von Prof. Dr. Albert A. Stahel, Institut für Strategische Studien, Wädenswil
In den vergangenen 10 Jahren haben die USA dreimal in arabischen Staaten direkt oder indirekt politisch oder militärisch interveniert. Im Irak 2003, in Libyen und Ägypten 2011 haben die USA durch ihre Interventionen die herrschenden Despoten gestürzt. Im Falle Iraks haben sie den ehemaligen Machthaber Saddam Hussein durch seine innenpolitischen Gegner hinrichten lassen. Libyens Gaddafi haben sie, nach einer intensiven Bombardierung durch die eigenen Streitkräfte und jener der Nato-Alliierten, durch einen Mob auf der Kühlerhaube eines Fahrzeuges kastrieren und anschliessend durch einen bezahlten Söldner erschiessen lassen. Was Ägyptens Pharao, Hosni Mubarak, betrifft, so muss dieser nach wie vor auf seine endgültige Verurteilung in einem undurchschaubaren Prozess warten, die möglicherweise zu seiner Hinrichtung führen könnte.
Welches waren am Ende die Ergebnisse und damit die Leistungsausweise dieser drei Interventionen der USA? Die Menschenrechtsverletzungen der drei Despoten sollen nachträglich nicht entschuldigt werden, trotzdem lohnt sich ein Blick auf die gegenwärtige Lage in den drei Staaten. Nach dem Abzug der USA 2011 steht der Irak auf Grund der Wahl-Manipulationen der schiitischen Regierung von al-Maliki und der Intrigen des saudischen Regimes am Rande eines Bürgerkrieges. Al-Maliki wird dabei durch Teheran unterstützt und die sunnitischen Stämme und Salafisten werden durch Saudi-Arabien finanziert und aufgehetzt. Al-Kaida im Irak erlebt dank den Saudis einen neuen Aufschwung, was sich in neuen Anschlägen gegen die Schiiten und ihre religiösen Einrichtungen zeigt.
Auch nach der gewaltsamen Beseitigung von Gaddafi herrscht in Libyen ein Chaos. Es ist nicht gelungen, eine funktionsfähige Regierung und Verwaltung zu bilden. Ohne diese hat Libyen keine Zukunft. Auch hier herrscht Anarchie, die insbesondere durch die Salafisten und ihre al-Kaida-Ableger ausgenützt wird.
In Ägypten hat der Sturz von Mubarak zur Machtübernahme durch die Moslembruderschaft und deren Präsidenten Mursi geführt. Seither zerfällt die Volkswirtschaft Ägyptens. Das Land ist innenpolitisch zerstritten. Auch hier hetzen die Salafisten gegen die religiösen Minderheiten auf, so zum Beispiel gegen die christlichen Kopten. Die einzige funktionsfähige Institution wäre die Armee, aber die Absichten der Generäle blieben bis anhin unklar. Möglicherweise haben sie sich mit den Moslembrüdern arrangiert.
Der nächste Kandidat für den Sturz eines Despoten ist offensichtlich Syrien. Nach dem Fall von Saddam Hussein und dem Abzug der USA aus dem Irak erhält al-Maliki seine Weisungen von den Ayatollahs Irans. Dank der Förderung der mit ihnen verbündeten Hizbollah des Libanon und der Unterstützung des Alawiten al-Assad von Syrien erstreckt sich der geopolitische Einfluss von Teheran beinahe auf den gesamten schiitischen Halbmond des Mittleren Ostens. Auch der westliche Teil von Afghanistan mit der alten Hauptstadt Herat gehört heute zum iranischen Machtbereich. Durch den Sturz von Assad wollen die USA Iran geopolitisch schwächen. Der schiitische Halbmond soll in zwei Teile zerfallen. Bei diesen Machenschaften werden die USA durch ihre saudischen Alliierten unterstützt, die damit ihren schiitischen Erzfeind Iran niederringen wollen. Zu diesem Zweck unterstützen sie ihre sunnitischen Vollstrecker in Syrien und im Irak mit Geld und Waffen.
Auch der zweite Verbündete der USA in der Region, die Türkei Erdogans, will Assad beseitigen und ein sunnitisches Regime in Damaskus errichten. Erdogan, der sich dabei von der Wahnidee der Wiedererrichtung des Osmanischen Reichs leiten lässt, ermöglicht die Waffenlieferungen an die syrischen Aufständischen. Willig beklatschen die Nato-Alliierten Grossbritannien und Frankreich den Niedergang von Syrien, ohne allerdings die Konsequenzen des Falls von Assad zu bedenken. Das Ausbluten des syrischen Regimes dürfte zum Zerfall von Syrien in verschiedene Teile – in einen sunnitischen Staat und ein Refugium der Alawiten – führen. Dabei würde auch eine bisher wenig beachtete Büchse der Pandora geöffnet werden. Es wäre nicht nur damit zu rechnen, dass in Damaskus die Salafisten von Riads Gnaden die Macht übernehmen könnten, sie würden sich auch sehr schnell mit ihren Genossen im Irak vereinigen und versuchen, ein sunnitisches Grossreich zu begründen. Das Ergebnis wäre sowohl ein Zerfall Syriens wie auch des Iraks. Wie im Irak würde die christliche Minderheit Syriens – 10% der syrischen Bevölkerung von 22,5 Millionen – vertrieben und ausgerottet werden. Der syrische Bürgerkrieg dürfte im Endergebnis, wie in Libyen, zu einer überstaatlichen Anarchie und zur Destabilisierung des gesamten Mittleren Ostens führen. Jeder arabische Staat und vermutlich auch die Türkei könnten in den Sog dieses Niedergangs geraten.
Der Sieg der Salafisten in Syrien dürfte auch gleichbedeutend mit der Herrschaft von al-Kaida in Damaskus sein, die in ihrem religiösen Eifer nicht zögern würde, ihre Macht gegenüber Europa durch Anschläge demonstrieren zu wollen. Anstelle der Erwartungen auf einen «Arabischen Frühling» wäre in der arabischen Welt der Winter eingebrochen. Die frühere hegemoniale Stellung der USA und ihrer Alliierten im Mittleren Osten wären dann nur noch eine Fussnote der Geschichte. •
Unsere Website verwendet Cookies, damit wir die Page fortlaufend verbessern und Ihnen ein optimiertes Besucher-Erlebnis ermöglichen können. Wenn Sie auf dieser Webseite weiterlesen, erklären Sie sich mit der Verwendung von Cookies einverstanden.
Weitere Informationen zu Cookies finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Wenn Sie das Setzen von Cookies z.B. durch Google Analytics unterbinden möchten, können Sie dies mithilfe dieses Browser Add-Ons einrichten.