von Horst Meyer, Deutschland
Als im Jahre 2009 der Gewinner des Friedensnobelpreises Barak Obama hiess, waren die meisten Menschen sehr überrascht, da er ausser den Schlagwörtern «Change» und «Yes we can» noch nichts Substantielles für den Frieden hervorgebracht hatte. Drei Jahre später sieht seine Leistungsbilanz in bezug auf den Frieden nicht anders aus als die der vorherigen Präsidenten Bush sen., Clinton, Bush jun. Keiner der von George W. Bush angezettelten Kriege ist beendet, dafür kam die brutale Intervention der Nato in Libyen noch hinzu, ganz zu Schweigen von dem immer noch nicht geräumten Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba, der Besetzung Afghanistans und des Irak.
Wenn dieses Jahr der Friedensnobelpreis an eine supranationale Institution wie die EU geht, dann werden die Kriterien, die zur Ernennung und Verleihung des Friedensnobelpreises geführt haben, immer fragwürdiger.
Der diesjährige Träger des Friedensnobelpreises ist die Europäische Union, weil sie in den letzten 60 Jahren zu einem friedlichen Europa beigetragen habe. Als diese Mitteilung am Freitag über den Äther ging, löste das vielerorts Kopfschütteln und Empörung aus.
Dass Europa im 20. Jahrhundert zwei grosse Kriege erlebt hat und dass vor allem der letzte Krieg tiefe Spuren im Gemüt der Menschen hinterlassen hat, ist eine unbestreitbare Tatsache. Dass es seit dieser Zeit in Europa keinen Krieg mehr mit diesen Ausmassen gegeben hat und eine gewisse Aussöhnung zwischen den Staaten stattgefunden hat, ist ebenfalls Realität, aber dass der Frieden auch in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg auf tönernen Füssen stand und steht und mit dem Zusammenbruch des Ost-Blocks der Krieg sogar wieder nach Europa zurückgekehrt ist, kann dem heutigen Nobelkomitee wohl kaum entgangen sein.
Die Aktivitäten einiger europäischer Staaten in den 90er Jahren bei der Zerstörung der Bundesrepublik Jugoslawien sind heute offenkundig. Die Autoren Mira Beham und Jörg Becker analysieren in ihrer Untersuchung «Operation Balkan» den Einfluss des Westens bei der Zerstörung Jugoslawiens und die von aussen gesteuerte Medienmanipulation genauestens. Es wird evident, wie der europäische Westen gezielt auf eine Sezession der einzelnen Teilrepubliken hingearbeitet hat. Durch den Rückzug von Krediten und eine Erhöhung der Zinsen hat man unter anderem bewusst die wirtschaftliche Not der einzelnen Teilrepubliken ausgenutzt, um die Menschen aufeinander loszuhetzen. Das Ergebnis ist sattsam bekannt. Der völkerrechtswidrige und damit illegale Angriffskrieg auf Rest-Jugoslawien unter der Führung der USA und aktiver Beteiligung mehrerer europäischer Staaten inklusive Deutschlands zeigte, wozu die EU und ihre Mitgliedstaaten trotz dem Versprechen «Nie wieder Krieg» heute wieder in der Lage sind.
Im Jahre 2000 hat die EU ihr wahres Gesicht gezeigt. Nachdem auf Grund demokratischer Wahlen in Österreich eine Koalition von ÖVP und FPÖ die Regierung übernommen hatte, wurde das Land mit Sanktionen belegt und die demokratischen Rechte der Bevölkerung mit Füssen getreten. Eine EU-kritische Regierung in einem EU-Mitgliedstaat verträgt das angebliche «Friedensmodell EU» nicht. Ein sogenannter Weisenrat musste entscheiden, ob die Sanktionen zu beenden sind oder nicht. Erst nach dem erzwungenen Rücktritt von Jörg Haider wurden diese aufgehoben. Das demokratische Recht wurde eiskalt ausser Kraft gesetzt. Doch nicht genug.
Am Krieg gegen Afghanistan, der seit 11 Jahren tobt, sind nahezu alle EU-Staaten beteiligt und erleben Tag für Tag, was es heisst, im Krieg zu sein, in einem Krieg, der mit äusserster Brutalität und unter Verletzung des Humanitären Völkerrechts geführt wird. Nach 11 Jahren amerikanischer und europäischer Präsenz geht es den Menschen im Land schlechter als je zuvor. Was unter Beugung des Völkerrechts begonnen hat und mit der Vertreibung der Taliban legitimiert wurde, ist zu einem Krieg gegen die afghanische Bevölkerung geworden, und ein Ende dieses Tötens ist nicht in Sicht.
Auch der 2003 unter fadenscheinigen und erlogenen Vorwänden vom Zaun gebrochene völkerrechtswidrige Angriffskrieg der USA gegen den Irak unter der Beteiligung einiger europäischer Staaten, der sogenannten «coalition of the willings», insbesondere England, Polen, Italien, Spanien usw., ist bis heute nicht beendet und verlangt bis jetzt Zehntausende unschuldige Opfer. Die Ölressourcen haben sich die Briten und die USA inzwischen gesichert.
Der Krieg gegen Libyen von 2011, geführt unter dem Vorwand «Schutz der Zivilbevölkerung», war nichts anderes als ein gewaltsamer Regime change, um sich eines unliebsamen Herrschers zu entledigen und der Bodenschätze des Landes zu bemächtigen. An vorderster Front kämpften hier neben den USA die EU-Mitglieder Frankreich, England, Italien. Die Hälfte der europäischen Nato-Staaten, die auch Mitglieder der EU sind, hat in diesem verdeckten Angriffskrieg mitgemischt.
Was geschieht in Syrien? Wenn es nach dem Willen der EU gegangen wäre – China und Russland haben das verhindert – wäre auch dort ein Angriffskrieg unter Beteiligung der EU vom Zaun gebrochen worden. Deutschland hat hier neben Frankreich und England eine ganz unrühmliche Rolle gespielt.
Wo ist hier das zu würdigende Engagement der EU für den Frieden, was eine Verleihung des Friedensnobelpreises gerechtfertigt hätte? Folgt das Komitee des Friedensnobelpreises ebenfalls machtpolitischen Überlegungen?
Bei allen Kriegsbeteiligungen der EU-Staaten waren die Völker der betreffenden Länder immer gegen den Krieg. Die Zahlen in den Umfragen beliefen sich zwischen 80% und 90%. Also wenn man schon die Friedenskräfte stärken möchte, kommt den Völkern eine entscheidende Bedeutung zu.
In der US-Zeitschrift Foreign Affairs, Organ des in den USA stark beachteten Think tanks «Councils on foreign relations», wird die «Germanisierung Europas» als Ausweg aus der EU-Krise favorisiert. Damit soll Deutschland eine Führungsrolle in der EU zukommen, die Angela Merkel, der Macht über alles geht, auf den Leib geschneidert ist. Die Pläne eines europäischen Staatenbundes und das Vorantreiben der Zentralisierung innerhalb der EU gehören zum Auftrag des selbst ernannten Leader-Staates Deutschland. Folgendes Zitat lässt aufhorchen: «Wollen wir Kontinental-Europäer zu Einheit und Zusammenarbeit gelangen, von deren Begründung und Behauptung unsere ganze Zukunft abhängt, so wird zweierlei von uns verlangt: Der Verzicht auf Herrschaftsgelüste eines einzelnen Volkes über die anderen und der Verzicht aller auf schrankenlose Selbständigkeit ausserhalb europäischer Ordnung. In diesem Sinne Fahnenträger, nicht Herr Europas zu werden, muss eigener Vorsatz Deutschlands sein, Fahnenträger eines neuen Europa, das seinen Platz und Rang unter den neuen Weltmächten behaupten kann, der ihm nach seiner geschichtlichen Entwicklung und seinen kulturellen und wirtschaftlichen Kräften gebührt.» Diese Zitat stammt vom Aufsichtsratsvorsitzenden der zur IG Farben gehörenden Donau Chemie AG, Richard Riedl, aus dem Jahre 1944.
Dass Deutschland immer stärker eine dominierende Rolle in der EU einnimmt, wird immer offensichtlicher. Die Kriegsrhetorik gegenüber der Schweiz, die seit Jahren immer wieder bemüht wird, um dem kleinen unabhängigen und erfolgreichen Staat den Meister zu zeigen, verheissen für die Zukunft wenig Gutes, wenn Deutschland der «Fahnenträger» der EU werden soll.
Wenn man schon einem Staat oder Staatengebilde den Friedensnobelpreis verleihen möchte, dann müsste es wohl die Schweiz sein. Welches Land kann von sich sagen, seit über 150 Jahren in keine Kriege mehr verwickelt gewesen zu sein und als Staat mit seinen Organisationen wie dem Roten Kreuz so viel für den Frieden und die Linderung von Not anderer Völker beigetragen zu haben? Doch wenn man die Liste der letzten Preisträger anschaut, ist es eine Ehre, nicht dazuzugehören. Die diesjährige Wahl bestätigt das. •
Die politischen Eliten Norwegens haben den Friedenspreis von Alfred Nobel beschlagnahmt, um ihn für ihre Zwecke zu benutzen. Nie wurde das deutlicher demonstriert als 2012 durch die Preisverleihung an die Europäische Union. Seit 40 Jahren haben sie gezerrt und gedrängt, um Norwegen in die EU zu bringen. Nachdem Thorbjørn Jagland, ein ehemaliger Aussenminister und Premierminister und heute Vorsitzender des Nobelkomitees, in zwei Referenden unterlag, hat er sich an seinen widerspenstigen Landsleuten gerächt.
Die heutigen norwegischen Eliten lehnen Nobel und seine Vision einer Demilitarisierung der internationalen Beziehungen ab. Im Jahre 1895 dagegen befürworteten sie seine Friedensvisionen derart, dass Nobel das norwegische Parlament mit der Wahl der Preisverleiher betraute, einem Komitee von fünf Personen, die einer globalen Welt-Friedensordung verpflichtet sind, «einer Brüderlichkeit der Nationen» wie er in seiner Willenserklärung in unbestreitbarer Klarheit darlegte. Das heutige Parlament glaubt an militärische Stärke und wählt in Verfehlung von Nobel das Komitee aus seinen eigenen Reihen. Nobels Preis zur Abrüstung ist in den Händen seiner politischen Gegner gelandet.
Der Preis des Jahres 2012 ist durch den Nobeltest durchgefallen: Die EU ist nicht global und nicht für die Demilitarisierung der internationalen Beziehungen. Die Union beabsichtigt, zu einer führenden wirtschaftlichen und militärischen Einheit zu werden, sie ist ein bedeutender Waffenexporteur, zwei atomar bewaffnete Mitgliedstaaten widersetzen sich hartnäckig allen Bemühungen zur nuklearen Abrüstung.
Im März 2012 wies die schwedische Stiftungsaufsicht die Preisverleiher an, den Willen nochmals zu lesen, die von Nobel beschriebene Absicht zu respektieren und wies die schwedische Stiftung an, ihren norwegischen Unterausschuss in die Schranken zu weisen und unter strikte Aufsicht zu stellen. Trotzdem ging der norwegische Eigensinn letzte Woche unvermindert weiter.
Abgeschirmt durch strenge Geheimhaltungsregeln haben sich die Preisverleiher lange Zeit so verhalten, als stünden sie über dem Gesetz. Sie bringen nie so etwas wie eine ehrliche Antwort auf irgendeine Kritik zuwege und machen damit Nobels genialen Preis zu einer zunehmend entwerteten und schäbigen Einrichtung. Beide, Nobel und seine Champions des Friedens und alle Bürger der Welt haben Grund, sehr verärgert zu sein.
Fredrik S. Heffermehl, Anwalt und Autor
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