km. Ein Jahr nach dem Amtsantritt der grün-roten Regierung im benachbarten Baden-Württemberg wird die Bilanz der Regierung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann in den Medien des Landes unterschiedlich bewertet. Viel Kritik gibt es an der Schulpolitik der Landesregierung. Die «Schwäbische Zeitung» titelte am 11. Mai mit «Grün-roter Galopp durch Schulpolitik» und beklagte die Eile, mit der das Schulsystem des Landes umgekrempelt wird. Die für die Schulpolitik zuständige Kultusministerin Warminski-Leitheusser sollte, so schreibt die Zeitung, ursprünglich einmal als forsche Politikerin die Verkörperung des grün-roten Aufbruchs sein. Nun mache sie aber im Landtag keine gute Figur, sie rede wenig konkret und warte mit wenig neuen Gedanken auf. Selbst im eigenen Ministerium, so die Zeitung weiter, agiere die Ministerin «recht glücklos». Schon vor Weihnachten hatte der Abteilungsleiter der Ministerin einen Brief geschrieben, in dem er beklagte, dass sich die Führung abschotte und voller Misstrauen gegenüber dem eigenen Ministerium handle.
Besonders viel Kritik erfährt das grün-rote Projekt der sogenannten Gemeinschaftsschule. Trotz der Versuche der Ministerin und ihres Stabsstellenleiters, kritische Schulleiter zu massregeln – der Fall eines Schulleiters aus der Landeshauptstadt Stuttgart wurde vor zwei Wochen öffentlich bekannt –, ist auch in den Medien immer wieder von kritischen Schulleiterstimmen zu hören. Ein Realschulleiter aus Tuttlingen wird in der «Schwäbischen Zeitung» vom 8. Mai mit den Worten zitiert, bei den grün-roten Schulmodellen werde «zuwenig an die Realität gedacht». Die «Modellschule» des Schweizer Privatschulunternehmers Peter Fratton in Romanshorn, wo derzeit regelmässig baden-württembergische Schulleiter und Lehrer hingefahren werden, hat für diesen Schulleiter wenig Überzeugungskraft: «Lehrer sind auch Erzieher. Sie wollen nicht in den Hintergrund treten, sondern eine aktive Rolle spielen.» Eine «reine Moderatorenrolle» für Lehrer könne er als Schulleiter nicht gutheissen. Er befürchtet, dass mit dem Modell von Fratton «ein völlig neues Rollenbild von Pädagogen geschaffen» werden soll.
Peter Fratton hatte 2008 vor der Landtagsfraktion der Grünen in Baden-Württemberg vorgetragen, seine Angestellten seien keine Lehrer mehr, sondern nur noch «Lernbegleiter». Er erwarte von ihnen, dass sie vor Dienstantritt folgende vermeintliche Schülerbitten – Fratton nennt sie «Urbitten» – für ihre Arbeit akzeptieren: «Bringe mir nichts bei, erkläre mir nichts, erziehe mich nicht, motiviere mich nicht.» Derselbe Peter Fratton, so war zwei Pressemitteilungen des baden-württembergischen Kultusministeriums vom 27. April und 4. Mai zu entnehmen, soll Mitglied einer neuen ministeriellen Expertenkommission für eine «neue» Lehrerausbildung in Baden-Württemberg sein und im kommenden Schuljahr 56 bisherige Lehrer an den neu gegründeten Gemeinschaftsschulen zu ebensolchen «Lernbegleitern» umbilden.
Die «Stuttgarter Zeitung», eine der wichtigsten Tageszeitungen in Baden-Württemberg, titelte am 10. Mai in ihrer Internetausgabe: «Schulpolitik überzeugt nicht». Die Zeitung hat eine Befragung zur Schulpolitik der grün-roten Landesregierung durchgeführt und kommt zum Ergebnis, dass «mehr als die Hälfte (54 Prozent) der Befragten mit der Schul- und Bildungspolitik weniger bis gar nicht zufrieden» sind. Von den Umfrageteilnehmern, die schulpflichtige Kinder haben, sind sogar 47 Prozent weniger und 22 Prozent gar nicht angetan von der Arbeit der Kultusministerin. Die Kritik gilt auch dem Projekt der sogenannten Gemeinschaftsschule. Bei Eltern mit schulpflichtigen Kindern gibt es bei 51 Prozent der Befragten eine ablehnende Haltung. Und bei denjenigen, deren Schulzeit noch nicht lange zurückliegt, ist die Ablehnung sogar noch grösser: sie liegt bei 61 Prozent.
Diese Zahlen sind um so bemerkenswerter, als sie nicht der veröffentlichten Meinung entsprechen. Auch mit aller Propaganda ist es der grün-roten Landesregierung nicht gelungen, den kritischen Verstand der Bürgerinnen und Bürger zu beeinträchtigen.
Dass nun auch der grüne Ministerpräsident auf ein wenig Abstand zu seinem anfänglichen Lieblingsprojekt zu gehen scheint – das war aus den Reihen des Landtags zu hören und wird auch in Medien des Landes berichtet –, ist ganz besonders bemerkenswert. Wie zu hören ist, sind es nicht die Sachargumente, die Kretschmann überzeugt haben sollen. Aber die Angst vor dem Machtverlust soll sehr gross sein. •
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