Zum Tod von Divisionär Dr. iur. Hans Bachofner (1931–2012)

Zum Tod von Divisionär Dr. iur. Hans Bachofner (1931–2012)

me. Wir erinnern uns an einen sehr gebildeten, belesenen, lebhaften Zeitgenossen. Er beeindruckte durch präzise Wortwahl, die seine ausserordentliche Denkkraft  zum Ausdruck brachte. Er kannte die strategischen Grössen unseres Planeten wie kaum jemand, und nicht nur die militärischen. Er verfolgte deren Trends sehr genau und ordnete sie ein in die Welt- und Zeitgeschichte und in ein personales Menschenbild. Seine Analysen waren scharfsinnig, sein Denken ging weit über die normalen Grenzen hinaus, er bot nie einfache, fertige Rezepte an, sondern stimulierte zum Weiterdenken und sah die eigenen Gedanken als Zwischenresultat in einer sich verändernden Welt. In diesem Sinne war er höchst innovativ.
Reichtum und Streben nach Äusserem lag ihm nicht, dafür vertrat er den Kleinstaat Schweiz und seine Konstanten aus innerer Überzeugung. Er war sich sicher, dass wir mit dem selbstverwalteten Zusammenleben in der direkten Demokratie und nach aussen mit der immerwährenden bewaffneten Neutralität etwas zu verteidigen haben, für das sich der Einsatz lohnt. Er schätzte Bürger, die er soldatisch ausbildete, hart ausbildete, denn das Kriegsgenügen war sein Ziel. Da er seine unerbittlichen Forderungen sachlich begründete und mit persönlichem Vorbild voranging, wurden sie angenommen. Für viele seiner Schüler wurden die Kurse bei ihm zu einem Höhepunkt, der sie entscheidend weiterbrachte.
Bachofner empfand es als Bürde, von den ihm anvertrauten Menschen im Ernstfall das Äusserste verlangen zu müssen, den Einsatz ihres Lebens. Er war sehr fürsorglich, baute den neuen Sanitätsdienst in der Armee konsequent auf und war nach einer Phase als Kommandant der Generalstabsschulen zuletzt Stabschef für operative Schulung, also oberster Lehrer in Fragen von Strategie und Planung.
Das Gespräch, auch mit Offizieren anderer Armeen, pflegte er aus innerem Interesse und stets vom eigenen Haltepunkt aus, Teil einer uralten Bürgerarmee zu sein. Diese Haltung gab er weiter, sie steckte an, und er stellte den Militärdienst stets in den grösseren Rahmen und machte daraus einen Dienst zum Schutze der Gemeinschaft.
Junge, Frauen, Unternehmer, Gewerbetreibende unterstützte er mit Rat und Tat. Mittagessen mit ihm waren inspirierende Feuerwerke des Zusammendenkens, der Heiterkeit und manchmal auch der Musen. Stets brachte er neue Bücher oder Ausrisse aus den unzähligen ausländischen Zeitungen und Zeitschriften mit, die er täglich las. Immer wieder zog er sich mit Neuerscheinungen in die Berge zurück, wo er sie nicht nur las, sondern sie sich in Klausur konzentriert erarbeitete. Präzise Unterstreichungen und differenzierte Bemerkungen am Rand kondensierte er zu prägnanten Zusammenfassungen der Erkenntnisse. Wer ein so bearbeitetes Buch erhielt, konnte schon aus der Arbeitstechnik viel lernen. «Denken ist anstrengend», sagte er, der als junger Mann in mittleren Kategorien begeistert geboxt hatte, «aber man kann das Gehirn trainieren, wie den Bizeps und den Trizeps, es braucht die gleiche Disziplin.»
Der Mainstream war ihm keine Orientierung, er gab nichts darauf. Er wusste selbst, was er für richtig hielt. Freies Denken war ihm wichtig, und darum horchte er immer auf, wenn Maulkörbe verteilt wurden. Dann wurde er zuverlässig bissig. Blender hasste er, ebenso Eitelkeiten und Leute, die meinen, am grossen Tisch in Brüssel, Mons oder Washington sei die Milch süsser als unsere. Er war der Erste, der nach dem Kosovo-Krieg die 68er warnte: «Der Krieg ist wieder da – aber wir haben den Respekt verloren.» In seinen scharfsinnigen Analysen trat er für eine kluge, zurückhaltende und berechenbare Position des neutralen Kleinstaates ein. Seine Skepsis gegenüber bewaffneten Auslandeinsätzen und den neokolonialen alliierten Operationen wuchs und wuchs. Dezidiert trat er dem Paradigmenwechsel der Armee XXI entgegen; wie man weiss, zu Recht. Viele in Bern stimmten ihm innerlich zu, sie hatten nur noch nicht den Mut entwickelt, der ihn kennzeichnete.
In den letzten Jahren plädierte er immer wieder für das «Denken des Undenkbaren» auf Stufe Familie, Geschäft und Gemeinde. Er vertraute auf die schlummernde Kraft der Bürgertugenden und des Gemeinschaftlichen. Er war sich sicher, dass eigenverantwortliche, selbständige Menschen in freien, direktdemokratischen Gesellschaften bessere und tragfähigere Lösungen erarbeiten. Verantwortung muss sichtbar sein und darf nicht kollektiv sein, war sein Credo. Ein Blick in die EU gibt ihm einmal mehr recht.
Eine Kassandra nannte er sich selbst. Die Nase vorn und im Wind zu haben, war ihm Pflicht und Privileg. «Wehrhaft bleiben, das Unwahrscheinliche denken», schrieb er als Widmung in verschiedene Bücher.
Er war Mensch, Denker und Militär eidgenössischer Prägung – und alles voll. Wir trauern mit den Angehörigen und behalten das Wirken dieser Persönlichkeit im Gedächtnis und im Herzen, und zwar aktiv: als Erbe und als Auftrag.                           •

Sanktionen als Gleichschaltung in Kollektiven erkannt? «Müssen wir uns einer Schutzmacht anschliessen? Können wir Unabhängigkeit gegen Sicherheit tauschen? Wieviel Alleingang ist möglich? Wieviel Standfestigkeit haben Regierung, Parlament und Volk, um dem gewaltigen Gleichschaltungsdruck der Nachbarn zu widerstehen? Ist der Fall EU–Österreich überhaupt als Musterfall von Zwang zur Gleichschaltung in Kollektiven erkannt worden?»

Div. a. D. Hans Bachofner, 13. Mai, Bern, Mitgliederversammlung AUNS

«Die Neutralität hat ihren hohen Wert bewiesen. Sie ermöglicht uns, sinnvoller zu helfen als mit der Teilnahme an einem verpfuschten Krieg. Sie schützt vor mediengetriebenem Aktivismus gefühlsgeschüttelter ­Politiker. Sie ist eine auf die unruhige Zukunft zugeschnittene Methode zur Wahrung von Eigenständigkeit und Freiheit. Aber sie darf nicht weiter ausgehöhlt werden.»

Hans Bachofner, Divisionär a. D., in seinem Vortrag «Der Krieg ist wieder da – aber wir haben den Respekt verloren» vom 19.5.1999

Der Krieg ist wieder da – aber wir haben den Respekt verloren

«Acht Wochen dauert er nun,
•    der erste Krieg der Nachkriegsgeneration
•    der erste Krieg der 68er in Regierungsverantwortung
•    der erste Krieg der neuen Linken beidseits des Atlantiks, der Herren Clinton, Blair und Schröder
•    der erste Krieg für Menschenrechte, für Werte statt Territorium
•    der erste Krieg der Nato überhaupt
•    der erste Krieg nach neuem Strategiekonzept
•    der erste Krieg, Nato-Angriffskrieg, nach 50 Jahren Verteidigungsdoktrin
•    der erste grosse Krieg ohne Uno-Mandat gegen einen souveränen Staat
•    der erste Krieg, in dem nun auch die USA das Rüstungskontrollabkommen der OSZE (Wiener Dokument von 1994) krass missachten
•    der erste Krieg der Deutschen seit dem Zweiten Weltkrieg
•    der erste reine Luftkrieg mit Vorankündigung, dass am Boden sicher nicht gekämpft werde.
So viel Premiere ist selten. Und sie misslang gründlich. Noch eskaliert der Krieg im Kosovo, er zieht seine Kreise bis Russland und China, aber die Signale zur Eröffnung des Endspiels gehen hin und her. Schon bald werden die kriegsungewohnten Europäer die nächste Lehre der Kriegsgeschichte kennenlernen. Sie heisst: ‹Wenn der Krieg vorbei ist, ist er nicht vorbei.› Er wird uns noch lange verfolgen im andauernden Ringen um eine neue Weltordnung.»
Hans Bachofner, Divisionär a. D.,
am 19.5.1999 in Zürich

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