Aus der Wundertüte der Bildungshändler

Aus der Wundertüte der Bildungshändler

Peter Frattons «Haus des Lernens»

ef. Das erste «Haus des Lernens» wurde 1980 von Peter Fratton als Privatschule in Romanshorn gegründet. Das heutige Unternehmen «SBW Haus des Lernens Holding Gruppe» – Fratton selbst ist 2006 ausgestiegen – versteht sich als «Schweizer Bildungsanbieter für Bildung im gesamten Ausbildungsbereich für Kinder und Jugendliche» mit Standorten in den Kantonen Thurgau, St. Gallen und Appenzell-Ausserrhoden. Die Schulen heissen: International School, Primaria, Secundaria, Futura, Futura Beruf, Futura Studium, Futura Kunst, EuregioGymnasium, Neue Medien AG, Brückenangebot, Idea (Entwicklungsabteilung). «International Schools» gibt es in Regionen, «die mit zunehmender Globalisierung interessanter geworden sind für internationale Unternehmen und Arbeitgeber». SBW ist seit kurzem Veranstalter der Entrepreneur of the Year Junior Academy, u.a. in Zusammenarbeit mit dem Unternehmensberatungsbüro Ernst & Young.
Das «Haus des Lernens» hat folgendes Konzept:
–    «Mutation [des Lehrers] zum Lernbegleiter»
–    «Lernbegleiter» erfüllen «Urbitten» der Schüler: «Bringe mir nichts bei. Erkläre mir nicht. Erziehe mich nicht. Motiviere mich nicht.»
–    «Paradigmenwechsel», d.h. «die gewohnten Denkbahnen […] mal einfach irgendwie auf die Seite» stellen und so tun, «als würden wir auf einem Feld alles einmal neu erfinden».
–    «Auf vielfältigen Wegen, mit vielfältigen Menschen, an vielfältigen Orten, zu vielfältigsten Zeiten, mit vielfältigen Materialien, in vielfältigen Schritten und vielfältigen Ideen in vielfältigen Rhythmen zu gemeinsamen Zielen.» Statt: «Alle gleichaltrigen Schüler haben beim gleichen Lehrer, zum gleichen Zeitpunkt, im gleichen Zimmer, mit dem gleichen Lehrmittel das gleiche Ziel gleich gut zu erreichen».
–    «Fraktale Führung», d.h. «Lernbegleiter» und «Lernpartner» (Schüler) sollen mit «autonomen Lernformen» (mittels iPad und eduProfiler zur «Lernspur») lernen.
–    «Vertrauen ins Gelingen» («yes, we can!»)
–    Aneignung von «Schlüsselqualifikationen»
–    «Gestaltete Umgebung» («viel Zeit und Energie der Lernraumgestaltung»)
–    Erwerb der Fähigkeit zum «lebenslangen Lernen»
–    «Coaching», «kompetenzorientiertes Lernen», «individualisiertes Lernen»,
–    «altersdurchmischte Unterrichtseinheiten».

(Alle Zitate und Begriffe entstammen Selbstdarstellungen der SBW und Vorträgen Peter Frattons.)

Mosaik-Sekundarschule Alterswilen ein weiteres Vorbild für grüne Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg?

Das Pilotprojekt Mosaik-Sekundarschule Alterswilen scheint der grünen Regierung Kretschmann mit als Vorbild für die Gesamtschule Baden-Württemberg gedient zu haben. So wurde im Frühjahr 2010 im Landtag von Baden-Württemberg die Mosaik-Sekundarschule Alterswilen im Rahmen der Anhörung der Fraktion Die Grünen/Bündnis 90 als neuester Fixstern am grünen Bildungshimmel (neoliberaler Provenienz) – in allen Details vorgestellt – unter dem Motto: «Jedem Kind sein Bildungsziel! So geht Schule, in der jedes Kind gewinnt.»

Im Landtag von Baden-Württemberg. Die Grünen/Bündnis 90. Jedem Kind sein Bildungsziel! So geht Schule, in der jedes Kind gewinnt. Dokumentation der Anhörung, 7.5.2010, Landtag von Baden-Württemberg

Lernlandschaften

tsp/hwi. Selbstorganisiertes Lernen, möglichst altersdurchmischt, findet in speziell eingerichteten Räumen mit kurzen, gezielten Inputs der Lernbegleiter statt. Jeder Schüler und jede Begleitperson sitzt an einem Arbeitsplatz. Rote oder grüne Ampeln zeigen den Schülern, wann sie die Lernbegleiter ansprechen können.

Ziel: das Wissen selbständig zu erarbeiten, um unabhängig zu werden.

Grundsätze

Unterricht in der Lernlandschaft hat zwei hauptsächliche Grundsätze:
    1. Pädagogik: Lernlandschaft bedingt individualisierten Unterricht. Nach 10 minütigem Input durch den Lernbegleiter arbeiten die Schüler allein, mit vorgegebenem Material.
    2. Infrastrukur: Schulzimmer müssen für die Lernlandschaft umgebaut werden. Durch Steckwände wird jeder Arbeitsplatz auf drei Seiten gegen die übrigen abgetrennt. Der Platz muss in Ordnung gehalten werden, gesprochen wird nur im Flüsterton, um die Konzentration zu fördern.
Ein für die Lernlandschaft umgebautes Schulzimmer eignet sich nicht mehr für den Klassenunterricht. Für Inputs braucht es zusätzliche Räume mit Wandtafeln, Projekt­oren und Beamern.
Neue Lernkultur erfordert eine neue Schulhaus-Architektur: eine feste Hülle mit einem flexiblen Raumprogramm: Wünschenswert sind Grossräume, in denen 60 bis 100 Schüler ihre Arbeitsplätze einrichten können. Aussenräume und Gänge sollen als Lernraum gedacht sein und eine wohnliche Stimmung verbreiten. Ein Computernetz, das über Bodensteckdosen an jeder beliebigen Stelle angezapft werden kann, gehört zum Konzept.
In vielen Gemeinden laufen Anträge in Millionenhöhe für solche Spezialbauten.

Begründung

Die Kinder von heute könnten nicht mehr gemeinsam unterrichtet werden, da jeder Schüler sein eigenes Lerntempo und seine eigenen Interessen habe. Jeder soll selbst entscheiden, was, wann, wo und wieviel er lernen will. Schüler lernen in Gruppen und nicht mehr in Klassen: altersdurchmischtes Lernen.

Herkunft

Schulhausarchitektur in Kalifornien in den 60er Jahren: flexible Wände, um in kurzer Zeit Grossschulräume einzurichten. Offene Schulzimmer, damit jeder Schüler selbständig die Unterrichtsthemen und das Niveau aussuchen kann.
Grossraumbüros in den USA, die inzwischen auch in Wirtschaftsunternehmen in der Schweiz eingerichtet werden.

Kritik

–    Die Schüler werden nicht gestärkt, mit dem altersgerechten Tempo und dem Niveau des Klassendurchschnitts mitzuhalten; dadurch wird die «Schere» im Leistungsvermögen der Klasse immer grösser.
–    Lernlandschaften fördern die Vereinzelung, verhindern die Gemeinschaftsbildung, und die Ausrichtung aufs Gemeinwohl fehlt. Dies sind unverzichtbare Voraussetzungen für den Bürger, wenn er einen konstruktiven Beitrag zur direkten Demokratie leisten soll. Ganz wesentliche Werthaltungen, die nötig sind, um unser bewährtes politisches System aufrechtzuerhalten, werden nicht vermittelt. Das widerspricht dem Schulgesetz.
–    Datenschutz: Das Schülerprofil wird online gespeichert und ist jederzeit mit Foto abrufbar; mit dem Google-Bundesgerichtsurteil ist dies nicht vereinbar.
–    Lernlandschaften mit 60 Arbeitsplätzen erinnern an Grossraumbüros in den USA, die inzwischen auch in Wirtschaftsunternehmen in der Schweiz eingerichtet werden. (Schild oberhalb der Eingangstür: Flüsterton)

«Time-out»-Schule

zf. Im imperialen Verkaufsangebot zu Schule und Bildung gibt es in etwa drei Strömungen bezüglich der Auffassung vom Menschen:
a) Der Mensch sei ein triebbestimmtes Wesen und vertrage deshalb keinen bürgerlichen Bildungsüberbau.
b) Der Hegelsche Weltgeist, Variante USA, bestimmt über die jetzige wirtschaftliche Notwendigkeit der Geschichte. Wer das nicht begreift, gehört zu einer Antithese aus dem vorvorletzten Jahrhundert.
c) Da nach Marx das Sein das Bewusstsein bestimmt, muss jedem Schüler ein Cervelat – nämlich das Streben nach Reichtum – vor die Nase gehängt werden. Dann lernt er!
Für die ziemlich stark oder ganz triebgestörten Kindergärtler oder Schüler jeglicher Schulstufen richtet das Imperium «Time-out»-Schulen ein, wo sie von jeglichem Lerndruck befreit werden. Wenn diese Erwartung des bürgerlichen Nationalstaates gänzlich wegfalle und er, solange er will, nur noch malen, spielen oder träumen darf, dann wird ein befreites Individuum aus ihm. Sie glauben es nicht? Ist alles in den antiautoritären Kindergärten schon ausprobiert worden. Es fehlt nur noch Dani Cohn-Bendit als Betreuer …   

«Für Gaby Cohn-Bendit ist die Schule ‹de la merde›!»27

«Gaby lässt die Stimme der Cohn-Bendits verlauten: ‹Ich gehöre nicht zu denen, die sagen, dass Lehrer gross­artige Leute sind. Ich liebe mein Land nicht! Diese Schule, die Nationalismen schafft! Ich liebe die Schule nicht, weil sie nicht liebenswert ist! Man zahlt den Lehrern Prämien, damit sie in ZEP-Schulen unterrichten gehen. [Die ZEP (zones d’éducation prioritaire) sind soziale und schulische Problemquartiere.] Was das bedeutet! Höchstens 15% aller Lehrer widmen sich ihren Schülern…› »27

27    Soubrouillard (Régis), «Pour Gaby Cohn-Bendit, l’école c’est de la merde! [Für Gaby Cohn-Bendit ist die Schule Scheisse!] Marianne 2,
10. Januar 2010.

Quelle: Paul Ariès und Florence Leray: Cohn-Bendit, l'imposture. Paris 2010, Seite 46f.,  ISBN 978-2-35341-086-6

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