Naturpark Doubs, die verschlungenen Pfade einer Entstehung

Naturpark Doubs, die verschlungenen Pfade einer Entstehung

von Serge Jubin

zf. Man muss die Jura-Landschaft kennen und lieben und gleichzeitig die Geschichte des Zweiten Weltkrieges vor Augen haben, um als Bürger im 21. Jahrhundert zu erahnen, was der tiefe Taleinschnitt zum Doubs hinunter als natürliche Landesgrenze bedeutet hat – auch, was es geheissen hat, diese Grenze dort gegen deutsche Luftangriffe zu verteidigen. Es ist ein Angriff auf das Geschichtsbewusstsein und die Souveränität der Schweiz, die Gemeinden oben auf dem Plateau mit dem tiefen nordwestlichen Abhang durch eine noch nicht geschaffene Park-Charta mit der französischen Seite verbinden und dadurch die Grenze auflösen zu wollen. Marianne Wüthrich deckt im Artikel «Knüpfen am globalen Spinnennetz» zu einer hinter dem Rücken des Souveräns durchgeführten neuen Raumplanung auf, dass die EU-Turbos im eidgenössischen Raumplanungsamt noch keineswegs an ein Nachgeben denken – auch nicht im Vallée du Doubs.

Soll das Projekt des regionalen Naturparks Doubs nach dem Bild des Flusses, dessen Namen er trägt, gestaltet sein: auf den ersten Blick bezaubernd, in einer intakten Umwelt, mal langsam, mal wild, aber auf Grund der zahlreichen Beeinträchtigungen und der Verschmutzung im Sterben begriffen? Das kann gut sein.
Der Park Doubs sollte ein Modell sein. Der WWF lancierte die Idee 1997. Diejenige, die damals Sekretärin der Umweltbewegung war und heute Neuenburger Regierungsrätin, Gisèle Ory, gründete 1999 den Verein des regionalen Naturparks Doubs. In der Schweiz eine Pioniertat, die den Bund dazu bewog, zu den Naturpärken Gesetze zu erlassen.
Das Projekt verstrickte sich in ideologischen und persönlichen Kämpfen und Lobbyismus. Um die Jahreswende 2000 wurde das vom WWF geprägte Projekt durch die Landwirte torpediert. Obwohl er Hunderttausende von Franken investiert hatte, musste der WWF sich zurückziehen. Das damals abtretende jurassische Regierungsmitglied, Pierre Kohler, sollte 2002 die Nachfolge antreten. Verärgert über die Kritik seitens der Grünen, warf er aber noch am Tag seiner Wahl das Handtuch. Gilbert Hirschy, Landwirt, Holzfäller und Abgeordneter der Grünen von Les Brenets, rettete das Schiff vor dem Untergang, indem er sich auf einen neuen Direktor, den Biologen Martin Liberek, abstützte.
Ohne Aufhebens erstellte er ein Dossier, das vom Bund abgesegnet wurde. Die Bevölkerung hingegen zeigte nach wie vor kein Interesse. Einige Gemeinden der Freiberge weigerten sich beizutreten. Nur eine Schocktherapie konnte das Projekt noch retten.
Der Verein wendete sich an zwei ehemalige Regierungsmitglieder, den Jurassier Jean-Pierre Beuret als Präsidenten und den Neuenburger Bernard Soguel als Vizepräsidenten. Als ehemaliger Landwirt brüstete sich Jean-Pierre Beuret damit, die sich widersetzenden Bewohner der Freiberge gut zu kennen, und stellte sich auf die Hinterbeine, als er im Oktober 2009 Le Temps gegenüber behauptete: «Dieses Projekt braucht Führung und Neuorientierung.» Er legte den Schwerpunkt auf wirtschaftliche Projekte, empfahl die Einrichtung von Informationszentren zum Pferd und zur Uhrenindustrie, während er Naturprojekte aussen vor liess. Jean-Pierre Beuret räumte auf, indem er Gérard Cattin als «Manager» in die Direktion beförderte. Dies auf Kosten des Biologen Martin Liberek, der sich weigerte, aufs Abstellgleis gestellt zu werden, und im Februar 2010 aus dem Projekt ausstieg. Da sein Vertrag bis Ende 2011 Gültigkeit gehabt hätte, forderte er von Jean-Pierre Beuret eine Abtrittsentschädigung wegen Vertragsbruchs. «Ich habe damit abgeschlossen», lässt Martin Liberek heute verlauten. Aber er hat die «180º-Drehung von Jean-Pierre Beuret» nicht verstanden. «Das, was einen Naturpark ausmacht, ist die Aufwertung des Allgemeingutes der Natur. Wir hatten auch wirtschaftliche Projekte vorgeschlagen.»
Die Kehrtwende hatte einen doppelt positiven Effekt. Die zu Beginn dem Park feindlich gesinnten landwirtschaftlichen Kreise sind heute Partner. Und vor allem hat die Methode Beuret ermöglicht, eine Conditio sine qua non zu erwirken: Das Gebiet des Parks Doubs ist von nun an homogen, da die beiden letzten widerspenstigen Freiberger Gemeinden Bémont und Muriaux beigetreten sind. Selbst wenn «es nicht mit Freude geschah, mussten wir wohl oder übel die Handbremse lösen», bestätigt der Bürgermeister von Muriaux, Pierre-André Gigon, der die Teilnahme von der Baubewilligung für die drei Windräder, die sich nun oberhalb der Gemeinde drehen, abhängig gemacht hat.
«Es muss wohl Druck auf Muriaux ausgeübt worden sein», analysiert Philippe Riat, Sekretär der jurassischen Sektion des WWF und Mitglied des Parkbüros während der Ära Hirschy. Nach dem Amtsantritt Beurets zog er sich aus dem Büro zurück, blieb aber Vorstandsmitglied. «Ich war von den Methoden Jean-Pierre Beurets angewidert, der auf autoritäre Art und Weise Gérard Cattin einsetzte und die Arbeit von Martin Liberek schlecht machte.» Wenn er auch die Gemeinden und die Landwirte gewonnen hat, so hat Jean-Pierre Beuret die Umweltschützer vor den Kopf gestossen.
Da er ausserdem Präsident des Komitees für die Gemeindefusionen der Freiberge ist, verliess er den Park Doubs im März 2011 und überliess die Präsidentschaft einem weiteren ehemaligen Regierungsmitglied, Laurent Schaffter: «Der Park wird ein Erfolg sein, wenn es ein Gleichgewicht zwischen den Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung gibt. Nur auf die Ökologie zu bauen, bedeutet, sie zu begraben, denn die Bevölkerung wird dem nicht zustimmen.»
Zudem hat die Neuorientierung Mühe, Begeisterung zu wecken. Das Parkfest vom 31. Juli in Goumois, das an andere Festanlässe angebunden wurde, erfuhr eine mässige Beteiligung. «Ich habe in diesem Zusammenhang mehr von einem Fiasko reden gehört als von einem Erfolg», bemerkt Philippe Riat ironisch.
Gérard Cattin lässt sich davon nicht beeindrucken. Er weiss das Projekt kurz vor dem Ziel, unter der Voraussetzung, dass die Parlamente der 19 Mitgliedsgemeinden im Frühling 2012 den Parkvertrag ratifizieren und pro Einwohner vier bis sechs Franken zahlen. «Ich habe die Bürgermeister getroffen, deren Reaktion war eher positiv.» Wenn es keinen Zwischenfall mehr gibt, wird der Park Doubs im Jahr 2013 das Label Naturpark tragen. Parallel dazu wird auf der französischen Seite des Doubs, im Land der Uhrmacher, ein ähnliches Projekt vorbereitet, das zum Ziel hat, aus dem Park Doubs einen grenzüberschreitenden Park zu machen, versinnbildlicht durch 250 km lange Schmuggelwege.
Wird es dem Fluss dadurch besser gehen? Das ist nicht sicher. Jean-Pierre Beuret und Laurent Schaffter sind der Ansicht, dass es nicht Aufgabe des Parks ist, sich an die Stelle der kantonalen Dienste zu setzen, um dafür zu sorgen, dass die Gesetze respektiert werden. «Aber der Park ist ein Partner derjenigen, die den Doubs schützen wollen», sagt Laurent Schaffter. «Denn wenn der Doubs stirbt, wird der Park mit ihm untergehen.»    •

Quelle: Le Temps vom 20.8.2011
(Übersetzung Zeit-Fragen)

Unsere Website verwendet Cookies, damit wir die Page fortlaufend verbessern und Ihnen ein optimiertes Besucher-Erlebnis ermöglichen können. Wenn Sie auf dieser Webseite weiterlesen, erklären Sie sich mit der Verwendung von Cookies einverstanden.
Weitere Informationen zu Cookies finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
 

Wenn Sie das Setzen von Cookies z.B. durch Google Analytics unterbinden möchten, können Sie dies mithilfe dieses Browser Add-Ons einrichten.

OK