«Ende eines Schulsystems»

«Ende eines Schulsystems»

Antrittsbesuch von Bundespräsident Gauck im Ländle –

Abstimmungshilfe für umstrittenes Gesetz fein eingefädelt?

ew. «Ende eines Schulsystems» titelt der «Südkurier» aus Konstanz einen Tag nach der «Historischen Abstimmung im Stuttgarter Landtag». Wer bis heute das Ausmass des rot-grünen Gesetzes nicht erfasst haben sollte, der «Südkurier» fasst es kurz und treffend zusammen: Die Gemeinschaftsschule, von vielen als eine weitere Schulform neben den anderen angesehen, wird de facto als Regelschule installiert und soll laut Gesetz (Landtag B-W, 15. Wahlperiode, Drucksache 15/1466, A. Zielsetzung) das dreigliedrige Schulsystem in Baden-Württemberg überwinden. So der Gesetzestext. Auch jetzt sei noch jedem empfohlen, das Gesetz zu studieren, um seine Stimme auch jetzt noch gegen eine Antipädagogik zu erheben, wie sie Deutschland schon lange nicht mehr erlebt hat.
Was den grünen Kretschmann erfreute, verärgerte die CDU: die Route des Antrittsbesuches des neugewählten Bundespräsidenten. Diese Route endete nämlich beim grünen Oberbürgermeister Palmer in Tübingen, wo Gauck die Geschwister-Scholl-Schule besuchte. Vor Jahren als integrierte Gesamtschule geplant, dann aber nur als additive Gesamtschule eingeführt, wird sie jetzt zu einer «Vorzeigeschule» der Grünen als gelungene Gemeinschaftsschule. Dazu der «Südkurier»: «In jedem Fall aber beeinflusste Kretschmanns Staatsministerium, wohin für Gauck in Baden-Württemberg die Reise geht.» Der Bundespräsident als Abstimmungshelfer für das neue Schulgesetz? Dieser Eindruck ist so leicht nicht zu verwischen, stand die Route doch schon lange vor seinem Besuch fest und konnte so, mit seinem Willen oder gegen seinen Willen, wunderbar instrumentalisiert werden. Der CDU-Fraktionschef Peter Hauk brachte es dann auf den Punkt: «Das ist eine Hommage an die Grünen, so wird durchregiert.»
Wie war das noch im Staatsbürgerkunde­unterricht, den es so schon lange nicht mehr gibt in deutschen Landen? In der Weimarer Verfassung (WV) hatte der Reichspräsident eine quasi kaiserliche Stellung. Artikel 48 der WV konnte ihn zum Diktator machen, was dann auch geschah. Um diese Machtfülle zu beschneiden, wurde das Amt des Bundespräsidenten im Grundgesetz auf reine Repräsentationsfunktionen zugeschnitten. Eine weitere, erheblich wichtigere Aufgabe ist die Anerkennung eines Bundesgesetzes durch seine Unterschrift. Verweigert er die Unterschrift, geht das Gesetz zurück an den Bundestag. Da sich die Gesetze am Geiste der Verfassung messen lassen müssen, ist das Amt des Bundespräsidenten das eines obersten Verfassungsschützers. Dieses Amt muss mit viel Feingefühl, einem tiefgründigen Staatsrechtsverständnis und einer besonderen Form von Würde ausgeübt werden. Deshalb ist dieses Amt auch jedem parteipolitischen Gezänk entzogen. Wie aber ist der Amtsinhaber zu charakterisieren, der bereits bei seinem ersten Antrittsbesuch in den Bundesländern eindeutig parteipolitisch Stellung nimmt? Zwei Bundespräsidenten muss­ten den Hut nehmen, weil sie sich zu wenig botmässig verhalten haben. Ist dieser Amtsinhaber der passende?
«Wir zeigen dem Bundespräsidenten, was geht – und nicht, was nicht geht.» So kommentierte Kretschmann die Auswahl der Gemeinschaftsschule als Besuchsort für den Präsidenten. Eine unglaubliche Vermessenheit in Anbetracht der äusserst guten Ergebnisse bei Schülerleistungen aus Baden-Württemberg. Die propagandistische Deklamation des «Besseren» ersetzt nicht den ausstehenden Beweis. Der Ländervergleich spricht eigentlich für sich. Das bewährte und entwicklungsfähige Schulsystem wurde über Jahrzehnte aufgebaut und wird jetzt mit einem Federstrich dem Abrissprozess preisgegeben. Ein Schulartenvergleich ist dann nicht mehr möglich.
Die Bürger in Baden-Württemberg sollten den Hamburger Weg gehen: Damit würde Einmischungen von höchster Stelle in einer ausgewiesenen Ländersache, was das Schulwesen laut Verfassung immer noch ist, der Bürgerwille entgegengesetzt.    •

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