Wie wird die «griechische Tragödie» enden?

Wie wird die «griechische Tragödie» enden?

ww. Diese Frage stellen sich heute die Politiker und die politischen Beobachter auf der ganzen Welt. – Wird das stolze, freiheitsbewusste Land den Euro aufgeben und mit einer eigenen Währung, der Drachme, eigene Wege gehen? Die Drachme ist eine der ältesten Währungen der Welt. Schon vor 2500 Jahren wurde damit in Athen bezahlt. Grosse Banken in den europäischen Ländern befürchten zu Recht Verluste. Ihnen nahestehende Kommentatoren und Journalisten zeichnen deshalb ein sehr düsteres Bild von den Risiken dieser Währungsumstellung und raten davon ab. Die Drachme würde schwach sein. Die Arbeitslosigkeit würde weiter hochschnellen, und Importe würden teuer werden. Die Schulden wüchsen den Griechen über den Kopf und soziale Unruhen brächen aus. Andere Länder gerieten mit in den Strudel, so dass die Folgen für das Euro-System und für «Europa» unkalkulierbar wären. – Ist dieses rabenschwarze Bild wirklich realistisch?
In Island verläuft die Entwicklung ganz anders. Hier haben zwei systemrelevante, global tätige Grossbanken Konkurs gemacht. Eine weitere Bank wurde verstaatlicht und der Staat war fast pleite. Der Konkurs der Banken wurde abgewickelt, ohne dass die Schalter geschlossen, der Zahlungsverkehr eingestellt und die Bankautomaten abgeschaltet wurden. Die Spareinlagen der Bürger waren gesichert. Zeit-Fragen hat darüber berichtet. Die Stimmbürger beschlossen in zwei Volksabstimmungen, spekulative Gelder aus dem Ausland (die von hohen Zinsen profitierten) nicht mit Steuergeldern zurückzuzahlen. Das Land wertete die Währung ab, führte Kapitalverkehrskontrollen ein und ist nach relativ kurzer Zeit mit eigener Anstrengung bereits wieder auf dem Weg der Besserung und kann die Hilfskredite wieder zurückzahlen. Island ist ein Beispiel dafür, was mit eigener Anstrengung möglich ist. Moody’s und Standard & Poors haben das Rating für Island bereits wieder hinaufgesetzt.
Und Griechenland? Zweifellos wäre die neue Währung schwach und die Importe würden teuer. Griechenland importiert heute doppelt soviel, wie es exportiert. Das ist jedoch nicht in Stein gemeisselt. Warum soll Griechenland Kühlschränke, Haushaltgeräte und andere Gebrauchsgüter nicht selber herstellen, statt sie aus Deutschland zu importieren? Gut ausgebildete Arbeitskräfte, die heute arbeitslos sind, stehen bereit. Griechenland, ein Land der Schafe, importiert sogar Lammfleisch aus Neuseeland. Das ist absurd. Auch für den Export und den Tourismus hätte eine eigene Währung Vorteile: Die heute teuren Hotels in diesem von der Natur verwöhnten Land würden für die Touristen wieder billig, sie wären bald wieder voll und müssten neue Mitarbeiter einstellen. Die Arbeitslosigkeit würde sinken, weil alle mithelfen, das Haus wieder in Ordnung zu bringen und Fehlentwicklungen zu korrigieren. – Diese Perspektive ist gangbar, wenn der Wille dazu vorhanden ist. Die andern EU-Länder könnten dabei behilflich sein.
Zudem würde der Euro ja nicht verschwinden, sondern weiterhin als Zahlungsmittel verwendet werden – wie es zum Beispiel auch in der Schweiz mit dem Franken der Fall ist. Denn die ersparten Euros auf den Konten (die heute staatlich garantiert sind) würden stehen bleiben und könnten weiterhin verwendet werden. Ein Zwangsumtausch der privaten Ersparnisse wäre gar nicht nötig. Die Löhne und Renten würden künftig mit Drachmen ausbezahlt und die Preise in Drachmen lauten. Mietzinsen, andere Verpflichtungen und Schulden würden – den Einkommen entsprechend – in die Landeswährung umgerechnet. Die griechische Nationalbank wird genügend Drachmen für die Umstellung zur Verfügung stellen. Eine Währungsumstellung dieser Art wäre bei weitem nicht so drastisch wie die Währungsreform in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie könnte Modellcharakter haben und die verkrampfte Diskussion um den Euro entspannen.
Die Griechen werden es auf die Länge nicht hinnehmen, auf unbestimmte Zeit unter Vormundschaft der sogenannten Troika (EU, EZB und IWF) zu leben. Daran können auch ausgeklügelte Spar- und Hilfsprogramme nichts ändern (die nun neu ausgehandelt werden sollen). – Und was geschieht mit den Schulden von Griechenland? Diese kann das Land so oder so nicht zurückzahlen – ob es nun den Euro behält oder nicht. Die Banken und Institutionen, die diese Gelder gewährt haben, sind hier mitverantwortlich und müssen deshalb diese Schulden mittragen.
Ein weiterer Aspekt sind die Schulden im Verrechnungssystem der EZB «Target2» von etwa 100 Milliarden Euro. Diese Verpflichtungen sind entstanden, weil Griechenland seit vielen Jahren mehr importiert als exportiert. Mit einem Austritt würden diese nicht mehr weiter anwachsen. Professor Hans Werner Sinn (Ifo-Institut München) sieht im Target2-System – zusätzlich zur Staatsschuldenproblematik – eine «tickende Zeitbombe». Hier stehen hohe, stets wachsende Verpflichtungen von vor allem importierenden Ländern im Süden hohen Guthaben von exportierenden Ländern im Norden vor allem von Deutschland gegenüber.
Dringend ist im Moment eine klare Botschaft der EU an die Bürger, dass es im Falle eines Euro-Austritts eines Mitgliedlandes zu keinem Zwangsumtausch der Sparguthaben kommt. Nur so lässt sich Panik verhindern und Banken-Sturm und Kapitalflucht stoppen, die beide bereits im Gange sind.
Es ist zu hoffen, dass die «griechische Tragödie» nicht in einem Drama endet, sondern zu einem Aufbruch führt.

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