Wessen Experte ist Hans Rühle?

Wessen Experte ist Hans Rühle?

USA und Deutschland nicht einig in der militärischen Einschätzung Israels bezüglich Iran

von Benjamin Weinthal, «Jerusalem Post» vom 21.2.2012

«Die Frage, warum bevorzugt Uran als Spaltstoff Verwendung fand, ist leicht zu beantworten: Uran erschien als waffentauglich, Lithium nicht, wegen fehlender Kettenreaktion.»

aus: Heinz Werner Gabriel, Kernenergie ohne Radioaktivität. Kein Traum, 2012

Sich widersprechende Analysen erschienen am Montag [20. Februar] in der «New York Times» und letzte Woche [16. Februar] in der deutschen Tageszeitung «Die Welt», die zu völlig verschiedenen Schlussfolgerungen über Israels militärische Fähigkeit kommen, Irans nukleares Waffenprogramm auszuschalten.
Während der Bericht aus der «New York Times» Zweifel über Israels Erfolgsaussichten aufkommen lässt, ist Hans Rühle, der zwischen 1982 und 1988 den Planungsstab im deutschen Verteidigungsministerium leitete, zuversichtlich, dass die israelische Luftwaffe Irans bedeutendste atomare Einrichtungen dezimieren könnte.
Die Hauptunterschiede kreisen um die Anzahl der israelischen Flugzeuge und Bomben, die erforderlich wären, um Irans wichtigste Atomanlagen zu zerstören, und um die Herausforderung, Flugzeuge zu betanken, um eine Entfernung von mehr als 1000 Meilen innerhalb des iranischen Luftraums zu überwinden und sicher wieder nach Israel zurückkehren zu können.
Die «New York Times» titelte ihre ziemlich pessimistische Analyse «Iran Raid Seen as a Huge Task for Israeli Jets» («Angriff auf Iran wird für israelische Flugzeuge als gigantische Aufgabe gesehen») und schrieb, dass ein israelischer Kampfeinsatz, um Irans nukleare Infrastruktur zu vernichten, mindestens 100 Kampfflugzeuge erfordern würde.
Entsprechend einem Beispiel von US-Verteidigungs- und Militär-Analysten wäre es für Israel eine Herkulesaufgabe, in Irans Luftraum einzudringen und die Atomanlagen des Landes anzugreifen.
Die «New York Times» zitierte Michael V. Hayden, Direktor der CIA von 2006 bis 2009, der explizit erklärte, dass das Pulverisieren der iranischen Atomanlagen «jenseits der Kapaziäten» Israels liege.
Lt. Gen. David A. Deptula berichtete der «New York Times», dass «all die Experten, die darüber reden ‹Oh ja, bombardiert Iran› – das wird nicht so einfach werden.»
Deptula diente bis letztes Jahr als Top-Geheimdienstbeamter bei der US Air Force und leitete die Luftangriffe, die 2001 auf dem afghanischen Kriegsschauplatz und während des ersten Golf-Krieges 1991 im Irak durchgeführt wurden.
Die «New York Times» zeichnete eine düstere Einschätzung von der Fähigkeiten Israels, seine Kampfflugzeuge aufzutanken, und schrieb: «Israel müsste Flugzeuge benutzen, die in der Lage sind, in der Luft aufzutanken, sogenannte Tankflugzeuge, aber man kann davon ausgehen, dass Israel nicht genug davon hat.»
In einem scharfen Gegensatz zur Analyse der «New York Times» versicherte Hans Rühle, ein führender deutscher Sicherheits­experte, vergangene Woche in einem langen Artikel in der Zeitung «Die Welt», dass ein von Israel ausgehender flächendeckender Bombenkrieg Irans Atomwaffenprogramm deutlich zurückwerfen könnte, möglicherweise um ein Jahrzehnt oder länger.
In dem Artikel mit dem Titel: «Wie Israel das iranische Atomprogramm zerstören könnte» untersucht Rühle die Anzahl israelischer Kampfflugzeuge und Bomben, die nötig wären, um Irans Atomanlagen zu vernichten.
Rühle zitiert Experten und schreibt, dass ein extensiver Bombenkrieg innerhalb von Israels Möglichkeiten liegt, Irans Fähigkeit, kontinuierlich Fortschritte bei der Entwicklung von Atomwaffen zu machen, zu dezimieren.
Nach Rühle gibt es in Iran 25 bis 30 Anlagen, in denen ausschliesslich oder überwiegend für das Atomprogramm gearbeitet wird. Sechs davon sind erstrangige Ziele: die Urananreicherungsanlage von Natans, die Konversionsanlage in Isfahan, der Schwerwasserreaktor in Arak, die Waffen- und Munitionsproduktionsanlage in Parchin, die Urananreicherungsanlage Fordow und der Leichtwasserreaktor Buschehr.
Der bekannte Kolumnist der Nachrichten-Webseite PJ Media, David P. Goldman, schrieb letzte Woche, dass «Hans Rühle einer der strammsten und scharfsinnigsten Analysten in jenen stürmischen Tagen» während der Periode des kalten Krieges war.
Goldman fügte hinzu: «Rühle ist höchst zuversichtlich, dass Israel das iranische Atomwaffenprogramm mit ungefähr 25 seiner 87 F-15 Kampfbomber und einer kleineren Anzahl seiner F-16 für ein Jahrzehnt oder länger lahmlegen könnte. Jede seiner F-15 könnte zwei der GBU-28 Bunkerbrecher transportieren, und die F-16 könnten mit kleineren Bomben bewaffnet werden.»
Rühle schreibt, dass die Überwachungs- «Informationen über Natanz solide sind», und fügt hinzu, dass das «Projekt durch Satelliten überwacht wurde und von der Stelle aus durch ‹israelische Touristen› beobachtet wurde».
Er fügte hinzu, dass Israels stärkste bunkerbrechende Bomben, die GBU-28, das Dach der Anlage zerstören könnten. Wenn der Schaden nicht ausreicht, könnte eine zweite GBU-28 abgeworfen werden, um das Ziel der Zerstörung zu vollenden.
Laut Rühle war Israels erfolgreiche Vernichtung des syrischen Atomreaktors im Jahr 2007 ein wichtiger Präzedenzfall. Er schreibt, dass «viele Experten glauben», dass Schläge gegen Irans Atomprogramm, ausgehend vom derzeitigen Kenntnisstand, das Programm um 10 Jahre zurückwerfen könnten oder möglicherweise länger.
Bei den Kampfflugzeugen würden 20 F-15-Maschinen benötigt, jede bestückt mit zwei GBU-28. Er schätzt, dass Israels Luftwaffe mehr als 87 F-15-Flugzeuge zur Verfügung hat. Die Nuklear-Konversionsanlage von Isfahan, die für Angriffe sehr anfällig ist, weil ihre Gebäude nicht unterirdisch sind, könnte mit GBU-27-Bomben eliminiert werden. Isfahan wandelt den Yellowcake [ein Gemisch von Uranverbindungen] in Uran um.
Die geringste Herausforderung für Israels Luftwaffe sei der Schwerwasserreaktor Arak, bemerkt Rühle. Die oberirdische Anlage könnte mit 10 GBU-10-Bomben dem Erdboden gleichgemacht werden, schrieb Rühle. Der Schlag würde 10 F-16-Kampfflugzeuge erfordern.
Laut Rühle ist die am schwierigsten zu zerstörende Anlage die unterirdische Urananreicherungsanlage Fordow. Er bemerkt, dass spezielle Einheiten die Anlage angreifen müssten.
Die Alternative wäre, die Tunnelöffnungen mit GBU-28-Bomben zu treffen, um die Einstiegspunkte für eine gewisse Zeit unzugänglich zu machen.
Die komplexe Anlage Parchin bleibt ausserhalb der Inspektionen der Internationalen Atomenergiebehörde, und es ist unklar, wie viele Bomben es brauchen würde, um die Gebäude zu zerstören, von denen viele unter der Erde liegen. Man glaubt, dass in der Anlage Parchin Atomsprengköpfe aufbereitet werden.
Rühle betrachtet das Atomkraftwerk Buschehr als mögliches primäres militärisches Ziel, vor allem, weil die Plutoniumanlagen für Waffen benutzt werden können. Im Gegensatz zum US-Aussenministerium, das die Anlage von Buschehr als ziviles Energieprogramm ohne militärische Dimension ansieht, schreibt Rühle, dass «die Zerstörung von Buschehr kein Problem für die israelische Armee sein sollte – 10 GBU-28- oder GBU-27-Bomben würden genügen».
Er zitiert einen hochrangigen Vertreter aus der Klasse der israelischen Atomexperten, der im vergangenen Jahr in Berlin war. Der israelische Experte sagte in Buschehr: «Wir können mit diesem Reaktor [in Busheher] nicht leben», weil er die Verbreitung von kernwaffenfähigem Material nicht verhindert.
Rühle fügt hinzu, dass das Problem für eine Generation gelöst ist, wenn Israel wesentliche Teile von Irans Atomprogramm vernichten kann.
Sein Aufsatz ist voll von einer Art höchstem Vertrauen in die Fähigkeit der israelischen Militärsysteme.
«Israels Luftwaffe ist erstklassig», schreibt Rühle. «Seine Piloten sind von der Geschichte Israels und von den ständigen Gefahren, die vom jüdischen Staat gesehen werden, geprägt.»
Obwohl Rühle das Betanken der israelischen Kampfjets als ein heikles Problem ansieht, weil Israel nur fünf Tankflugzeuge vom Typ KC-130H und vier der Kategorie B-700 hat, sagte er, er glaube, dass die Anzahl grösser ist.
Er nennt die allgemein bekannte Anzahl an Luftbetankungsflugzeugen ein «eher mageres Angebot», stellt aber fest, dass Israels Regierung gebeten hatte, von der Administration des US-Präsidenten George W. Bush zusätzliche Betankungstanker zu kaufen oder zu leasen. Er fügt hinzu, dass Israels Luftwaffe Fachkompetenz über den Prozess des «Buddy-Refuelings» zwischen F-15- und F-16-Flugzeugen hat. Es bestehe auch die Möglichkeit einer vorübergehenden Landung zum Tanken in Syrien, der Türkei oder Irak, bemerkte Rühle.     •

Quelle: «Jerusalem Post» vom 21.2.2012
Übersetzung Zeit-Fragen

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zf. Im zweiten Weltkrieg wurde der Winterfeldzug gegen Russland entgegen der Einschätzung der Generäle losgetreten – von Hitler. Will Hans Rühle in diese Fussstapfen treten? Woher nimmt er seine Sicherheit? Oder handelt es sich schlicht um einen «ausgeweiteten Grössenwahn», der bald psychiatrische Kategorien übersteigt? Gehört seine Propaganda zur Belobigung Deutschlands als «world leader», die der stellvertretende israelische Aussenminister Daniel Ayolon in München am 3. Februar 2012 ausgesprochen hat?
Vergessen ist wohl folgendes, und daher sollte daran erinnert werden: Die Samson-Option bedeutet, dass Israel selbst vernichtet werden wird, sollte es einen Krieg gegen Russ­land oder auch Iran beginnen. Also eine Option für Selbstmord, für die Hans Rühle plädiert?
Seymour Hersh gibt in seinem Buch «Atommacht Israel» eine Gesprächssituation mit Rabin wieder, aus der hervorgeht, dass man sich in Israel schon lange sehr wohl der Gefahr eines kollektiven Selbstmords bewusst war: Ein hochrangiger Amerikaner warnte Rabin mit den Worten, Israel solle nie eine Bombe abwerfen, denn sonst würde seine Regierung verschwinden. Rabin antwortete ihm, ob man ihn denn für verrückt halte …
Der deutsche Hans Rühle ruft auf für den Krieg von Israel gegen Iran. Sollte man denn davon ausgehen, dass Hans Rühle mit der Samson-Option spielt? Dass der Krieg nuklear geführt werden wird, ist wohl kein Geheimnis. Die Frage bleibt nur offen, mit welchen «Artilleriegranaten» (Seymour Hersh).Sind sie amerikanischer Herkunft? Deutscher Herkunft? Mit deutschem Know How fabriziert, dann gelagert, zum Assemblieren innerhalb einer Woche? •

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