klar: Schulqualität beurteilen könne nur, wer sich auf «systematisch entwickelte», «anerkannte Qualitätserwartungen» bezieht, und deshalb gäbe es das «Handbuch Schulqualität als Referenzwerk», das in allen «Praxisfeldern des Qualitätsmanagements» der Zürcher Volksschule Gültigkeit beansprucht. Hier schliesst sich der Kreis. Die selbst herbeigeschriebene Professionalität und Neutralität wird durch ein selbstverfasstes «Handbuch der Qualitätserwartungen» «belegt».
Wer sich mit solch hohlen Phrasen nicht zufrieden gibt und weiter forscht, stösst bald einmal auf ein EU-weites Konzept, das massgeblich von der Bertelsmann-Stiftung gesteuert wird und überall mit den gleichen Worthülsen operiert. Die Inhalte sind zum Teil wörtlich von Bertelsmann abgeschrieben. Und unter dem Stichwort «Qualitätsmanagement» erweitert sich der Steuerungskreis in die USA: «Vierzehn führende europäische Unternehmen gründeten 1998 die Stiftung European Fondation für Quality Management (EFQM). Das EFQM-Modell als Selbstbewertung basiert auf einem ganzheitlichen (Total-Quality-)Ansatz, der ähnlich dem bereits in den USA bestehenden Malcom Baldrich National Quality Award zum European Quality Award (EQA)  ausgebaut wurde», heisst es dort.
Wie kommt Europa und wie kommt die Schweiz dazu, sich einen solchen Schwachsinn von den USA aufschwätzen zu lassen; ausgerechnet von den USA, die – einmal abgesehen von einigen Eliteuniversitäten – in keinem Bereich über eine fachlich so hochstehende Ausbildung verfügen, wie sie in Europa und der Schweiz üblich ist, schon gar nicht in der Lehrerausbildung, und die mit Qualitätsmanagement statt wirklicher Qualität ihre Wirtschaft ruiniert und finanziell und sozial in den Bankrott getrieben haben?

… nicht in der Schweiz!

Die Schweiz verfügt über ein einzigartiges, historisch gewachsenes Schulsystem, das international hohes Ansehen geniesst.
Ein wichtiger Teil der Volksschule war die Aufsicht und Steuerung über Laiengremien, den Gemeinde- und den Bezirksschulpflegen. Sie war wirksam, kostengünstig und demokratisch. Die Vertreter der Schulbehörde wurden und werden – soweit es sie noch gibt – alle vier Jahre neu gewählt, womit eine demokratische Kontrolle und «eine gesunde Pluralität» gewährleistet waren.
Wie es möglich war, dieses grunddemokratische Modell in Frage zu stellen, bedarf noch einer gründlichen Aufarbeitung. Fest steht allerdings heute schon, dass die Fachstelle sich zu Unrecht auf einen gesetzlichen Auftrag beruft, wenn sie die «Methoden, Gestaltungs- und Handlungsfreiheit» der Lehrer einschränkt und sie auf zweifelhafte US-Bertelsmann-Unterrichtsmethoden und ­-inhalte verpflichten will. Davon steht nichts im Volksschulgesetz!
Die Parlamentarische Initiative zur Abschaffung der «Fachstelle Schulbeurteilung» ist Ausdruck eines weit verbreiteten Unbehagens über die Entwicklung der Volksschule und ermutigt alle, die nach Lösungen suchen, wieder mutiger zu ihren eigenen Erfahrungen und ihren Vorstellungen von gutem Unterricht zu stehen.
Ein Gespräch mit den Initianten finden Sie unten stehend.    •

1    Protokoll des Zürcher Kantonsrates, 192. Sitzung, 22.11.2010, Traktandum 11, KR-Nr. 174/2010, Seite 60
2    ebenda, S. 62
3    ebenda, S. 65f.
4    ebenda, S. 64
5    ebenda, S. 65
6    Fachstelle für Schulbeurteilung, <link http: www.fsb.zh.ch internet bildungsdirektion fsb de home.html>www.fsb.zh.ch/internet/bildungsdirektion/fsb/de/home.html

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