Die Guten Dienste der Schweiz – Wegbereiter für das Friedensabkommen von Evian von 1962

Die Guten Dienste der Schweiz – Wegbereiter für das Friedensabkommen von Evian von 1962

von Dr. rer. publ. Werner Wüthrich

Der Generalsekretär der Uno, Ban Ki Moon, hat in diesen Tagen die Schweiz besucht und im Nationalrat eine Rede gehalten. Anlass war der Uno-Beitritt vor zehn Jahren. Der Bundesrat will nun die Schweiz noch enger einbinden und bewirbt sich für einen Sitz als nicht ständiges Mitglied im Sicherheitsrat. Er hat damit die Uno-Debatte im Volk erneut entfacht. Tatsache ist, dass die Mitgliedschaft nicht vereinbar ist mit der Schweizer Neutralität. Der Sicherheitsrat entscheidet nicht nur über Wirtschaftssanktionen, die gegen einzelne Länder gerichtet sind, sondern auch über Militäraktionen, die zu grösseren Kriegen führen können. Bundesrätin Widmer-Schlumpf: «Wir haben diese Frage abgeklärt. Wir wissen, dass es da Entscheide gibt, die eine klare Haltung verlangen, die aber durchaus vereinbar sind mit unserer Neutralität.» – Das stimmt nicht. Auch im Vorfeld der Abstimmung von 2002, als es um den Uno-Beitritt ging, hat Bundesrat Deiss mit dem gleichen Resultat «abgeklärt» und zahlreiche Versprechungen gemacht. Die Schweizer Diplomaten würden nach dem Uno-Beitritt ihre angebliche Isolierung beenden und das internationale Geschehen mitgestalten. Sie könnten ihre Guten Dienste noch besser für den Frieden einsetzen und würden auf der Welt zu aktiven Mitspielern werden, die von allen geachtet würden. Das Gegenteil ist der Fall. Die Bilanz der letzten Jahre ist, nüchtern betrachtet, mehr als durchzogen. Wer den Verlauf der zahlreichen Konflikte verfolgt, bekommt den Eindruck, dass der Welt ein wirklich neutraler Vermittler fehlt. – Das war vor dem Uno-Beitritt der Schweiz anders.
In diesen Wochen jährt sich der Friede von Evian zum 50. Mal. Er hat 1962 den Algerien-Krieg beendet und das Land in die Unabhängigkeit geführt. Die Schweiz hat damals als Nicht-Mitglied der Uno mit ihrer Neutralitätspolitik das Weltgeschehen mitgestaltet und aktiv geholfen, einen der brutalsten Kriege der Nachkriegszeit zu beenden. Ihre Politiker und Diplomaten haben auf dem internationalen Parkett viel Achtung und Anerkennung erfahren. Es lohnt sich, die dramatischen Ereignisse von damals nochmals nachzuerleben und zu erfahren, was wirkliche Friedenspolitik bedeutet.
Algerien war die grösste und älteste Kolonie Frankreichs, die formell als Teil Frankreichs galt. Mehr als eine Million französische Siedler hatten sich hier niedergelassen. 1954 begann der Unabhängigkeitskrieg. Die algerische FLN (Front de Libération Nationale) wurde aus Tunesien und Marokko unterstützt, die beide bereits unabhängig geworden waren. Die FLN hatte in Tunis eine provisorische Regierung eingerichtet. Frankreich wollte Algerien anders als Tunesien und Marokko nicht in die Unabhängigkeit entlassen und widersetzte sich den Bestrebungen mit militärischer Gewalt. Der Algerien-Krieg war ein schmutziger Krieg, der mit grosser Brutalität geführt wurde. Folter gehörte zur Tagesordnung. Frankreich hatte ständig etwa eine halbe Million Soldaten in Algerien im Kriegseinsatz. Bis 1962 kämpften dort insgesamt etwa 1,7 Millionen Armeeangehörige – neben Berufsmilitär und Fremdenlegion auch viele Wehrpflichtige. Die Franzosen waren militärisch zwar überlegen. Aber ein so grosses Land war auf die Dauer mit militärischer Gewalt nicht zu befrieden. Dieser grosse Krieg war vielerorts umstritten – auch in Frankreich selbst.

Wende mit der Wahl von Charles de Gaulle

Im Dezember 1958 wurde General Charles de Gaulle zum Staatspräsidenten gewählt. Seine Politik tendierte dahin, den Krieg zu beenden und Algerien die Unabhängigkeit zu gewähren. Das war jedoch nicht so einfach, weil Frankreich gespalten war. Teile des Militärs, der Behörden und auch der Bevölkerung wollten den Krieg siegreich beenden und Algerien als Teil Frankreichs behalten. Bereits 1960 hatten in Melun Waffenstillstandsverhandlungen stattgefunden, die jedoch scheiterten – nicht zuletzt, weil die Medien mit einer reisserischen, zum Teil einseitigen Berichterstattung die Stimmung vergifteten.
Am 8. Januar 1961 setzte de Gaulle eine Volksabstimmung an. 75 Prozent der Stimmenden in Frankreich unterstützten seine ­Politik, Algerien in die Unabhängigkeit zu entlassen. Mit der Abstimmung war das Ziel jedoch noch nicht erreicht. Nur wenige Tage später, am 20. Januar, wurde in Madrid die OAS, die Organisation de l’Armée Secrète, gegründet, mit der auch hohe Militärs sympathisierten. Der Name war bewusst angelehnt an die Armée secrète, einer Gruppierung der französischen Résistance während des Zweiten Weltkriegs. Die OAS wollte einerseits zur wichtigsten Vertreterin der «französischen Patrioten» in Algerien werden. Andererseits verübte sie als Untergrundorganisation Anschläge, um den Friedensprozess zu stören. Das Zeichen der OAS war das Keltenkreuz, und ihre Devise lautete: «L’Algérie est française et le restera» (Algerien ist französisch und wird es bleiben). Etwa 4000 Menschen – vor allem in Algerien – wurden Opfer des OAS-Terrors, den die FLN mit Gegenterror beantwortete.
Am 21. April 1961 führte die OAS einen Putsch in Algier an, an dem sich auch vier Generäle der französischen Armee beteiligten, die sich gegen die Friedenspolitik von de Gaulle stellten. Der Putsch scheiterte zwar, und die Generäle wurden zum Tode verurteilt (und später begnadigt). Die Lage blieb jedoch äusserst angespannt. Am 17. Oktober 1961 fand in Paris eine Protestkundgebung von etwa 30 000 Franzosen-Algeriern statt, die die FLN angeregt hatte. Die Demonstration artete in bürgerkriegsähnliche Zustände aus. Ungefähr 200 Menschen verloren ihr Leben. Die Polizei verhaftete etwa 14 000 Demonstranten und hielt sie in Sportstadien und improvisierten Hafträumen mehrere Tage fest. In dieser gefährlichen, höchst angespannten Situation waren echte Friedensverhandlungen unmöglich.

Wer vermittelt?

Beide Seiten wandten sich an die Schweiz mit der Bitte, mit ihren «Guten Diensten» (siehe Kasten) zu helfen. An Friedensverhandlungen war vorerst gar nicht zu denken. Es ging mehr darum, direkte Gespräche von Angesicht zu Angesicht zu ermöglichen. Erste Kontakte der Kriegsparteien hatte es in der Schweiz schon seit 1960 gegeben. Bundesrat Max Petitpierre hatte sich bereiterklärt, im Rahmen seiner «aktiven Neutralitätspolitik» den Boden zu bereiten.
Die Gespräche fanden statt – angesichts der gefährlichen Situation unter höchster Geheimhaltung. Die Medien hätten die Unruhen möglicherweise wieder entfacht oder gar die OAS zu Anschlägen provoziert. Die Berichte über die Gespräche können heute über die Datenbank «Diplomatische Dokumente der Schweiz» eingesehen werden (www.dodis.ch/9709 und 10392; 10413 und 10389; 10307 und 398). Hervorzuheben ist vor allem der 50seitige Bericht von Olivier Long, der die Vermittlungsbemühungen mit allen Einzelheiten schildert: Zwei Mitarbeiter des Politischen Departements der Eidgenossenschaft, Olivier Long und Gianrico Bucher, hatten die Treffen mit grosser Diskretion organisiert. Die Kontrahenten sollten vorerst in einem inoffiziellen, privaten Rahmen in Luzern zusammenkommen. De Gaulle bestimmte mit George Pompidou (dem späteren Staatspräsidenten) einen engen Vertrauten zum Verhandlungsführer. Pompidou war damals in der Privatwirtschaft tätig.

Treffen in Luzern und Neuenburg

Die Delegationen der verfeindeten Parteien wohnten in separaten Hotels in Luzern. Die Gespräche selbst fanden im Hotel Schweizerhof statt. Algerier und Franzosen trafen sich nach dem Morgenessen, verbrachten den ganzen Tag miteinander und diskutierten bis tief in die Nacht hinein. Long und Bucher sassen im Nebenzimmer und achteten darauf, dass ja nichts Auffälliges nach aussen drang. Gefährlich war die Situation trotzdem, weil die Delegationen am Abend mit ihren Regierungen in Paris und Tunis konferierten und die Möglichkeit bestand, dass die Medien von den Gesprächen erfahren könnten und die OAS den Friedensprozess mit Gewalt störte. Die Kriegsgegner sprachen in Luzern seit sieben Jahren das erste Mal direkt von Angesicht zu Angesicht miteinander. – Wie sollte es weitergehen? Long und Bucher schätzten die Situation als so gefährlich ein, dass sie die Fortsetzung an einen andern Ort verlegten – nach Neuenburg.
Aus dem Bericht von Olivier Long geht hervor, dass sich die Delegationen persönlich näherkamen und so das Vertrauen entstand, um nach soviel Schrecklichem in acht Jahren Krieg über einen echten Frieden zu verhandeln. Dazu Olivier Long: «Nous nous abstenons de poser des questions, mais la ­satisfaction non déguisée des participants, des deux côtés, montre que la rencontre s’est passée mieux qu’on ne l’espérait de part et d’autre.» (Wir hielten uns mit Fragen zurück, aber die Teilnehmer verbargen ihre Befriedigung nicht und zeigten, dass das Treffen besser verlaufen ist, als beide Seiten erwartet hatten.)
Für den Erfolg mit verantwortlich war zweifellos Charles de Gaulle, der hinter Georges Pompidou agierte und so quasi mit am Verhandlungstisch sass. Es ging in diesen Gesprächen nicht nur um die Unabhängigkeit von Algerien und um das Schicksal der französischen Siedler (die später zu einem grossen Teil das Land verlassen sollten). Frankreich hatte viel unternommen, um die Rohstoffe in der algerischen Sahara auszubeuten. Auf diese Investitionen wollte es nicht ohne weiteres verzichten. Frankreich hatte in der Wüste Atomversuche durchgeführt, die nun beendet und deren Spuren beseitigt werden mussten. Offen war auch das Schicksal der Harkis, also derjenigen Algerier, die mit der französischen Armee kollaboriert hatten.
Nach der zweiten Gesprächsrunde in Neuenburg – auch hier war es gelungen, die Geheimhaltung aufrechtzuerhalten – stand das Konzept für die offiziellen Friedensverhandlungen fest: Diese sollten auf französischem Boden in Evian stattfinden – auf der französischen Seite des Genfersees. In einer ersten Verhandlungsphase – die ebenfalls noch geheim sein sollte – würde es um einen Waffenstillstand gehen. Die offiziellen Friedensverhandlungen sollten erst beginnen, wenn die Waffen in Algerien schwiegen. Diese sollten offen geführt und die Medien mit einbezogen werden.

Friedensvertrag von Evian

Das in Luzern und Neuenburg beschlossene Konzept für echte Friedensverhandlungen war nicht so einfach umzusetzen. Die Gefahr von Terroranschlägen der OAS, die einen Frieden unbedingt verhindern wollte, war nach wie vor akut. Die Verhandlungsdelegation der Algerier wollte deshalb nicht auf französischem Boden wohnen. Sie wurde in der Schweiz einquartiert und jeden Tag mit Militärhelikoptern oder bei schlechtem Wetter mit Schnellbooten über den Genfersee transportiert. Aber auch hier fühlten sie sich nicht sicher. Die Schweizer Armee bot ein Bataillon Soldaten auf, um Anschläge und Übergriffe zu verhindern. Die Algerier wechselten jeden Tag den Aufenthaltsort, auch um vor den Medien geschützt zu sein. Die Presseleute wussten, dass irgendwo Geheimverhandlungen über einen Waffenstillstand im Gange waren. Dazu Olivier Long: «Cette monstrueuse chasse à l’homme, résultat de l’activité de la presse à sensation, ne simplifie pas notre tâche.» (Diese monströse Jagd auf Menschen, die die Sensationspresse veranstaltet, vereinfacht unsere Aufgabe nicht.) Die Kosten dieser Grossaktion wurden vollumfänglich von der Eidgenossenschaft getragen.
Die Behörden rechneten auch mit einem Scheitern der Bemühungen und bereiteten sich darauf vor. Sie rechneten in diesem Fall damit, dass in Frankreich Unruhen ausbrechen und dort wohnende Algerier-Franzosen in grosser Zahl in die Schweiz flüchten könnten.
Dazu kam es nicht. Die Waffen schwiegen in Algerien wie vereinbart, und die Friedensverhandlungen begannen. Sie führten nach wenigen Tagen zum Erfolg. Nach den intensiven Vorbesprechungen in Luzern und Neuenburg und weiteren Treffen gab es wahrscheinlich nicht mehr allzuviel zu besprechen. Der Friede von Evian beendete am 18. März 1962 einen der brutalsten Kriege der Kolonialzeit. Manches war zwar noch ungewiss. Wie würden sich die französischen Siedler verhalten? Ihr Eigentum wurde im Friedensvertrag zwar garantiert. Was würde mit den Harkis geschehen, die mit der französischen Armee zusammengearbeitet hatten? – Die Hauptsache war: Der Krieg war zu Ende. Am 5. Juli 1962 begründeten die Stimmbürger von Algerien in einer Volksabstimmung ihren unabhängigen Staat.
Auch nach dem Friedensschluss war die Gefahr noch nicht ganz vorüber – auch für die beteiligten Schweizer Diplomaten. Am 22. August, nur wenige Wochen nach der Unabhängigkeitserklärung, durchschlugen Kugeln von Attentätern die Limousine von Charles de Gaulle und verfehlten ihn nur knapp. Diese brutale Tat zeigte, dass die OAS nach wie vor nicht gewillt war, ein unabhängiges Algerien zu akzeptieren. Jean-Marie Bastien-Thiry, ein OAS-Mitglied, hatte den Anschlag auf de Gaulle organisiert. Er wurde zum Tode verurteilt und hingerichtet. Damit war die OAS faktisch am Ende. Diese Ereignisse wurden 1973 im Filmklassiker «Der Schakal» verfilmt. Zu erwähnen ist auch der Film von Jean-Luc Godard, «Le petit soldat» (1960), der den Kampf zwischen Agenten der OAS und des FLN in Genf zeigt. Die Wunden des Krieges sind auch heute noch nicht ganz verheilt. So verzichtete Algerien, offizielle Vertreter Frankreichs zu den Feierlichkeiten der 50jährigen Unabhängigkeit einzuladen.

 Positive Auswirkungen auf die Politik der Schweiz

Die Schweiz erhielt damals international – nicht nur von Frankreich und Algerien – viel Anerkennung und Dank für ihre neutrale Haltung und für ihre Guten Dienste. Beides hatte in schwierigem und gefährlichem Umfeld zu einem echten Friedensschluss geführt und sich auch in anderen Politikbereichen ­positiv ausgewirkt. Schweizer Politiker und Diplomaten fanden auf dem internationalen Parkett offene Türen und viel Entgegenkommen.
Am 17. November 1961 hatte Staatspräsident Charles de Gaulle Bundesrat Hans Schaffner zu einem persönlichen Gespräch empfangen. Das von Schaffner selbst verfass­te Gesprächsprotokoll kann heute eingesehen werden (dodis.ch/30270). Hans Schaffner leitete den Bericht mit folgender Vorbemerkung ein: «Präsident de Gaulle machte den Eindruck einer sehr selbstbewussten Persönlichkeit, ohne irgendwie in den Ausdrucksformen eine Überlegenheit zu manifestieren. Im Gegenteil, er strömte eine Atmosphäre der Gastlichkeit aus und weiss sehr gut zuzuhören.» Dazu ein kurzer Ausschnitt aus dem Gespräch:
Charles de Gaulle: «Ich möchte Ihnen den Dank Frankreichs für die Dienste aussprechen, welche die Schweiz zur Beilegung des algerischen Konflikts geleistet hat und die mir sehr genau bekannt sind. Es handelt sich beim algerischen Problem um eine sehr wichtige Frage, aber ich bin entschlossen, sie zu lösen. […]»

Hans Schaffner: «Der schweizerische Bundesrat hofft sehr auf eine gute Lösung dieses so schwerwiegenden Problems. Wir sind glücklich, Frankreich in dieser Frage gute Dienste leisten zu können, wie es überhaupt das Bestreben des Bundesrates ist, auf allen Gebieten solche Dienste zu leisten, wo sie von uns gewünscht werden, um damit den positiven Sinn unserer Neutralität zu unterstreichen.»
Charles de Gaulle: «Frankreich versteht den Sinn Ihrer Neutralität und billigt sie. Sie bedeutet für uns in ihrer bewaffneten Form Sicherheit.»

Hans Schaffner warb im weiteren Gesprächsverlauf um Verständnis, dass die Schweiz Mühe habe, sich der EWG anzuschliessen. Die Schweiz stand damals unter grossem ­politischen Druck von seiten der USA, ein Assoziationsgesuch zu stellen (was wenige Tage später auch geschah). Die USA verfolgten das Ziel, die 1960 gegründete EFTA wieder aufzulösen und die Länder West-Europas unter dem Schirm der EWG zu einem einheitlichen, politischen Block – den Vereinigten Staaten von Europa – zusammenzuschliessen. Die «Kleinstaaterei» sollte in Europa ein Ende haben (Genaueres dazu, in: Zeit-Fragen vom 17.1.2012, Europäische Integration, Teil 2). Schaffner äusserte de Gaulle gegenüber grosse Bedenken gegenüber diesem Ansinnen. Auch dazu ein Ausschnitt aus dem Gesprächsprotokoll:
Hans Schaffner: «Wir können in unserer Referendumsdemokratie nicht Befugnisse an eine weitere Gemeinschaft abtreten, die dem Volk vorbehalten sind, das im vollen Sinn des Wortes der Souverän ist.»
Charles de Gaulle: «Frankreich will die Integration, weil sie zur Stärkung des Westens unbedingt nötig ist und für uns vor allem deshalb, weil wir eine dauernde Regelung unserer Beziehung zu Deutschland anstreben. […] Die Integration wird aber noch manche Schwierigkeiten bringen; so werden die Beitrittsverhandlungen mit England sehr lange und sehr schwierig sein. Frankreich begreift Ihren Wunsch nach einer Form der Verständigung, die nicht leicht zu finden sein wird. Sie dürfen aber versichert sein, dass Ihnen von seiten Frankreichs keine Schwierigkeiten in den Weg gelegt werden.»
Am Schluss des Gesprächs lud de Gaulle Schaffner ein, ihn jederzeit in Paris zu besuchen. Ungefähr ein Jahr später, am 14. Januar 1963, brach de Gaulle die Beitrittsverhandlungen mit Grossbritannien ab. Er hatte ein «Europa der Vaterländer» im Sinne und betrachtete das damalige Beitrittsgesuch Grossbritanniens als Trojanisches Pferd, mit dem die USA ihre europapolitischen Vorstellungen durchsetzen wollten. Die von den USA forcierten Assoziationsgesuche der drei neutralen EFTA-Länder Schweiz, Schweden und Österreich wurden damit hinfällig, und die Arbeit in der EFTA konnte beginnen. Ohne de Gaulle würde es wahrscheinlich die EFTA als freiheitlichen Zusammenschluss souveräner Nationen gar nicht mehr geben.    •

Die Guten Dienste der Schweiz

ww. Die Guten Dienste der Schweiz haben in vielen Konflikten Hilfestellung für die Annäherung verfeindeter Kontrahenten geleistet und zur Entschärfung oder Versöhnung beigetragen. Die Wurzeln dieser Politik liegen im Mittelalter. Die Eidgenossenschaft war damals ein loser Staatenbund, und es kam immer wieder vor, dass einzelne Bündnispartner miteinander in Streit gerieten, der manchmal auch militärisch ausgetragen wurde. Es galt eine eiserne Regel, die in den Bündnisverträgen verbrieft war: Die nicht beteiligten Bündnispartner sollten «stillstehen», d.h., sich neutral verhalten und aktiv zur Versöhnung beitragen. Nur so war der 1291 gegründete Bund über so viele Jahrhunderte zusammenzuhalten. Als 1815 die Neutralitätspolitik der Schweiz zur offiziellen ­Politik erklärt und auch international anerkannt wurde, offerierte die Schweiz die Guten Dienste auch anderen Staaten und trug oft auf eine diskrete Art zur Konfliktlösung bei – bis heute. Die Gründung des Internationalen Roten Kreuzes (IKRK) mit Sitz in Genf ist ebenfalls vor diesem Hintergrund zu verstehen.

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