von Prof. Dr. Wilhelm Hankel
Ein doppelter Aufruf:
An die Regierungen:
Beendet das Euro-Abenteuer!
An die Bürger:
Lasst Euch nicht verdummen!
Fällt der Euro, dann zerfällt Europa – und mit ihm der Traum von der glücklichen Zukunft unseres alten und noch immer Weltmassstäbe setzenden Kontinents.
Noch nie in der Geschichte hat eine politische Führung, unterstützt von einer Medienmaschine fachlich teils überforderter oder beruflich abgestumpfter Meinungsmacher (man kann sich die Gründe aussuchen), dem Bürger so massiv eingeredet, er täte besser daran, den eigenen Verstand nicht zu gebrauchen. Soll er doch glauben, dass seine Lebensplanung, sein wirtschaftliches Schicksal und das seiner Kinder nirgendwo besser gesichert sei als in einer Welt bankrotter Euro-Staaten, einer von Tag zu Tag an Wert verlierenden Euro-Währung, längst unglaubwürdiger Versprechen, die überbordenden Staatsschulden und Steuern «demnächst» wieder zu senken, und das alles in der Hoffnung auf eine Staatsschuldenbremse, die schon deswegen niemals greifen kann und wird, weil jeder Kassensturz im europäischen Schuldenregister neue Defizite aufdeckt und neue, die Billionengrenze übersteigende Nachforderungen fällig werden. Europa ist im Griff von Regierungen, die sich für klüger und weitsichtiger halten als ihre unbedarften, tumben Völker. Begreifen diese denn nicht, dass sie mit dem Euro in der besten aller Welten leben und dass es schon deswegen keine «Alternative» (Bundeskanzlerin Merkel) zu dieser geben kann, weil die Kosten des freiwilligen Auszuges aus diesem Paradies diejenigen weit übersteigen, die jetzt zur »Rettung« des Euro gezahlt werden müssen?
Was empört mehr oder stimmt verzweifelter: Die Arroganz einer europäischen Machtelite, die ohne erkennbare Skrupel und Selbstkritik ihr eigenes Wohl (und die Beibehaltung ihrer Pfründe) mit dem europäischen Gemeinwohl gleichsetzt oder der kalte Zynismus einer Finanz«industrie», die sich für unersetzlich («systemrelevant») ausgibt und damit von jeder Schuld, Sühne und Verantwortung für das Schuldendesaster, das sie angerichtet hat, freizeichnet und sich unverfroren jenseits des (nur für andere geltenden) Konkursrechts stellt? Sind doch genügend «Dritte» – Sparer, Steuerzahler – da, die jetzt anfallenden Verluste zu übernehmen, die mit diesem Geschäft verbundenen Spitzengehälter der verantwortlichen Manager (und ihre Boni) eingeschlossen.
Und die Deutschen? Sollten sie nicht endlich akzeptieren, dass sie nach zwei Weltkriegen und einem Völkermord noch immer moralisch verpflichtet sind, Europa Wiedergutmachung zu leisten – auch wenn die Untaten ihrer Grossväter mehr als ein halbes Jahrhundert zurückliegen? Haben sie doch wie keine andere Nation vom Euro «profitiert», wie ihre horrenden Exportüberschüsse (für einen Weltökonomen wie Helmut Schmidt sind sie der wahre Grund für die Defizite der anderen) zwingend beweisen? – Nichts entlarvt die Hohlheit der öffentlich verbreiteten Pro-Euro-Argumente mehr als dieses. Deutschland hat mit der Preisgabe seiner harten, stabilen D-Mark über Nacht alle mit einer solchen Währung verbundenen Vorteile verloren: den Zins- und den Wachstumsvorsprung der eigenen Volkswirtschaft vor denen der Nachbarn (mit Einführung der Euro-Zeit verwandelte sich Europas ehemalige Konjunkturlokomotive in den Wagen mit dem roten Schlusslicht), den Aufwertungsgewinn für die eigene Bevölkerung und Volkswirtschaft (Karl Schiller nannte ihn eine permanente «Sozialdividende für das deutsche Volk», der die Kosten- und Wettbewerbssituation der vom Import teurer Rohstoff-, Energie- und Vorprodukte abhängigen deutschen Industrie nachhaltig verbesserte) sowie die magnetische Anziehungskraft des Standortes Deutschland für Auslandskapital und -beteiligungen. Seitdem profitiert das Land nur noch von zwei Punkten: l) der ungebrochenen Inflationslust der übrigen Europäer und 2) ihrer Unlust, Lohnkostendisziplin zu wahren. Hierin lag und liegt bis heute Deutschlands «Gewinn» aus der Euro-Währung. Vier einfache Wahrheiten widerlegen die von Regierungen, Medien und gekauften Experten (die meisten aus den Reihen der Banken) veröffentlichten Euro-Lügen:
Die erste Wahrheit lautet: Die Währung ist für den Bürger da, nicht dieser für sie. Der Euro steht nicht über seinen Rechten. Weder er noch die bürgerliche Gesellschaft können auf stabiles Geld, das «Metermass» unverfälschter Leistung und Gegenleistung (und von Schulden), verzichten. Wer es manipuliert, macht sich nicht nur zivilrechtlich schuldig. Er zerstört mit dem falschen Metermass (der Inflation) nicht nur die Rechnungsgrundlage der Marktwirtschaft, sondern zugleich ihre sittliche, rechtliche und soziale Geschäftsgrundlage. Er degradiert sie zum Spielkasino und beraubt sie ihrer Effizienz. Genau das tut eine ihrem Auftrag Hohn sprechende Europäische Zentralbank (EZB), indem sie Billionen frischer Euro druckt, um alte, bereits zirkulierende Euro zu «retten». Weder «beruhigt» sie damit (wie sie vorgibt) die Finanzmärkte noch stabilisiert sie damit (wie sie ebenfalls vorgibt) überschuldete Staaten und Banken, denn diese Schulden lassen sich nicht in «mehr Geld und nochmals mehr Geld» ertränken, sondern einzig und allein durch reale Mehrleistung tilgen und abtragen. Aber gerade dieser Wille zur Mehrleistung wird durch die anhaltende Inflationierung des Euro abgetötet. Keine Währung gewinnt an Wert, wenn man sie für staatliche Ziele und Zwecke instrumentalisiert. Genau das geschieht jetzt und in Zukunft mit dem Euro.
Die zweite Wahrheit lautet: Kein Staat kann es sich leisten, seine nationale Währung durch eine fremde (ausländische, ex-territoriale) zu ersetzen, das heisst, aus der Währung eine Fremddevise für das Land zu machen. Man stelle sich vor, die USA würden ihren Dollar durch den Rubel, Russland seinen Rubel durch den Dollar ersetzen. Genau das haben die Euro-Staaten ab dem Jahr 1999 mittels des Ersatzes ihrer alten nationalen Währungen durch den Euro getan. Jetzt erleben sie die Folgen dieses undurchdachten Währungsexperimentes: Die innereuropäisch falschen Realzinsen (sie sind bis heute für die einen zu niedrig, für die anderen hingegen zu hoch) und die real falschen, weil festgeschriebenen Wechselkurse (ein griechischer Euro = ein deutscher Euro) haben die einen zu Inflation und zur Überverschuldung (des privaten wie öffentlichen Sektors) verführt, die anderen gezwungen, diesen Prozess leichtfertigen Über- und Luxuskonsums in der Südhälfte der Euro-Union ohne jede Korrektur- und Einspruchsmöglichkeit («systemimmanent») zu akzeptieren und zu finanzieren. Ist ein schlimmerer Verstoss gegen die Logik und die Gesetze ökonomischer Vernunft vorstellbar? Lange bevor jetzt der «Fiskalpakt» und die mit ihm verbundene Transferunion ins Werk gesetzt worden sind, «funktionierte» diese «kommerzielle» Transferunion der Banken, Geld- und Kapitalmärkte und richtete den Schaden an, den nunmehr die Steuerzahler der wenigen noch nicht bankrotten Euro-Länder (wie Deutschland) begleichen dürfen. Der Fiskalpakt «europäisiert» diesen Schaden, wobei dieses neue Wort nur die Aktualisierung des Begriffes «sozialisieren» ist.
Die dritte Wahrheit aus den oben abgeleiteten lauter daher:
Es gibt keinen Ersatz für eine nationale, durch den heimischen Gesetzgeber geschützte und kontrollierte Währung. Die lange Währungsgeschichte kennt kein Währungs«konkubinat» à la Euro (17 Staaten teilen sich derzeit eine Währung), sondern lediglich «Wechselkursunionen». Alle historischen und zeitweilig erfolgreichen Währungsabkommen zwischen Staaten waren solche: das Weltwährungssystem von Bretton Woods (bis 1973), der Goldstandard des 19. und frühen 20. Jahrhunderts (bis 1931), die Nordische Münzunion der skandinavischen Länder (bis 1933) sowie die von Frankreich geführte Lateinische Münz-Konvention (bis 1926). Und selbst die Vorgänger der Euro-Union, das Europäische Währungsabkommen (EWA) von 1958 und das es ablösende Europäische Währungssystem (EWS) von 1979, beruhten auf Verabredungen über den äusseren Umtauschwert der beteiligten Währungen (Wechselkurs), aber galten niemals dem nationalen Verzicht auf die Währung als «gesetzliches Zahlungsmittel» innerhalb von Staat, Volkswirtschaft und Gesellschaft. Eine Rückkehr zu diesem Zustand wäre alles andere als eine «Katastrophe» (wie der Chorus der Europa-Politiker ebenso lautstark wie einstimmig singt), sondern die Wiederherstellung normaler und konfliktfreier Verhältnisse sowohl in den Staaten der EU als auch zwischen ihnen (gänzlich frei von Demonstrationen gegen das herrschsüchtige Deutschland).
Daraus folgt viertens die Widerlegung einer der aktuellsten (und demagogischsten) Unwahrheiten, nämlich die Behauptung, ein Abbruch der Währungsunion sei nicht nur «unvorstellbar», sondern auch «unbezahlbar». Ein solcher Abbruch verursache Kosten (zu fragen ist: bei wem?), die nicht mehr zu verkraften seien: Staatsbankrotte, Bankensanierungen, eine tiefe und langanhaltende Krise der Realwirtschaft wie vor 80 Jahren, als nach dem «Schwarzen Freitag» (vom Oktober 1929) und dem Zusammenbruch des weltweiten Goldstandards – nach der Pfund-Abwertung vom September 1931 – die westliche Weltwirtschaft kollabierte. Man musste ein gutes Jahrzehnt warten, bis sie «dank» Aufrüstung und Kriegskonjunktur wieder Fahrt aufnahm.
Eine Reise an Europas nördliche Peripherie, zur Insel Thule (Island), würde allerdings zeigen, wie wenig das Damals mit dem Heute zu vergleichen ist. Das kleine Land, das kein Mitglied der Euro-Zone ist, verlor beim Ausbruch der globalen Finanzkrise (in den Jahren 2008/2009) sein gesamtes Bankensystem. Bemerkenswerterweise verzichtete man anschliessend auf dessen Sanierung auf Staats- und Steuerzahlerkosten, statt dessen liess man die verzockten Banken pleitegehen. Die Inlandssparer wurden auf Staatskosten entschädigt, Aktionäre, Auslandsinvestoren (vulgo «Spekulanten») sowie die verantwortlichen Manager gingen leer aus. (Einige der Auslandsinvestoren reichten Klage ein, wurden aber per Referendum abgewiesen, die Manager vor Gericht gestellt.) Seine überdimensionierten Bankschulden war das Land mit dieser Massnahme los; sie drohten weder dem Staat noch der Wirtschaft zum Verhängnis zu werden. Der Staat musste sie weder übernehmen noch nachfinanzieren. Die Währung wurde zunächst drastisch ab- und später wieder leicht aufgewertet (und notiert derzeit um 50 Prozent gegenüber dem Stand vor der Krise). Island wird im Jahr 2012 ein Wirtschaftswachstum zwischen zwei und drei Prozent erzielen, das damit höher ist als jenes aller anderen Staaten der Euro-Zone. Islands Staatsanleihen, die inzwischen wieder gehandelt werden, werden mit BBB+ bewertet und kosten den Fiskus um die fünf Prozent pro Jahr, weit weniger also als die Zinsen, die jedes Krisenland der Euro-Zone zahlen muss.
Die moderne Island-Saga lehrt dreierlei: Ein Land mit eigener Währung hilft sich immer selbst; es ist weder auf fremde Unterstützung angewiesen, noch muss es fürchten, seine Staatlichkeit zu verlieren und zum finanziellen Protektorat seiner Helfer abzusinken, seien es nun EU oder IWF. Ein Land mit eigener Währung kann immer den Staatsbankrott vermeiden und durch die (externe) Währungsabwertung ersetzen (was innerhalb der Euro-Zone unmöglich ist). Diese stellt dann die verlorene Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft und die Kreditfähigkeit des Staates wieder her. Das Land bleibt damit unabhängiger und gleichberechtigter Partner der Weltwirtschaftsfamilie; es gewinnt sein «Rating» in der globalen Finanzwelt wieder zurück. So geschah es mit allen Abwertungsländern seit den Tagen der Phönizier.
Bleibt abschliessend zu fragen: Warum gehen EU und Europapolitik nicht diesen historischen und letztlich immer erfolgreichen Weg der Lösung der europäischen Währungskrise? Weshalb wird die Krise des Euro zum Mittel der Machterweiterung der EU und ihrer Organe missbraucht sowie zur Einschränkung (wenn nicht gar Abschaffung) von Rechtsstaat und Demokratie in den (noch) souveränen Staaten Europas genutzt? Wem nutzt die Euro-Rettung, und wer verdient wieviel an ihr? Wie ehrlich sind die Argumente eines George Soros, der den Deutschen vorhält, zu wenig für Europa zu tun und noch immer nicht genügend Geld auf dem Altar des alten Kontinents verbrannt zu haben? Meint dieser Meisterspekulant Europas Krisenländer oder seine eigenen Konten? Auf alle diese Fragen antwortet dieses von fünf Autoren verfasste Buch. Jeder Autor trägt ein gewichtiges Wort zur Sache bei und steht für etwas, das in der Euro-Debatte weitgehend fehlt: Sachkunde und Redlichkeit. Es geht nicht um den Euro und seine Rettung «um jeden Preis» (EU-Kommissionspräsident Barroso), sondern um die Interessen des Bürgers. Wie eingangs formuliert: Ihm hat der Euro zu dienen, nicht umgekehrt. •
Der Text ist das einleitende Kapitel aus dem Buch von Bruno Bandulet, Wilhelm Hankel, Bernd-Thomas Ramb, Karl Albrecht Schachtschneider, Udo Ulfkotte: «Gebt uns unsere D-Mark zurück. Fünf Experten beantworten die wichtigsten Fragen zum Staatsbankrott», 2012, ISBN 978-3-86445-035-8
Nachdruck mit freudlicher Genehmigung von Autoren und Verlag.
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