von Jean-Daniel Balet und Flavien de Muralt, Mitglieder des Vorstands von SwissRespect
Die europäischen Staaten, die in bezug auf die Wirtschaft und die Steuern zerstritten sind, haben ihre Bürger mit Liquidität und schönen Versprechungen überhäuft. In der Folge der «Subprime»-Krise haben die Europäische Union und die USA ihre Banken in Not gerettet und sich in den Schuldenwirbel hineinziehen lassen. Um die Aufmerksamkeit ihrer Bevölkerung von ihren eigenen Fehlern abzulenken, suchen ihre Regierungen Sündenböcke, darunter den Schweizer Finanzplatz, indem sie zu ihrem eigenen Vorteil einen Konkurrenten eliminieren, und gleichzeitig versuchen, noch glimpflich davonzukommen und die Spargelder zu repatriieren, die den überhöhten, ja konfiskatorischen Steuersätzen entflohen waren.
Im Gegensatz dazu machen in der Schweiz der Schutz der Privatsphäre und ein gesunder Steuerwettbewerb es möglich, den Appetit des Staates im Zaum zu halten. Unser Land ist das einzige, in dem über die Schuldenbremse abgestimmt wurde, es konnte eine vernünftige Besteuerung erhalten und seine Bürger damit zu ehrlichem Verhalten ermutigen.
Dennoch wird unser Land seit mehr als 15 Jahren (Krise der «in Vergessenheit geratenen» Fonds) im Rahmen des Wirtschaftskrieges angegriffen, den die USA entfacht haben, um ihre eigenen Interessen zu wahren. Die USA und unsere europäischen «Partner», geschwächt durch ihre Schulden und geleitet vom einzigen kurzfristigen Anliegen ihrer Staatsführung, wieder gewählt zu werden, haben sich in die Bresche geworfen. Seit 15 Jahren haben sie nicht aufgehört, die Bevölkerung einzulullen, und geben sich nun einer traurigen Flucht nach vorn hin: Sie leeren die Kassen und geben Geld aus, das sie nicht haben, und so häufen sie Schulden an und zwingen die künftigen Generationen dazu, eines Tages schmerzhafte Rechnungen zu begleichen. Und um ihre Fehltritte zu vertuschen, bedrängen sie die Schweiz auf aggressive Weise, sie benutzen fadenscheinige Argumente und beschuldigen uns, die Ursache ihrer Übel zu sein.
SwissRespect ist der Meinung, dass die Reaktion unserer Regierung und der politischen Elite unseres Landes unangemessen ist. Und intolerabel. Denn indem der Bundesrat alle Forderungen unserer Konkurrenten akzeptiert, verteidigt er unsere fundamentalen Werte nicht mehr, sondern zieht es vor, sie aufzugeben, obschon sie vielmehr als Modell dienen müssten.
Besessen davon, einige grosse Banken zu schützen, deren Interessen fundamental im Widerspruch zu den Interessen des ganzen Landes stehen, haben die von uns gewählten Politiker die Gelegenheit verpasst, sich mit aller Kraft der Opferung einer grossen Zahl von Menschen entgegenzustellen, die als gefundenes Fressen der ausländischen Justiz ausgeliefert wurden. Und die einzige Strategie des Bundesrates, die Weissgeldstrategie, die in keinem anderen Land der Welt angewandt wird, erzeugt unglücklicherweise den falschen Eindruck, dass es in der Schweiz nur Schwarzgeld gebe.
Noch schwerwiegender: Das einseitige Aufgeben der Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug, die Unterwerfung unter Artikel 26 des OECD-Steuer-Musterabkommens, das Akzeptieren von Gruppenanfragen, die Lieferung von Daten über Kunden und Mitarbeiter unserer Banken an ausländische Behörden, all dies wurde ohne öffentliche Debatte entschieden, ohne die Eidgenössischen Räte und das Volk zu fragen.
Die Verteidigung unserer Rechtsordnung, die bisher stabil und vertrauenswürdig ist und ihre Bürger sowie die strategisch wichtigen Wirtschaftszweige schützt, muss vor allen anderen Erwägungen Vorrang haben. Ist es noch möglich und notwendig, die legitimen Waffen der nationalen Souveränität und des Rechts anzuwenden und aufzuhören, den Forderungen unserer Konkurrenten nachzugeben? Selbstverständlich. SwissRespect wurde gegründet mit dem Ziel, eine möglichst grosse Zahl von Schweizern darüber zu informieren, dass, wenn die Regierung unseres Landes ihre Haltung nicht ändert, dies zu einer allgemeinen Verarmung führen wird, vor der niemand verschont bleibt. Denn Regeln zu übernehmen, deren Anwendung unsere Konkurrenten für sich nicht erforderlich finden, und deren Umsetzung überdies ausserordentlich teuer ist, kann nur eine sinkende Wettbewerbsfähigkeit unseres Finanzplatzes und den Abbau tausender Stellen zur Folge haben.
Jeder muss sich bewusst sein: Diese Krise wird direkte Auswirkungen auf all jene haben, die direkt oder indirekt vom Finanzplatz leben. Das können wir in den Nachbarländern sehen: niemand wird verschont, vom Kaufmann zum Garagisten, vom Restaurant-Besitzer zum Bauarbeiter. Ganz zu schweigen von der beunruhigenden Erosion der Rechtssicherheit, des Schutzes der Privatsphäre und des Eigentums.
Die erste Forderung von SwissRespect ist, nicht zu akzeptieren, dass wir unsere Regelungen ändern, um unsere Konkurrenten zufriedenzustellen, und eventuelle Veränderungen ausschliesslich dann zu akzeptieren, wenn ALLE anderen Finanzzentren sie in die Praxis umsetzen. Wenn man sich im Wirtschaftskrieg befindet, macht eine falsche Moraldebatte keinerlei Sinn. Warum handeln wir nicht so wie Luxemburg und Österreich, die ihre Vorteile sehr gut zu schützen wissen? Und warum sollten wir die Einzigen sein, die nachgeben, während unter anderem London, Hongkong, Singapur, die Kanalinseln, die Bahamas und die USA (Delaware und Florida) sich nicht an dieselben Regeln halten?
SwissRespect ist ebenso der Meinung, dass die «Rubik»-Abkommen [die drei Steuerabkommen mit Grossbritannien, Deutschland und Österreich, Anm. d. Red.] Thema einer echten Debatte in der Bevölkerung sein müssten, wenn man den grundsätzlichen Paradigmenwechsel des Gesetzes berücksichtigt, den sie implizieren, und dass die Frage der Zustimmung zu diesen Abkommen dem Volk unterbreitet werden muss. Seine Anstrengungen gelten nunmehr auch der Neuverhandlung des Doppelbesteuerungsabkommens, das Frankreich uns unter Drohung aufgezwungen hat. Ziel von SwissRespect ist es, die Schweizer zu informieren und zu sensibilisieren in bezug auf die wesentlichen Themen sowie die von uns gewählten Politiker über die Medien mit Argumenten und Standpunkten zu versorgen. Aber auch unseren Behörden zu helfen, einen Gegenangriff zu starten. SwissRespect hat die Diskussion über die Kommunikation anlässlich der Übergabe von Daten von Bankangestellten an die USA hervorgerufen und hat soeben den Rechtsweg beschritten, um deren unrechtmässigen Charakter feststellen zu lassen.
Es werden unzählige Kämpfe auf uns zukommen, und die Schweiz muss – statt sich immer zu unterziehen – mit Bestimmtheit daran erinnern, dass unser Land ein Wertesystem hat, wo die Bürger echte demokratische Rechte haben, deren Respektierung sie durchzusetzen wissen. •
Quelle: Le Temps vom 5.9.2012
(Übersetzung Zeit-Fragen)
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