Aussenpolitische Kommission erklärt EU-Beitrittsgesuch für gegenstandslos

Aussenpolitische Kommission erklärt EU-Beitrittsgesuch für gegenstandslos

 Die Übernahme von EU-Recht wurde klar abgelehnt

Interview mit Nationalrat Roland Rino Büchel, Mitglied der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrates, SVP St. Gallen

thk. Ende Oktober tagte die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats (APK-N) und hatte wichtige europapolitische Fragen auf der Traktandenliste. Bundesrat Didier Burkhalter, der in letzter Zeit mit einer willfährigen EU-Politik und einer offenen Affinität zum Kriegsbündnis Nato aufgefallen ist, wurde in der APK-N in wesentlichen Punkten bezüglich seiner innenpolitisch nicht gestützten Agenda «zurückgepfiffen».

Zeit-Fragen: In der letzten Sitzung der APK-N hat die Mehrheit der Mitglieder Bundesrat Burkhalter ein Verhandlungsmandat mit der EU übertragen, um in der institutionellen Frage zu einer Lösung zu kommen. Wie ist diese Zustimmung zu beurteilen?

Nationalrat Roland Büchel: Zuerst mussten wir den Ständerat korrigieren. Vor unserer Sitzung hatte dessen zuständige Kommission Burkhalter einen eigentlichen Freipass für diese Verhandlungen gegeben. Und zwar mit 10 zu 0 Stimmen, bei zwei Enthaltungen. Dazu hiess es nur, man würde dem Bundesrat einen Brief schreiben.

Um was für einen Brief handelt es sich hier, und was steht da drin?

Der Inhalt des Schreibens wird offenbar gehütet wie ein Staatsgeheimnis. Nicht einmal wir von der APK-N haben ihn zu Gesicht bekommen. Ich bin aber froh, dass wir in der Kommission des Nationalrates ernsthaft und sehr hart diskutierten. Schliesslich wurde das Verhandlungsmandat mit klaren Auflagen erteilt. Das Stimmverhältnis war 14 zu 6 bei einer Enthaltung. Ich bin einer der sechs, die dagegen waren.

Was heisst das für die EU-Politik Didier ­Burkhalters?

Die Zeichen der Kommission sind unmissverständlich. Sie hat sogar das EU-Beitrittsgesuch für «gegenstandslos» erklärt. Die Verhandlungsführer in der Verwaltung müssen nun in diesem Sinn und Geist agieren.

Hat es noch weitere Einschränkungen durch die Kommission gegeben?

Ja. Der Bundesrat hat immer wieder den «Binnenmarkt» erwähnt. Dem müssten wir beitreten. Das jedoch hätte ganz klar die Übernahme von EU-Recht zur Folge. Hier hat die Kommission dagegengehalten. «Marktzutritt» und «Binnenmarkt» sind zwei verschiedene Paar Schuhe.

Das ist ein entscheidender Unterschied. Wurde darüber nur diskutiert oder auch verbindlich abgestimmt?

Es wurde abgestimmt. Das Ergebnis war 13 zu 1 bei sieben Enthaltungen. Wenn das nicht eindeutig ist! Jetzt liegt es an uns, dafür zu sorgen, dass das nicht nur Scheinvoten bleiben. Das ist sehr wichtig. Trotz allem: Die Entscheide der Kommission haben nur Empfehlungscharakter.

Kann man sagen, dass die Kommission Bundesrat Burkhalter trotz der Überweisung des Verhandlungsmandats zurückgebunden hat?

Die Kommission sagte ganz klar, dass die Schweiz keine Verträge abschliessen dürfe, welche ihre Souveränität einschränkt: Sie darf sich nicht verpflichten, EU-Recht automatisch zu übernehmen und sich weder der EU- noch der EWR-Gerichtsbarkeit verbindlich unterstellen. Das sind klare Zeichen.

Wie hat der Bundesrat darauf reagiert?

Ich will nicht aus der Kommission plaudern, aber Bundesrat Burkhalter erweckte den Eindruck, als ob er mit diesem Ergebnis leben könnte.

Damit müsste eigentlich die institutionelle Frage vom Tisch sein. Keine fremden Richter, keine Übernahme von EU-Recht. Die Idee, dass man den europäischen Gerichtshof (EuGH) bei Streitigkeiten anruft und ihn um eine Begutachtung des Streitfalls bittet, vertrüge sich wohl kaum mit diesen Einschränkungen.

Das sehe ich auch so. Es gibt die klare Aussage des Präsidenten des EuGH: «Wir machen keine Gutachten, wir urteilen.» So ist es. Gutachten holt man sich woanders, aber sicher nicht beim EuGH. Aber Achtung: Dort werden Urteile als «Gutachten» bezeichnet; diese haben dennoch Urteilskraft.

In diesem Zusammenhang spricht der EuGH immer wieder von «Ausgleichsmassnahmen». Was ist das, was muss man darunter verstehen?

Die Frage ist: «Wer hat’s erfunden?». Ich habe den Eindruck, dass die Schweizer den beschönigenden Ausdruck geprägt haben. «Ausgleichsmassnahmen» sind knallharte Sanktionen. Und sonst nichts.

Denken Sie, dass unser Land solche akzeptieren würde?

Es ist nicht die Art der Schweiz, irgendwo mitzumachen und dann zu sagen, dass es uns nichts angeht. Wir sind die ersten, die alles, was nach Völkerrecht aussieht, akzeptieren und umsetzen. Vielfach mit einem vorauseilenden Gehorsam und immer mit einer grossen Ernsthaftigkeit. Das ist grundsätzlich nicht schlecht. Denn wenn man eine Abmachung trifft, hält man sie auch ein. Auch deshalb darf der EuGH als Streitbeilegungsbehörde für uns kein Thema sein.

Die Kommission hat doch mit ihrem Votum, dass die Schweiz weder der EU- noch der EWR-Gerichtsbarkeit unterstellt werden soll, Gegenposition zu den Ambitionen Didier Burkhalters bezogen.

Absolut. Ich war positiv überrascht, dass es so herauskam. Nun bin ich gespannt, wie Herr Burkhalter diesen Spagat meistern wird, oder ob er noch einen Pfeil im Köcher hat. Aber nach allem, was man auch öffentlich gehört hat, zieht es ihn in Richtung Europäischen Gerichtshof.

Wäre das nicht eine grosse Diskrepanz zwischen dem Gesagten und dem, was möglicherweise gelebt werden wird?

Doch. Interessant ist für mich auch, dass etwas, das im Privatrecht üblich ist, bisher offenbar nicht ins Spiel gebracht wurde.

An was denken Sie dabei?

Ein paritätisch besetztes Schiedsgericht wäre die naheliegende Lösung.
Warum ist das kein Thema, warum wird nicht in diese Richtung verhandelt?

Fragen Sie Herrn Burkhalter!
Wie kann man die starke Bewegung Burkhalters in Richtung EU verhindern?

Es wird eine Abstimmung geben. Heute wissen wir noch nicht, was den Stimmbürgern schlussendlich präsentiert wird. Ich gehe davon aus, dass dieser Volksentscheid im Jahr 2015 getroffen wird.

Von der EU gab es eigentlich keinen Vorstoss, man müsse die institutionelle Frage lösen, das kam doch eher von der Schweiz aus. Wie muss man das verstehen?

Das müssen Sie Herrn Burkhalter oder Herrn Rossier fragen. Mein Eindruck ist, dass der Staatssekretär im EDA eine starke Rolle spielt. Was tagtäglich auf der Verwaltungsebene abläuft, ist sehr relevant. Alles, was wir jetzt zur institutionellen Anbindung an die EU hören, ist ein Ausfluss dieser Tätigkeit.

Die Verwaltung will sich also stärker an die EU anbinden?

Ich glaube schon, dass Leute wie Rossier darauf hinarbeiten, auch wenn der EDA-Staatssekretär nach seinen (ehrlichen) Äusserungen im Sommer offenbar zurückgepfiffen worden ist. Damals sagte er betreffend EuGH ganz klar, dass es «fremde Richter» sind.

Es kann doch nicht sein, dass die Verwaltung ohne Mandat weiterhin einen Kurs Richtung EU einschlägt?

Genau darum bin ich über zwei Entscheide sehr froh. Nämlich, dass die APK-N beschlossen hat, dass die Schweiz nicht die Absicht hegt, dem europäischen Binnenmarkt beizutreten, und dass das EU-Beitrittsgesuch als gegenstandslos zu betrachten sei.

Wissen das die Leute im EDA, insbesondere die Verhandlungsführer?

Ich gehe davon aus, dass ihnen dieser Entscheid zwischenzeitlich mitgeteilt worden ist. Zur Sicherheit werde ich in der Fragestunde des Nationalrats noch nachhaken. Doppelt genäht, hält besser.

Es ist schon erstaunlich, dass es in Anbetracht der Umstände immer noch Leute gibt, die einem EU-Beitritt etwas abgewinnen wollen.

Die Klärung der institutionellen Anbindung ist entscheidend. Diese Frage muss alles dominieren. Dabei geht es um die Zukunft der Schweiz. Es ist wieder eine ähnliche Situation wie 1992, als wir über den EWR als «Trainingslager für den EU-Beitritt» abstimmten.

Man hat den Eindruck, dass die Bewegung Richtung EU vielfach schleichend und nicht offen abläuft.

Ich sehe es auch so. Das ist konzeptionell so aufgegleist. Schnell heisst es dann: Jetzt sind wir schon so weit, jetzt können wir nicht mehr zurück. Diese Vorgehensweise ist weniger ehrlich als jene derjenigen, welche den EU-Beitritt als deklariertes Ziel haben. Mit solchen Leuten kann man über die Frage diskutieren.

Und mit den anderen?

Was die «schleichenden Beitreter» bieten, ist ein gefährliches Spiel für unser Land. Sagen wir es einmal deutsch und deutlich: Die EU von heute ist eine Fehlkonstruktion. Das müss­te nicht sein, aber es ist so.

Brauchen wir, um uns auch gegen den ständigen Druck der EU zu behaupten, nicht auch eine Verteidigungsarmee, die diesen Namen verdient?

Nicht nur die EU macht Druck. In den letzten Wochen hat man gesehen, dass Staaten, die sich als «Freunde» bezeichnen, sich in Tat und Wahrheit wie höchst unangenehme Gesellen aufführen können.

Wie meinen Sie das konkret?

Dass Regierungen andere Staaten, internationale Institutionen und Bürger bespitzeln, ist nicht neu. Wenn Friedensnobelpreisträger Obama der oberste Verantwortliche für die Abhöraktionen in vielen «befreundeten» Ländern ist, dann kann man das an Ironie kaum mehr überbieten. Wer solche «Freunde» hat, muss vorbeugen. Dazu gehört die Fähigkeit, das Land zu verteidigen. Die Welt ist stärker in Bewegung, als es uns lieb ist. Darum ist eine starke Armee für uns absolut notwendig.

Herr Nationalrat Büchel, herzlichen Dank für das Gespräch.    •

Interview Thomas Kaiser

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