von Dr. med. Andreas Bau
Das vorbildliche Vorgehen bei der Ehec1-Endemie2 in Norddeutschland im Mai 2011, die sich im weiteren Verlauf zu einer Epidemie ausweitete, zeigt eindrücklich, wozu eine sorgfältige, verantwortungsbewusste, enge Zusammenarbeit verschiedener dezentraler Stellen imstande ist. Es gelang in kürzester Zeit durch enges Zusammenrücken mehrerer Kliniken und ihrer Ärzte, allen voran dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (unter anderem enge Zusammenarbeit mit dem Beijing Genomics Institute, einem Forschungsinstitut nahe Hongkong),3 dem Hamburger Hygiene-Institut sowie dem Robert-Koch-Institut das oft tödliche, in diesem Fall neue Ehec-Bakterium zu identifizieren und Hunderte von Behandlungsplätzen für die oft lebensgefährlich erkrankten Patienten bereitzustellen. Die intensive Spurensuche nach dem Ursprungsort des verseuchten Nahrungsmittels war auch nach einigen Tagen dank einer konstruktiven Zusammenarbeit verschiedener Einrichtungen erfolgreich. Hier lag die Hauptverantwortung beim Robert-Koch-Institut und dem Bundesinstitut für Risikobewertung. Auch die an sehr verschiedenen Orten beheimateten, als Verursacher der Erkrankungen in Verdacht geratenen Gemüseerzeuger konnten zur Zusammenarbeit gewonnen werden. Der interdisziplinäre Ansatz und die kurzwegigen Strukturen haben sich aufs neue so wie auch schon oft in der Vergangenheit hervorragend bewährt. Das Krisenteam gewährleistete eine Zusammenarbeit in Augenhöhe. Die grosse Einsatzkraft aller beteiligten Akteure wurde nicht durch organisatorische, steuerungsbedingte Hindernisse geschwächt. Vielen Patienten konnte so das Leben gerettet werden. Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf kann mit Recht stolz darauf sein, die vielfältigen Herausforderungen im Rahmen der Ehec-Epidemie so bravourös gemeistert zu haben. Die Abläufe um und die Bewältigung der 2011 in Deutschland aufgetretenen Ehec-Epidemie sollten uns zu einem vertieften Nachdenken anregen und zugleich eine Warnung sein, wenn von verschiedenen Seiten daran gearbeitet wird, föderalistische Strukturen im Gesundheitswesen oder woanders abzubauen und durch zentralistische zu ersetzen.
Ein von einer Zentrale – etwa der WHO oder einer in Brüssel ansässigen grossvolumigen Steuerungsbehörde – befohlenes Vorgehen bei einer zunächst auf eine kleine Region begrenzten Ehec-Endemie wäre vermutlich kläglich gescheitert. Was man vor Ort lösen kann, soll man vor Ort lösen. Was so nicht lösbar ist, löst man subsidiär in Zusammenarbeit mit übergeordneten Einrichtungen. •
1 Ehec: Enterohämorrhagische Escheria Coli, Name des Erregers. Es handelt sich um eine gefährliche hochansteckende Infektionskrankheit. Das für die Krankheitsfälle verantwortliche überaus aggressive Ehec-Bakterium 0104:H4, durch eine Kombination entstanden, war bislang unbekannt; «man-made»? Die Krankheit ist so gefährlich wegen Komplikationen durch das oft tödlich verlaufende Nierenversagen bei einem HUS (hämolytisch-urämisches Syndrom).
2 Endemie: ständiges Vorkommen einer Erkrankung in einem begrenzten Gebiet. Epidemie: stark gehäuftes, örtlich und zeitlich begrenztes Vorkommen einer Erkrankung.
3 Ein Gastwissenschaftler des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE), Dr. Liang Yang, kontaktierte das Beijing Genomics Institute (Forschungsinstitut nahe Hongkong), das über Geräte verfügt, die genetische Sequenzen in rasend schneller Geschwindigkeit entschlüsseln. Das Resultat lag schon wenige Tage nach der Übermittlung einer Erregerprobe vor: Es handelt sich um einen ungewöhnlichen E.coli-Stamm, in dessen Erbgut eine besondere Kombination krankmachender Eigenschaften gefunden werden konnte. (Quelle: UKE news, September 2011)
anb. In den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts erkrankten jährlich in Deutschland bis zu 10'000 Personen, überwiegend Kinder im Alter zwischen 2 und 8 Jahren, besonders in den Sommermonaten an einer Kinderlähmung. Hunderte von Kindern mussten bei jeder Epidemie wegen einer Lähmung des Zwerchfelles in künstlichen Lungen vorübergehend oder manchmal auch lebenslang beatmet werden. Es gab viele Todesfälle. Da das Virus vorwiegend durch eine Tröpfcheninfektion, so auch im Wasser übertragen wird, wurden neben vielen anderen hygienischen Massnahmen auch Schulen, Kindergärten und öffentliche Schwimmbäder geschlossen und ein Badeverbot für Badestellen an Seen und Flüssen erlassen. Die Gesundheitsämter der Länder und verschiedener Regionen konnten eigenständig über die während einer Kinderlähmungsepidemie notwendigen Schutzmassnahmen entscheiden.
Der von Sabin entwickelte abgeschwächte Lebendimpfstoff gegen Kinderlähmung trat als Schluckimpfung Anfang der 60er Jahre unter dem Motto: «Schluckimpfung ist süss – Kinderlähmung ist grausam» seinen Siegeszug an.1 Die Impfung war eine empfohlene Impfung und weder eine obligatorische noch eine Zwangsimpfung. Die Bevölkerung machte bei dieser sinnvollen Impfung, die mit wenigen Nebenwirkungen behaftet war, sehr gern mit. So konnte die Kinderlähmung in einer weltweiten Impfaktion in einigen Jahren, bis auf einzelne Restherde, ausgerottet werden. Ein Segen für die ganze Welt.
1 <link http: www.polio-initiative-europa.de praevention impfung>www.polio-initiative-europa.de/praevention/impfung
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