von Dr. phil. René Roca
«Nur wer das Stimmvolk hinter sich weiss,
kann im Interesse der Schweiz handeln!»
Die Volksinitiative «Für die Stärkung der Volksrechte in der Aussenpolitik (Staatsverträge vors Volk!)», die am 17. Juni zur Abstimmung kommt, wurde von der überparteilichen Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS) eingereicht. Sie ist eine sinnvolle und wichtige Weiterentwicklung der schweizerischen direkten Demokratie und bewirkt, dass die Mitwirkungsmöglichkeiten in der Aussenpolitik ausgebaut werden.
Über welche Staatsverträge kann die Schweizer Bevölkerung bereits mittels obligatorischen Referendums abstimmen? Bisher sind nur «der Beitritt zu Organisationen für kollektive Sicherheit oder zu supranationalen Gemeinschaften» (BV, Art. 140 Abs. 1 bst. b) einem obligatorischen Referendum unterstellt. Die weiteren völkerrechtlichen Verträge unterliegen dem fakultativen Referendum, das heisst, diese benötigen das Sammeln von 50 000 Unterschriften in 100 Tagen. Kommt das Referendum zustande, genügt bei der Abstimmung das einfache Mehr (Volksmehr). Aber selbst bei solchen Staatsverträgen, die eigentlich dem fakultativen Referendum unterliegen, kommt es regelmässig zu juristischen Winkelzügen, welche das Ziel haben, das Volk als Souverän zu schwächen oder gar zu umgehen.
Die Volksinitiative «Staatsverträge vors Volk!» macht nun einen wichtigen Anfang, um Ordnung in die Aussenpolitik zu bringen. Sie will das obligatorische Referendum bei Staatsverträgen ausdehnen und die Bundesverfassung wie folgt ändern:
«Art. 140 Abs. 1 (bst.), d (neu)
Volk und Ständen werden zur Abstimmung unterbreitet:
d. die völkerrechtlichen Verträge, die:
1. eine multilaterale Rechtsvereinheitlichung in wichtigen Bereichen herbeiführen.
2. die Schweiz verpflichten, zukünftige rechtsetzende Bestimmungen in wichtigen Bereichen zu übernehmen.
3. Rechtsprechungszuständigkeiten in wichtigen Bereichen an ausländische oder internationale Institutionen übertragen.
4. neue einmalige Ausgaben von mehr als 1 Milliarde Franken oder neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 100 Millionen Franken nach sich ziehen.»
Welche konkreten Sachvorlagen bzw. Staatsverträge wären in Zukunft dem obligatorischen Referendum unterstellt? Sicher alle weiteren bilateralen Verträge mit der Europäischen Union (EU), also die künftige Übernahme von EU-Recht, dann weiter das Ansinnen, die Schweiz der EU-Gerichtsbarkeit zu unterwerfen, oder der Plan, weitere bilaterale Verträge mittels Rahmenvertrag zu regeln. Aber auch über Milliardenzahlungen an den Internationalen Währungsfonds (IWF) müsste der Souverän inskünftig automatisch abstimmen. Auch bei Bildungsabkommen, wie sie z. B. Bundesrat Burkhalter im Januar 2010 mit der EU abgeschlossen hat, muss der Bürger das letzte Wort haben. Gerade in diesem Bereich lässt sich der Bürger nicht hintergehen.
Das Parlament, wenn es denn sachliche Politik im Sinne unseres Landes betreibt, kann in weniger wichtigen Bereichen immer noch von einer Abstimmung absehen. Aber der Druck auf Regierung und Parlament wäre entscheidend erhöht, in tatsächlich wichtigen Bereichen einen Staatsvertrag dem obligatorischen Referendum zu unterstellen. Auf diese Weise werden klarer als bisher aussenpolitische Verhandlungen und geplante Anbindungen der Schweiz offengelegt und können diskutiert werden. Damit hat der Souverän auch die Gewähr, dass Verträge in Zukunft nicht in irgendwelchen Hinterzimmern, unter Ausschluss der Öffentlichkeit, ausgehandelt und abgeschlossen werden. So wird dem Öffentlichkeitsprinzip, einem der zentralen Grundprinzipien in einer direkten Demokratie, mehr Nachachtung verschafft, und die Moral der Politiker wird in dem Sinne gestärkt, dass sie ihre Pläne ehrlich auf den Tisch legen müssen.
Mit der Annahme der Initiative wird für wichtige Staatsverträge nicht nur das sehr aufwendige Sammeln für ein fakultatives Referendum wegfallen, sondern auch die Stellung der Kantone wieder gestärkt. Die Kantone bilden laut Bundesverfassung zusammen mit dem Volk den Souverän, also die oberste Entscheidungsinstanz. Das kantonale Gewicht wird aber bei einem fakultativen Referendum gänzlich negiert, da lediglich das Volksmehr zählt. Bei einem obligatorischen Referendum hingegen zählt das sogenannte doppelte Mehr. Das Ständemehr wurde 1848 in die Bundesverfassung integriert, um dem Föderalismus in der Schweiz eine tragfähige Basis zu verschaffen. Den schweizerischen Föderalismus stärkten die Gründungsväter zusätzlich, indem sie den Ständerat als gleichberechtigte zweite Kammer des Parlamentes und die kantonale Schul- und Kirchenhoheit durchsetzten. Diese föderalistische Grundlage müssen wir heute wieder stärken. In letzter Zeit fällt nämlich auf, dass bestimmte politische Kreise in der Schweiz nur noch dem Prinzip «Global – Lokal» frönen und damit den Nationalstaat und die Kantonsebene zunehmend negieren.
Der Bundesrat argumentiert, die Initiative «Staatsverträge vors Volk!» erschwere die internationale Zusammenarbeit und könne sich nachteilig auf die Schweiz und ihre Wirtschaft auswirken. Das Gegenteil wird der Fall sein! Mit einem Ja wird die aussenpolitische Glaubwürdigkeit der Schweiz gestärkt. Das Initiativkomitee hält den bundesrätlichen Argumenten den sinnigen Satz entgegen: «Nur wer das Stimmvolk hinter sich weiss, kann im Interesse der Schweiz handeln!»
Als weiteres Argument gegen die Initiative bringt der Bundesrat ein, die Bevölkerung werde bei Annahme der Initiative zuviel an die Urne gerufen. Damit wird unterstellt, dass die Stimmbevölkerung überfordert sei und die Komplexität von aussenpolitischen Verhandlungen nicht verstehe. Dem ist entgegenzuhalten, dass solche Argumente immer angeführt wurden, wenn es darum ging, in der Schweiz mehr direkte Demokratie einzuführen. Während des 19. Jahrhunderts mussten ländlich geprägte Volksbewegungen den damaligen politischen Eliten jegliches Mitspracherecht mühsamst abringen. Schon damals warnten vor allem liberale Kreise vor einer «Pöbelherrschaft». Diese Kreise malten, falls die Kantone und der Bund die direkte Demokratie einführen würden, bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung der Schweiz den Teufel an die Wand. Trotzdem vermochten mit der Zeit Volksbewegungen im Zuge langer politischer Kämpfe in allen Kantonen und auch auf Bundesebene die direktdemokratischen Instrumente der Initiative und des Referendums durchzusetzen. Tatsächlich konnte die Schweiz im Laufe des 19. Jahrhunderts gerade mit Hilfe der direkten Demokratie ein sehr erfolgreiches Wirtschaftsmodell aufbauen.
Auch die erste Vorlage, welche Staatsverträge betraf, musste 1921 mit einer Initiative durchgesetzt werden. Die Initiative wollte unbefristete und unkündbare Staatsverträge dem Referendum unterstellen und wurde schliesslich mit 71,3% Ja-Stimmen deutlich angenommen. Seither wurde das Staatsvertragsreferendum zweimal ausgebaut, nämlich in den Jahren 1977 und 2003. Nun ist mit der Initiative «Staatsverträge vors Volk!» und mit der gezielten Ausweitung des obligatorischen Referendums bei Staatsverträgen ein weiterer Schritt notwendig.
Mit der Initiative wird die nationale Souveränität der Schweiz gestärkt. Die Schweizer Stimmbevölkerung ist aussenpolitisch nur dann wirklich handlungsfähig, wenn sie bei Staatsverträgen mitreden kann. Unsere bewährte politische Kultur beinhaltet eine offene und ehrliche Diskussion über alle Pläne, wie mit dem Ausland die Zusammenarbeit gestaltet werden soll. Gewisse politische Kreise, die mit Staatsverträgen immer mehr fremdes Recht und auch dessen Weiterentwicklung (also Folgerecht, das wir beim Vertragsabschluss noch gar nicht kennen) übernehmen wollen, seien noch an folgendes erinnert: Schon im ersten Bundesbrief 1291 beschlossen die Urschweizer angesichts der «Arglist der Zeit und damit sie sich eher verteidigen können» folgendes: «In gemeinsamem Rat haben wir auch angeordnet, dass wir keinen Richter annehmen, der sein Amt um irgendeinen Preis oder um Geld erworben hätte oder der nicht unser Landsmann wäre.»
Dieser sogenannte «Richterartikel» zeigt gut auf, um was es auch heute geht. Die Schweiz darf nicht Staatsverträge abschliessen, die uns ohne demokratische Mitbestimmung an fremdes Recht und an fremde Richter binden. Wir müssen der weiteren Anbindung an die morsche EU und an andere internationale Grossgebilde eine deutliche Absage erteilen. Statt dessen muss die Schweiz den Weg der Knechtschaft endlich verlassen und mit Bezug auf den Bundesbrief den ursprünglichen Bund wieder stärken und selbstbewusst als souveränes Land auftreten. Die Initiative «Staatsverträge vors Volk!» leistet dazu einen wichtigen Beitrag. •
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