Herbstsession 2012: Zum Präventionsgesetz (PrävG)
von Dr. iur. Marianne Wüthrich
In der Herbstsession werden sich die Eidgenössischen Räte zum dritten und letzten Mal mit dem Präventionsgesetz befassen. Der Ständerat war mit guten Gründen nicht überzeugt von diesem zentralistischen Gesetz, das die gut funktionierenden föderalistischen Strukturen im schweizerischen Gesundheitswesen aushebeln und in die Privatsphäre der Bürger hineingreifen will. Dass eine uns derartig fremde Regelung nicht auf einheimischem Mist gewachsen ist, sondern uns von aussen übergestülpt werden soll, versteht sich von selbst. Und dass eine vom BAG (Bundesamt für Gesundheit) zentral gesteuerte Präventionspolitik sicher nicht billiger wäre als die Gesundheitsvorsorge der Kantone und Gemeinden sowie der zahlreichen privaten Organisationen im Land, ist ebenso klar.
Nach seinem Nichteintretensentscheid vom Dezember 2011 ist der Ständerat im zweiten Durchgang am 1. Juni 2012 nur mit Stichentscheid seines Präsidenten auf das Präventionsgesetz eingetreten. In der Detailberatung hat die kleine Kammer einige der allzu sehr nach ausländischer Provenienz riechenden Un-Begriffe gestrichen.
Es wird unsere Parlamentarier und die Bevölkerung sicher sehr interessieren und alarmieren, wenn sie erfahren, dass das BAG seine geplante Präventionspolitik längst in die Wege geleitet hat – mit oder ohne Zustimmung des Parlamentes zum PrävG!
Während der Nationalrat und der Ständerat sich sehr ausführlich und gewissenhaft mit dem Präventionsgesetz auseinandersetzen, dessen Zustandekommen immer noch offen ist, hat der Bundesrat – unter Missachtung der übergeordneten Kompetenzen der Legislative – am 9. März 2012 eine sogenannte «Schweizerische Gesundheitsaussenpolitik» (GAP)1 verabschiedet, die aus der Abteilung «Internationales» des BAG stammt. Diese GAP ist keineswegs nur nach aussen gerichtet, sondern beinhaltet in weiten Teilen die Aufnahme äusserer Einflüsse in die Innenpolitik.
• Die GAP nimmt die Tendenzen, Ziele und Mittel des Präventionsgesetzes bereits am Parlament vorbei vorweg und geht teilweise weit darüber hinaus.
Ein Bundes-Präventionsgesetz sei wegen angeblich mangelnder Koordination der «Akteure» im schweizerischen Gesundheitswesen vonnöten – das will das BAG den Parlamentariern weismachen. In Wirklichkeit besteht im Gesundheitsbereich bereits seit 2006 eine «ergebnisorientierte Koordination» zwischen den verschiedenen Departementen, den Bundesämtern und sonstigen Dienststellen des Bundes. Damals wurde eine «interministeriell abgestützte nationale Zielvereinbarung» zur Gesundheits(aussen)politik produziert, als «wichtiges Arbeits- und Steuerungsinstrument der Bundesverwaltung». Ziel ist eine enge Kohärenz der Gesundheitspolitik in allen Politikbereichen. (GAP, S. 2):
«Eine kohärente GAP sucht Synergien zwischen den Politikbereichen. Ziel ist es, dass alle mitbeteiligten Politiksektoren langfristig in ihrem eigenen Sektor «bessere» Politiken betreiben können, welche die Glaubwürdigkeit, Transparenz und Effektivität der Schweizerischen Politik insgesamt stärken.» (GAP, S. 8)
Man traut seinen Augen nicht: Kurz vor dem Kollaps des Dollarraumes will der Bundesrat solche Formulierungen servieren? Trinkt der Bundesrat Schnapps statt Milch?
Im Klartext heisst «Koordination» also die Steuerung der Gesundheitspolitik durch das BAG in der gesamten Bundesverwaltung und in bezug auf sämtliche Erlasse des Bundes. Zudem meint «Koordination» die Nivellierung verschiedener Meinungen auf die Doktrin des BAG: «Sie [die Zielvereinbarung von 2006] hat zudem eine Annäherung auch bei unterschiedlichen Positionen sowie die Kompromissbereitschaft der involvierten Stellen gefördert.» (GAP, S. 2).
Auf Seite 9 folgt eine ziemlich umfassende Liste der Bundesstellen – unter Einschlussmöglichkeit aller übrigen – die in die gewünschte GAP eingebunden werden sollen:
«Das EDA und das EDI, respektive die Abteilung Sektorielle Aussenpolitiken des EDA, die DEZA und das BAG sind die am stärksten in die GAP involvierten Bundesstellen.
Gleichzeitig gilt es, die Anliegen weiterer Bundesstellen in die GAP einzubinden. Es sind dies insbesondere die Abteilung Vereinte Nationen und internationale Organisationen (AIO) sowie die Abteilung Menschliche Sicherheit (AMS) des EDA, das Integrationsbüro EDA/EVD, das Bundesamt für Statistik (BFS), das Staatssekretariat für Bildung und Forschung (SBF), das Bundesamt für Migration (BFM), das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE), die Logistikbasis der Armee (LBA), das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), das Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) und das Bundesamt für Umwelt (Bafu). Andere Bundesstellen wie das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV), Schweizerisches Heilmittelinstitut (Swissmedic), die Eidgenössische Alkoholverwaltung (EAV), das Bundesamt für Veterinärwesen (BVet), das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) und weitere werden themenspezifisch impliziert.» [Hervorhebung d. Verfassers]
Als «Gesundheits-Aussen-Politik» wird diese zentralistische Steuerung der gesamten Bundesverwaltung durch das BAG offensichtlich deshalb bezeichnet, damit die Implementierung von sogenannten «Empfehlungen» der WHO und der OECD geregelt ist – wenn auch nur durch eine verwaltungsinterne Ordnung.
Aber nicht nur der Grossteil der Bundesverwaltung wird in die sogenannte GAP eingebunden, sondern auch die übrigen privaten und staatlichen Institutionen im Gesundheitswesen der Schweiz. Auch die Gesundheitsdirektorenkonferenz GDK soll in die GAP einbezogen werden, «da die Gesundheitspolitik zu einem grossen Teil auch Aufgabe der Kantone ist» [Hervorhebung d. Verfassers]. Hier ist plötzlich nicht mehr von Gesundheits-Aussenpolitik, sondern von Gesundheits-Politik die Rede.
Einmal mehr geht der Bundesrat zudem über die föderalistische Kompetenzordnung hinweg: Nachdem er gnädig erwähnt, dass die Gesundheitspolitik eigentlich Sache der Kantone ist, reduziert er die Kantone auf ein paar Regierungsräte der GDK – ob diese wohl die Interessen und Anliegen aller Kantone gebührend vertreten? Wie im Präventionsgesetz-Entwurf (Art. 11) vorgesehen, sollen die Kantone zu blossen Befehlsempfängern für die Umsetzung der Bundesgesundheitspolitik umfunktioniert werden – «Vollzugsföderalismus» nennt man das in Bundesbern (in Anlehnung an die EU?) neuerdings.
Neben den APK und SGK des Parlaments werden auch Nichtregierungsorganisationen wie Public Health Schweiz oder Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit in die von der Bundesverwaltung gesteuerte Gesundheitsaussenpolitik einbezogen, ferner Berufsverbände, z.B. der Ärzte FMH und der Pflegenden SBK, Gesundheitsforschung und -lehre, sowie Gesundheitsdienstleister (wie Spitäler, Versicherer usw.) und die Privatindustrie (Pharma, MedTech, Lebensmittel usw.). Dazu kommen in der Schweiz ansässige internationale Organisationen und Public Private Partnerships, «die an der Gesundheitsaussenpolitik interessiert sind» [Hervorhebung d. Verfassers], (GAP, S. 10)
Wie man hier sieht, wird die halbe Schweiz in die Gesundheitsstrategie des BAG hineingezogen. So sollen die Pharma- und Versicherungskonzerne offenbar mitentscheiden, welche Lebensweise für uns Bürger gesund ist!
Besonders bemerkenswert ist der Einbezug von Public Private Partnerships: Dabei handelt es sich um private, gewinnorientierte Unternehmungen, die zum Beispiel in Deutschland ganze staatliche Schulen und Spitäler sowie Gemeindeverwaltungen bauen, organisieren und führen – und so nebenbei die zuständigen Behörden der Gemeinden entmachten. Übrigens ein sehr lukratives Geschäft; kein Wunder, dass die PPP «an der Gesundheitsaussenpolitik interessiert sind». In der Schweiz haben die PPP bisher kaum einen Fuss drin, weil die direktdemokratischen Entscheidungsträger sich nicht derart entmachten lassen wollen. So soll es auch bleiben!
Die «Gesundheitsfolgenabschätzung», die der Ständerat im Juni 2012 aus dem Präventionsgesetz-Entwurf gestrichen hat, wird durch die Hintertür der sogenannten Gesundheitsaussenpolitik wieder hereingelassen (siehe Abschnitt «BAG steuert die ganze Bundesverwaltung nach Vorgaben von aussen»): Jeder Erlass des Bundes und der Kantone soll auf ihre Gesundheitsverträglichkeit überprüft werden.
Ein anderer aus Übersee importierter Begriff, den der Ständerat abgelehnt hat, ist der der «Gesundheitsdeterminanten». In der GAP werden sie trotzdem eingeführt: Unter diesem Titel ist als Ziel vermerkt: «Das Bewusstsein anderer Sektoren für Determinanten wird auf nationaler und internationaler Ebene gefördert./Ansätze und Lösungen zur Beeinflussung der Determinanten der Gesundheit werden praxistauglich gemacht./Umsetzungen der Strategien zur Gesundheitsförderung werden gefördert./Multi- und intersektorielle Zusammenarbeit und Prozesse in operationellen Programmen werden genutzt und gefördert.» (GAP, S.19)
Das vom Nationalrat schon im ersten Durchgang abgelehnte schweizerische Präventionsinstitut wird durch eine Koordinationsstelle Gesundheitsaussenpolitik ersetzt, die die «Kohärenz der Gesundheitsaussenpolitik als Teil der gesamten Schweizer Aussenpolitik anstrebt» und zu diesem Zwecke alle Bundesstellen vernetzt und mit Informationen versorgt. (GAP, S. 24).
• Mit der Zustimmung zum Präventionsgesetz soll das Parlament also auf Druck der «Präventionsexperten» nur noch abwinken, was der Bundesrat ohnehin vorhat. Das allein ist schon ein Grund für ein kräftiges Nein zu dieser Mogelpackung.
Sehr interessant sind auch einige der tabellarisch aufgelisteten 20 Ziele der Schweizerischen Gesundheitsaussenpolitik. Neben dem sinnvollen Einsatz für die Gesundheit in Entwicklungs- und Schwellenländern verfolgt die GAP des Bundesrates auch einige ganz anders gelagerte Ziele:
Engere Anbindung an die EU (Ziel 1)
Als angestrebte Resultate werden unter anderem angegeben:
«Ein Abkommen mit der EU in den Bereichen Landwirtschaft, Lebensmittel- und Produktesicherheit und öffentliche Gesundheit ist abgeschlossen.»/«Die Schweiz wirkt bei den wesentlichen EU-Institutionen und Schnellwarnsystemen im Gesundheitsbereich (ECDC, EWRS, EFSA, RASFF) sowie im Gesundheitsprogramm mit.» (GAP, S. 15)
• Offenbar sagt jetzt das BAG, welche bilateralen Verträge die Schweiz abschliessen und an welchen EU-Programmen sie teilnehmen soll!
BAG treibt Beeinflussung durch OECD voran. (Ziel 4)
«Die Schweiz setzt sich seit mehreren Jahren für eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen der OECD und der WHO ein. In diesem Zusammenhang hat sie insbesondere für die Dauer von zwei Jahren die Entsendung eines WHO-Experten zur OECD finanziert.» (GAP, S. 12) Von dort soll dann das Schweizer Gesundheitswesen beeinflusst werden: «Durch multilaterale (OECD, WHO usw.) und bilaterale Vergleiche werden wesentliche Erkenntnisse zur Weiterentwicklung des Schweizer Gesundheitssystems gewonnen.» (GAP, S. 16)
In Wirklichkeit haben die beiden Organisationen überhaupt nichts miteinander zu tun. Die WHO ist eine wichtige Unterorganisation der Uno, während die OECD eigentlich ein blosses Büro ist, das ungefragt Ranglisten und Statistiken erstellt und sich damit unter Umgehung des innerstaatlichen Rechts in die inneren Angelegenheiten souveräner Staaten einmischt; z.B. mittels grauer oder schwarzer Listen bezüglich «Steueroasen» – allerdings unter Auslassung der angloamerikanischen Steueroasen. Oder über Bologna und Pisa in die nationalen Bildungssysteme.
In bezug auf das Schweizer Gesundheitssystem haben OECD und WHO auf Einladung durch Bundesrat Couchepin hin (!)in den Jahren 2006 und 2011 der Schweiz einen umfangreichen Katalog von «Empfehlungen» für die «Verbesserung» unseres anerkannt guten Gesundheitswesens inklusive Prävention geliefert.2
• Weder das Parlament noch das Volk werden gefragt, ob wir diese fremden Einflüsse und Einmischungen wollen.
Ausbildung des Schweizer Gesundheitspersonals nach Vorgaben aus dem Ausland (Ziel 14)
«Der globale Verhaltenskodex der WHO für die internationale Anwerbung von Gesundheitskräften ist umgesetzt. / Die Schweiz erstellt ab Mai 2012 alle drei Jahre einen Bericht über die Umsetzung des WHO-Verhaltenskodex./Der Schweizer Markt berücksichtigt die Richtlinien des WHO-Verhaltenskodex bei der Ausbildung und Anstellung von Gesundheitspersonal.» (GAP, S. 20)
Auch dies ist ein massiver Eingriff in die Kompetenzen der Kantone: Plötzlich müssen die Kantonsspitäler und die Berufsfachschulen die Deckung ihres Personalbedarfs und die Ausbildung ihrer Gesundheitsfachkräfte nach einem WHO-Verhaltenskodex richten, ohne gefragt zu werden. Im übrigen geben WHO und OECD selber zu, dass die Schweiz über eines der besten Gesundheitswesen verfügt.
Das Präventionsgesetz wird bereits ins Programm aufgenommen, obwohl das Parlament oder das Volk auch noch nein sagen können. (Ziel 16)
«Die Schweiz setzt die bereits bestehenden nationalen Präventionsprogramme und – sobald in Kraft – das Bundesgesetz über Prävention und Gesundheitsförderung (Präventionsgesetz) konsequent um.» (GAP, S. 21f.) [Hervorhebung Zeit-Fragen]
• Sorgen wir also dafür, dass das PrävG nicht in Kraft tritt!
Das BAG will mit seinem Rauschgift-Verteilprogramm die ganze Welt beglücken. (Ziel 17)
Nicht genug damit, dass Thomas Zeltner der Schweiz seine unsägliche Drogenpolitik aufgedrängt hat: Heute setzt sich die «Schweizerische Gesundheits‹Aussen›-politik» zum Ziel, die Verteilung von Rauschgiften an Drogensüchtige möglichst weit zu verbreiten:
Angestrebtes Ziel in der Drogenpolitik: «Die vier Säulen der Drogenpolitik (Prävention, Therapie und Wiedereingliederung, Schadenminderung, Kontrolle und Repression) international etablieren./In der internationalen Drogenpolitik ist der Schweizer Ansatz gemäss dem Vier-Säulen-Prinzip (Prävention, Therapie und Wiedereingliederung, Schadenminderung sowie Kontrolle und Repression) breiter anerkannt.»
• Schliesslich brüsten sich die eifrigen Schüler von Thomas Zeltner im heutigen BAG damit, dass dieser die Schweiz seit 20 Jahren zu einer Drogenpolitik gedrängt hat, in der nicht wie in fast allen anderen Ländern die Hilfe zum Ausstieg an erste Stelle stellt, sondern die Sucht mit der Abgabe von Heroin und anderen Rauschgiften «behandelt» wird.
Ohne dass das Präventionsgesetz vom Parlament und Volk angenommen worden ist, versucht der Bundesrat an der Legislative vorbei eine sogenannte Gesundheitsaussenpolitik zu etablieren, die nichts mit Stärkung des Gesundheitswesens in den Entwicklungs- und Schwellenländern zu tun hat, sondern tiefgreifende Einflüsse aus dem Ausland in die Schweiz holen will. Thomas Zeltner ist nicht umsonst in Amerika «zu Hause» und hat von dort aus ein weltweites Imperium für «Gesundheitspolitik» entwickelt. Mit diesem Papier will unser Vichy-Bundesrat eine Basis legen, um alle Ziele des Präventionsgesetzes – auch diejenigen, die vom Parlament bereits abgelehnt worden sind! – an der Legislative vorbeizuschmuggeln, ohne dass diese es merken soll.
Die Herbstsession steht vor der Tür: Der Nationalrat und der Ständerat haben es in der Hand: Es ist immer noch Zeit, nein zu sagen zum Präventionsgesetz. •
1 <link http: www.bag.admin.ch themen internationales>www.bag.admin.ch/themen/internationales/13102/index.html?lang=de
2 OECD-Bericht zum Gesundheitswesen Schweiz: Wichtigste Punkte.» (2006) (<link http: www.oecd.org dataaoecd>www.oecd.org/dataaoecd/5/0/37574895.pdf), «Das schweizerische Gesundheitswesen: Analyse und Empfehlungen der OECD und der WHO», Delphine Sordat Fornerod, Bundesamt für Gesundheit; Soziale Sicherheit CHSS 1/2007
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