Stellungnahmen aus dem Bundeshaus zum Besuch von Bundesrat Burkhalter bei der Nato in Chicago

«Anpassungsbewegung der Schweiz an die USA ist problematisch»

Interview mit Nationalrat Carlo Sommaruga, SP/GE

Zeit-Fragen: Wie beurteilen Sie den Auftritt von Bundesrat Burkhalter vor der Nato in Chicago? In den letzten Jahren hat sich die Nato immer mehr als imperiales Kriegsbündnis entpuppt. Da ist es besonders unangebracht, wenn ein neutraler Staat durch ein Mitglied der Regierung am Nato-Gipfel vertreten wird. Wie beurteilen Sie das?

Nationalrat Carlo Sommaruga: Nicht die Präsenz unseres Bundesrates für auswärtige Angelegenheiten war problematisch, sondern die Willensbekundung, die Schweiz enger an die Nato anzubinden. Das steht im Widerspruch zur Neutralität – selbst der aktiven – und zum Bestreben der Schweiz, die Uno als Weltversammlung und den Sicherheitsrat als Ort zur Entwicklung der kollektiven Sicherheit zu stärken.
Die Nato ist eine militärische Organisation zur Verteidigung strategischer Interessen der USA und der Länder, die in ihrem hegemonialen Kielwasser mitschwimmen. Es gibt in der Tat eine Anpassungsbewegung der Schweiz an die USA, die problematisch ist.

Bundesrat Burkhalter will sich im Jahre 2014, wenn die Schweiz den Vorsitz in der OSZE hat, für eine engere Zusammenarbeit zwischen Nato und OSZE einsetzen. Wie beurteilen Sie dieses Vorgehen?

Das ist ein tiefgreifender Fehler. Die OSZE ist ein Ort des Dialoges und entwickelt sich immer mehr zu einem universellen Instrument unserer demokratischen Werte und der Menschenrechte. Dass sich die Schweiz und Serbien das Präsidium teilen, ist ein lebendiges Beispiel dafür. Die Nato ist ein Ort, an dem Machtverhältnisse zur Verteidigung der Interessen einer Supermacht geschaffen werden.

Wie beurteilen Sie die von Bundesrat Burk­halter angekündigte Zusammenarbeit zwischen der Nato und der Schweiz bei der Bekämpfung von Cyber-Angriffen?

Der konventionelle Krieg war der Krieg des 19. und 20. Jahrhunderts. Der Cyber-Krieg ist derjenige des 21. Jahrhunderts. Die durch die Westmächte gegen Iran freigesetzten Viren Stuxnet und Flame sind dafür die besten Beispiele. Die Zusammenarbeit mit der Nato, sprich mit den USA, auf dem Gebiet der Cyber-Abwehr zu intensivieren, heisst ganz klar, sich der militärischen Strategie der USA anzuschliessen. Eine unabhängige Strategie der Zusammenarbeit mit neutralen Staaten wäre viel sinnvoller.

Didier Burkhalter strebt, wie er es auch bereits in der SIK getan hat, grundsätzlich eine engere Zusammenarbeit mit der Nato an. Was sagen Sie dazu, und wie kann man verhindern, dass unser Land ein Anhängsel des US-Imperiums wird und in völkerrechtswidrige Kriege hineingezogen wird?  

Es ist wichtig, die Uno ins Zentrum zu stellen und sich für die Stärkung und Demokratisierung ihrer Instanzen einzusetzen: die Verteidigung der Menschenrechte, sich für deren Verteidigung überall auf der Welt einzusetzen, in China, in Russland und sogar in den USA und bei ihren Verbündeten. Die schweizerische aktive Neutralität muss wieder aus der Versenkung hervorgeholt werden, wohin Didier Burkhalter sie nach seinem Amtsantritt befördert hat. Damit kann wieder eine echte Diplomatie der Werte reaktiviert werden, und nicht eine der kurzfristigen Interessen und der Schutzsuche bei der Weltmacht.
Sich hinter einer Mischung von Werten und Interessen zu verstecken, heisst im Klartext, die echten Werte aufzugeben und sich aus militärischen oder ökonomischen Interessen den Mächtigen anzupassen.     •

«Bei der Nato haben wir nichts zu suchen»

Interview mit Nationalrat Jakob Büchler, CVP/SG

Zeit-Fragen: Bundesrat Burkhalter hat bei der Nato einen umstrittenen Auftritt gehabt. Was sagen Sie als ehemaliger Präsident der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats dazu?

Nationalrat Jakob Büchler: Ich war erstaunt, dass sich Bundesrat Burkhalter auf dem politischen Parkett so bewegt hat, als wenn wir ein Nato-Mitglied wären. Es hat mich auch grundsätzlich erstaunt, dass er in Chicago dabei war. Er war auch in den Medien und hat am Schweizer Fernsehen Fragen beantwortet. Das ist schon alles sehr sonderbar, denn die Schweiz hat bei Nato-Entscheiden nichts mitzureden. Wir sind kein Mitglied, wir zahlen auch nichts, also haben wir auch dort nichts zu suchen.

Burkhalter hat in Chicago gesagt, wenn die Schweiz in zwei Jahren den Vorsitz der OSZE habe, werde er sich für eine engere Zusammenarbeit mit der Nato einsetzen. Das erstaunt schon, dass der Vorsteher des Departements des Äusseren eines neutralen Staates, in dem 95 Prozent der Schweizer Bevölkerung möchten, dass die Schweiz neutral bleibt, sich bei der Nato, einem Kriegsbündnis, anbiedert. Wie beurteilen Sie das?

OSZE und Nato lassen sich weder vergleichen noch gehören sie zusammen. Die OSZE macht Wahlbeobachtungen, die schaut, ob die Menschenrechte eingehalten werden usw. Sie hat nichts mit Krieg und Aggression zu tun.
Die Nato ist ein rein militärisches Bündnis, das seinen Ursprung im Kalten Krieg hatte. Heute sucht die Nato vielfach ihre Aufgabe. Sie glaubt, Afghanistan in Ordnung zu bringen, was ihr aber nicht gelingen wird. Wenn man das Land 2014 verlassen wird, wird es dort sehr schwierig werden, das Land geordnet zurückzulassen oder gar zu demokratisieren.
Das wird so nicht gehen. Was dann daraus wird, weiss niemand, das muss sich erst noch zeigen.

Was ist die Rolle der Nato heute?

Libyen hat uns gezeigt, dass die Nato nicht mehr nur als Verteidigungsbündnis funktioniert. Auf dem Nato-Gipfel in Budapest, bei dem ich als Parlamentarier eingeladen war, hat man erzählt, dass man Libyen mit 10  000 Luftschlägen angegriffen hat, ohne dass nur ein Soldat einen Fuss in dieses Land setzen musste. Was das für Folgen hat, wird sich erst in der Zukunft weisen. Gaddafi hat 5 000 Raketen hinterlassen Boden-Luft- und Boden-Boden Raketen. Die sind nun in den Händen von al-Kaida oder sonstigen Rebellen, und niemand weiss, wo die wieder auftauchen, vielleicht bei den «syrischen Freiheitskämpfern». Da wird die Nato dann wieder irgendwann damit konfrontiert werden.
Also wie gesagt: Ich frage mich schon, was Bundesrat Burkhalter dort bewirken möchte. Das Schweizer Volk möchte nicht in die Nato, das Schweizer Volk will an der Neutralität festhalten, und das will auch ich. Also gibt es keine Liebäugeleien mit einem Nato-Beitritt, so wenig wie mit einem EU-Beitritt.
Es hat mich schon erstaunt, dass er da bei der Nato die Türklinken geputzt hat.    •

«Nato kein guter Partner für die Schweiz»

Interview mit Nationalrat Ueli Leuenberger, GPS/GE

Zeit-Fragen: Was sagen Sie zum Besuch Bundesrat Burkhalters bei der Nato in Chicago?

Nationalrat Ueli Leuenberger: Sein ­Besuch dort stört mich nicht. Was mich stört sind die Erklärungen für eine engere Zusammen­arbeit mit der Nato usw. Ich will natürlich schon genauer wissen, was das für ein Projekt ist.

Was stört Sie an einer engeren Zusammenarbeit mit der Nato?

Ich bin gegen eine engere Zusammenarbeit mit der Nato. Die Schweiz muss innerhalb von der Uno aktiv sein. Die Nato ist für mich im Moment kein guter Partner für die Schweiz.

Was ist die Nato für Sie?

Sie ist immer noch zu einem grossen Teil ein Instrument von ein paar grossen Staaten, vor allem von den USA. Je nachdem, wer in den USA an der Regierung ist, haben wir gesehen, wie sie in Kriegen intervenieren usw. Ich bin gegen Auslandeinsätze der Schweizer Armee, ausser es wäre im Rahmen der Uno, dann müsste man es diskutieren. Jetzt Beziehungen oder Zusammenarbeit mit der Nato zu vertiefen, ist sicher keine Priorität der Schweiz und politisch falsch.

Dann hätte man Ihrer Meinung nach auch einen Botschafter als Beobachter dort hinschicken können?

Man kann sich schon Fragen, was er dort zu suchen hat und ob das so notwendig gewesen ist. Aber das Resultat hat es gezeigt, dass der Herr Burkhalter der Beziehung mehr Gewicht geben möchte. Ich hoffe, dass es in der zuständigen Kommission, der Sicherheits­politischen oder der Aussenpolitischen Kommission, auch diskutiert wird und die Karten auf den Tisch gelegt werden.    •

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