Brief an Eveline Widmer-Schlumpf

Brief an Eveline Widmer-Schlumpf

Frau Bundespräsidentin
Eveline Widmer-Schlumpf
Vorsteherin des EFD
Bundesgasse 3
3003 Bern

Bern, 22. Dezember 2012

 

Ihre Äusserungen zum automatischen Informationsaustausch

Sehr geehrte Frau Bundespräsidentin
Im Rahmen Ihrer Jahreskonferenz zum Bundespräsidium haben Sie eine Diskussion über die Einführung des Automatischen Informationsaustausches (AIA) gefordert und das Abgeltungssteuermodell für zukünftige Sachverhalte in Frage gestellt. Dabei sollte die Schweiz den Marktzutritt bei der EU gegen die Aufhebung des Bankkundengeheimnisses eintauschen. Damit würde nicht nur das Bankkundengeheimnis preisgegeben, sondern gleichzeitig auch die in unserem Staatswesen tief verwurzelte, auf die Selbstverantwortung der Bürger bauende Grundhaltung. Nach EU-Manier würden die Bürger unter Generalverdacht gestellt und das Misstrauen des Staates gegenüber dem Bürger zur Maxime erhoben.
Wir sind zutiefst besorgt über diese unser Land schädigenden Äusserungen und protestieren in aller Form:
1.    Der Bundesrat hat erst am Vortag Ihrer Äusserungen die Finanzmarktstrategie verabschiedet und den AIA abgelehnt bzw. dessen Nachteile dargestellt. Damit wurde ein monatelanger Prozess in Zusammenarbeit mit Experten und Betroffenen abgeschlossen. 24 Stunden später fallen Sie dem Gesamtbundesrat in den Rücken und verletzen das Kollegialitätsprinzip.
2.    Damit bestätigen Sie ausländische Stimmen, welche Schweizer Politiker als wankelmütig einstufen. Gemäss einem Bericht des französischen Senats nutzt das Ausland diese Schwäche gezielt aus: «En lisant régulièrement la presse helvétique, on con­state d’ailleurs que la classe politique suisse est relativement fragile: lorsqu’on passe à l’offensive, elle a tendance à accorder des concessions et il faut continuer à mettre la pression sur ce territoire.» Als Bundesrätin, geschweige denn als Bundespräsidentin haben Sie nicht die politische Kakophonie anzuheizen, so wie Sie es im Falle der Abgrenzung/Aufhebung des Bankkundengeheimnisses im Inland vor einigen Wochen bereits machten.
3.    Ihr Vorschlag einer offenen Diskussion ist zudem materiell untauglich: Gleichzeitig mit Ihrer verfehlten Konzessionsbereitschaft lehnte die EU neue bilaterale Verträge ohne Lösung der institutionellen Fragen ab. Ihr Vorschlag ist somit ein Versuch am untauglichen Objekt und schwächt die Position der Schweiz.
4.    Anstatt den Angriff von SP-Parteipräsident Levrat gegen Staatssekretär Ambühl zu kontern, haben Sie diesen nahtlos fortgesetzt und damit die Verhandlungsposition unseres Landes weiter geschwächt. Damit haben Sie auch die einfachsten Führungsgrundsätze verletzt. Letztlich sind jedoch Sie und der Gesamtbundesrat und nicht Ihr hervorragender Chefunterhändler für die Strategie verantwortlich.
5.    Die Einsetzung einer neuen externen Expertengruppe zur Finanzmarktstrategie, die Sie uns anlässlich der letzten Von-Wattenwyl-Gespräche als «Zweitmeinung» präsentierten, zeigt sich in einem neuen Licht: Da Sie offenbar weder die direkt Betroffenen noch Ihren Staatssekretär in dieser Gruppe haben wollten, scheint das Mandat der Gruppe die von Links geforderte Einführung des AIA zu sein.
6.    Unbegreiflich ist schliesslich, dass Sie gemäss gut unterrichteten Quellen den Abschluss weiterer Doppelbesteuerungsabkommen offenbar als nicht prioritär ansehen. Solche Abkommen mit aufstrebenden Staaten sind zentral für die Schweizer Firmen.
7.    Alle oben angeführten Punkte sind Wasser auf die Mühlen jener, welche behaupten, dass Sie der Druck auf Sie ausübenden Linken nachgeben, um Ihre Wahlschuld zu begleichen. Vor diesem Hintergrund stellen wir uns die Frage, ob das SIF weiterhin im EFD am richtigen Ort ist. Es erscheint uns angezeigt, dieses wichtige Amt samt seinem Chefunterhändler einem anderen Departement zu unterstellen.
Wir erlauben uns nochmals, unsere grosse Besorgnis über Ihre Politik auszudrücken. Seien Sie versichert, dass die FDP.Die Liberalen erbitterten Widerstand dagegen leisten und alles daransetzen wird, das die von Ihnen geäusserte Stossrichtung niemals mehrheitsfähig wird – aus Liebe zur Schweiz.

Freundliche Grüsse
FDP.Die Liberalen
Der Parteipräsident
Philipp Müller, Nationalrat
Die Fraktionspräsidentin
Gabi Huber, Nationalrätin

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