Israels neues Kommando für Vorstösse in die Tiefe des Raumes

Israels neues Kommando für Vorstösse in die Tiefe des Raumes

von Dr. Peter Forster

Wie der israelische Generalstab am 15. Dezember 2011 mitteilte, richtete General Benny Gantz, Generalstabschef, ein neues Kommando für Operationen in der Tiefe des Raumes ein. In Israel heisst die neue Befehlsstelle schon das «Iran-Kommando».
General Gantz persönlich wollte das neue Kommando. Was er am 15. Dezember befahl, kommt in der 64jährigen Geschichte der israelischen Armee einer sanften Revolution gleich.

Drei Elite-Einheiten

Erstmals fasst der Generalstabschef unter seiner Führung die drei legendären Sondereinheiten der Streitkräfte zusammen. Es sind dies:
•    Sayeret Matkal (Späher des Generalstabs), die Aufklärer- und Kampftruppe des militärischen Nachrichtendienstes Aman, die auch von anderen Geheimdiensten wie dem Mossad eingesetzt wird. «Die Einheit», wie sie in Israel heisst, operiert von einem geheimen Stützpunkt in der Küsten­ebene aus.
•    Jechidat Shaldag (Einheit Eisvogel), eine Elite-Einheit der Luftwaffe, besonders geschult in der Aufklärung, der Geiselbefreiung und dem Krieg gegen den Terror. Sie ist auf dem Militärflugplatz Palmachim südlich von Tel Aviv stationiert.
•    Shayetet 13 (Flotte 13), die Sondertruppe der Marine, spezialisiert auf Angriffe vom Meer aus, auf Sabotage, Geiselbefreiung, See-Aufklärung und Enter-Aktionen. Die Flotte 13 führt ihre verdeckten Aktionen von einem Stützpunkt zwischen Hadera und Haifa an der Mittelmeerküste aus. Die Kämpfer der Marine-Elite-Einheit erinnern mit Stolz daran, dass die Flotte 13 die älteste israelische Sondertruppe ist – gegründet bereits 1948.

Entebbe 1976

Die Elite-Einheiten ziehen alle am gleichen Ende des Stricks. Unvergessen bleibt das reibungslose Zusammenspiel in der Uganda-Operation «Jonathan» vom 3./4. Juli 1976, als die israelische Armee im 4000 Kilometer entfernten Entebbe 103 Geiseln befreite.
Anderseits führte jede der Sondereinheiten stets auch ein Eigenleben. In der Auswahl der Soldaten und der strengen Ausbildung herrscht sogar eine gewisse Konkurrenz: Jede der Elite-Truppen will die beste sein. Seit langem erwog der Generalstab, die Elite-Verbände unter einem Kommando zusammenzufassen. Aber erst General Gantz entschloss sich zum «revolutionären» Schritt.

Iran, Syrien, Libanon

Mit feinem Gespür für die Gefahr nutzte Gantz die schweren Spannungen mit Iran, um die stolzen Elite-Soldaten unter sein Kommando zu zwingen.
In der Tat gebietet es die Gefahr eines israelisch-iranischen Krieges, dass der Generalstab alle Sondertruppen gebündelt einsetzt. Das neue Kommando ist ausdrücklich auf Operationen in der Tiefe ausgerichtet – und das kann heissen: am Persischen Golf oder womöglich auf stark verteidigtem iranischem Territorium.
Überdies denkt Gantz an Operationen in der Tiefe des libanesischen und syrischen Raumes:
•    Sollte es mit Syrien je wieder zum Krieg kommen, schliesst der Generalstab Aktionen im Herzen des feindlichen Nachbarn nicht mehr aus – im Norden von Damaskus, vom Mittelmeer her, mit kühnen Luftlandungen und verdeckten Aktionen.
•     Stets zu befürchten steht ein neuer Hizbollah-Krieg in Libanon. Die Hizbollah hat tiefgestaffelt ein furchterregendes Raketen-Arsenal aufgebaut – mit Waffen, die bis Tel Aviv und weiter reichen. Nur Aktionen mitten in Libanon schalten die Raketenstellungen aus.

Sinai und Suezkanal

Scharf beobachtet der israelische Generalstab die Irrungen und Wirrungen in Ägypten. Im schlechtesten Fall übernehmen dort die Muslimbrüder – im Bund mit den extremen Salafisten – die Macht.
Was das für den Frieden von Camp David bedeuten würde, liegt auf der Hand: Übernähme in Kairo der fanatische Islam das Ruder, würde Ägypten den kalten Frieden von 1978/79 aufkünden.
Seit 1982, seit dem Rückzug auf den Negev, konnte Israel seine Truppen auf Gaza, das Westjordanland, den Golan und die Libanon-Grenze ausrichten.
Würde Ägypten den Frieden brechen, käme es zu einem dramatischen Wettlauf um den Sinai und die beiden Ufer des Suez­kanals. Das einheitlich geführte Kommando über die Sondertruppen wäre dabei für General Gantz von Nutzen.
Kommandant des «Iran-Kommandos» ist Generalmajor Shai Avital, ein früherer Chef der Sayeret Matkal. Avital ist direkt dem Generalstabschef unterstellt und hat die Befehlsgewalt über die Sondertruppen.

Minister und Generale

Das neue Kommando wird mit dem amerikanischen Special Operations Command (Socom) verglichen, das von Fort Bragg aus unter Admiral William McRaven operiert. Am 1./2. April 2011 führte das Socom den Schlag gegen bin Ladin.
Aus den israelischen Sondertruppen gehen Generale und hohe Politiker hervor. Benjamin Gantz kommandierte die Shaldag, und die Sayeret-Kaderliste liest sich wie das Verzeichnis der Minister, Generalstabs- und Geheimdienstchefs.
Sayeret-Kader waren Dado Elazar (Generalstabschef 1973), Ehud Barak (Verteidigungsminister), Benjamin Netanjahu und sein in Entebbe gefallener Bruder Jonathan, Shaul Mofaz, Moshe Yaalon (beide Generalstabschefs und Minister), Dani Yatom (Mossad) und Avi Dichter (Shin Bet).
So erstaunt es nicht, dass die Aufwertung der Elite-Truppen in Israel auf breite Zustimmung stösst.    •

Quelle: Dr. Peter Forster, Der Schweizer Soldat, 2/2012

Getrübte Vorhersage für den Krieg mit Iran
Die Eskalation der Spannungen im Persischen Golf und die begleitende Bereitstellung militärischer Kapazitäten in der Region vermitteln den Eindruck, dass der Krieg fast unvermeidbar ist. Die Maschinerie ist angekurbelt und dreht sich von Tag zu Tag schneller und schneller, wie es bei den Vorbereitungen zu den Golf-Kriegen von 1991 und 2003 war.
Obwohl die letzte Entscheidung, in den Krieg zu ziehen, bei Präsident Barack Obama bleibt, ist der Entscheidungsprozess selbst komplex und obskur; er involviert die amerikanische Öffentlichkeit, den Kongress, das Militär, verbündete Regierungen und die Berater des Präsidenten. Einige dieser Gruppen sind aktive Beteiligte, andere praktisch inaktiv.
Wenn man die offenkundigen Positionen dieser verschiedenen Gruppen zusammenfasst, so zeigt sich kein starker Konsens, weder dafür, in den Krieg zu ziehen, noch dafür, bei den Sanktionen zu bleiben. Und so ist ein Krieg zwischen den USA und Iran keine ausgemachte Sache, wie es oft angenommen wird.

Quelle: Asia Times, 17. Februar 2012
<link http: www.atimes.com atimes middle_east nb17ak01.html>www.atimes.com/atimes/Middle_East/NB17Ak01.html

Israel verfügt im weiteren über folgende Elitetruppen

Duvdevan: eine Sonderformation der Fallschirmbrigade, eingesetzt vornehmlich im besetzten Westjordanland.
Egoz: die Aufklärer- und Anti-Guerilla-Truppe der Golani-Brigade, mit reicher Erfahrung aus Südlibanon.
Alpinistim: Sondertruppe für den Gebirgskampf, namentlich auf dem Hermon (2814 Meter über Meer), schützt elektronische Horchposten auf dem Hermon und dem Har Avital.
Sayeret Rimon: Aufklärer des Süd-Kommandos.
Die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Eine der berühmtesten Sondertruppen, die Einheit 101 von Ariel Sharon, wurde aufgelöst.

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