Eigenständig, innovativ und weltoffen – dem Ausbildungs- und Werkplatz Schweiz Sorge tragen

Eigenständig, innovativ und weltoffen – dem Ausbildungs- und Werkplatz Schweiz Sorge tragen

Zum Bildtextband «Ingenieure bauen die Schweiz – Technikgeschichte aus erster Hand»

von Urs Knoblauch, Gymnasiallehrer und Kulturpublizist, Fruthwilen TG

Die Neuerscheinung «Ingenieure bauen die Schweiz – Technikgeschichte aus erster Hand» der Herausgeber Franz Betschon, Stefan Betschon, Jürg Lindecker und Willy Schlachter (Verlag Neue Zürcher Zeitung 2013) und der fünfzig Koautoren erscheint zum richtigen Zeitpunkt. Zu stark werden heute die Banken und die Versicherungen ins Zentrum gestellt, obwohl sie nur einen minimalen Beitrag zum Bruttosozialprodukt beisteuern. Der überwiegend grösste Teil unseres Wohlstands wird durch die produzierenden Wirtschaftsunternehmen, durch ehrliche und solide Arbeit, durch unsere vielfältigen KMU-Betriebe erarbeitet. Es sind gerade nicht die Banken, Börsen und Aktienmärkte, die unser Gemeinwohl ausmachen. In diesem Sinn weisen die Autoren des Buches auch darauf hin, dass die Schweiz nicht zu einem Dienstleistungsland aus Informatikern, Pflegern und Anlageberatern werden darf.
Unsere bisherige erfolgreiche Volkswirtschaft stützt sich auf das bewährte duale Berufsbildungssystem mit weiterführenden Schulen und unserem innovativen Technikwerkplatz Schweiz. Mit dem reich illustrierten Buch können Lehrer und Schulen der Jugend dieses spannende Berufsfeld näherbringen. Das Bildungsniveau muss angehoben werden. Gerade mit dem propagierten, geplanten neuen «Lehrplan 21» kann dieses Ziel aber nicht erreicht werden. Der dringend nötige Nachwuchs an Ingenieuren und Technikern muss gefördert werden. Jugendliche sind gerade heute für die Technologie, die geschichtlichen Hintergründe und Bezüge zur Welt zu begeistern. Hier sollte auch die verheerende ideologische Technikfeindlichkeit der Frankfurter Schule (Dialektik der Aufklärung) korrigiert werden und der Sinn der Technik – als Allgemeinwohlbeitrag – dargelegt werden.
«Die Herausgeber und die Autoren wollen das Wissen darüber bewahren und halten Erstaunliches und Einmaliges fest. Sie erzählen für jedermann verständlich von Visionen und Emotionen, erfolgreichen Produkten, aber auch verpassten Chancen. Das Buch ist zugleich Rückblick und Zukunftsbewältigung und eine Hommage an die Macher der modernen Schweiz.» Hochaktuell sind dabei auch die Bezüge zur Gegenwart: «Es war für die Herausgeber ein emotional bewegendes Unterfangen, ein Buch über schweizerische Technologie zusammenzustellen. Gespräche mit fast fünfzig Koautoren und Informanten liessen Erinnerungen wach werden an herausragende Persönlichkeiten der jüngeren Schweizer Industriegeschichte, an technische Meisterleistungen, an wirtschaftliche Durchbrüche, aber auch an destruktive Managemententscheide und Firmenzusammenbrüche. Oft wurde der Niedergang eingeleitet durch einen Führungswechsel, auf Industrielle folgten Financiers, die den kurzfristigen Profit über alles stellten. So wurden auch weltbekannte, traditionsreiche Industrieunternehmen ruiniert. Das vorliegende Buch, das die Leistungen bedeutender Ingenieure würdigt, will mehr sein als nur ein Geschichtsbuch. Auch wenn hier wichtige Episoden der jüngeren Technikgeschichte aufgearbeitet werden, auch wenn hier Aufstieg und Fall bedeutender Industrie­unternehmen nachgezeichnet werden, so ist das Buch doch nicht bloss als Rückblick gedacht, sondern auch als vertrauensvolle ‹Zukunftsbewältigung›».
Mit diesem ausgezeichneten Buch und der Würdigung der grossen Schweizer Unternehmer- und Ingenieurleistungen können heute das «Modell Schweiz» als Willensnation, eine solide Bildung und die produzierende Wirtschaft gestärkt werden.

Die weltoffene Schweiz, die Unesco und die Technik und Wissenschaften als Bestandteil der Kultur

uk. Die hier dargestellte Technik- und Ingenieurgeschichte führt den Leser auch auf die Gründung der Unesco, der Organisation der «Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur» hin, welche als Unterorganisation der Vereinten Nationen (Uno) 1945 gegründet und 1946 ratifiziert wurde. Das Grundanliegen war «durch Zusammenarbeit der Völker der Erde auf diesen Gebieten den Weltfrieden und den allgemeinen Wohlstand der Menschheit zu fördern – Ziele, um derentwillen die Vereinten Nationen gegründet wurden und in deren Charta verkündet sind.»
Die Schweiz ist Teil der Weltgemeinschaft und seit 1949 auch Mitglied der Unesco. Sie verpflichtete sich dabei unter anderem dazu, «Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler aller Stufen die wichtigsten Informationen über die Existenz, Ziele und die Tätigkeiten der grossen internationalen Organisationen des UN-Systems und vor allem der Unesco zu vermitteln».
Die Schweiz wurde zudem aktives Gründungsmitglied des internationalen Netzwerkes der Unesco-assoziierten Schulen. Zahlreiche qualifizierte Lehrkräfte und Ingenieure aus der Schweiz setzten sich in Afrika und Asien für den Aufbau dortiger Unesco-Schulen und Einrichtungen ein. Heute wird dies durch die Deza und viele andere Organisationen verstärkt. Auch hier zeigt sich die Weltoffenheit und humanitäre Gesinnung. Diese ethische und wissenschaftliche Haltung und die Ansprüche der Unesco sowie der Geist J. H. Pestalozzis waren zentral in unseren bewährten Schulen und Lehrplänen. Das müsste wieder aufgegriffen werden. Mit unserem «Modell Schweiz» haben wir erfolgreich und bewusst einen Sonderweg als Willensnation beschritten. Durch das gleichwertige Zusammenwirken aller Bürger in der direkten Demokratie, dem hohen Bildungsstand und der Leistungsbereitschaft wurde auch unsere erfolgreiche Technikgeschichte möglich. Auch die Unesco muss sich wieder auf ihre ursprünglichen Ziele und Aufgaben konzentrieren. Es darf nicht zugelassen werden, dass die USA mit Druckversuchen und Verweigerung der finanziellen Beiträge die wichtige Organisation gefährdet. Die Völker und Mitgliedländer dürfen das nicht zulassen.

Die Landi 39 – ein Gemeinschaftswerk der wehrhaften Schweiz

uk. Das wichtige Gemeinschaftswerk hat der grosse Schweizer Architekt Armin Meili als Direktor der «Landi», wie die Schweizerische Landesausstellung 1939 in Zürich liebevoll in der Bevölkerung genannt wurde, gestaltet. (Zeit-Fragen hat in der Ausgabe von 5. September 2013 im Beitrag «Durchhalten in schwerer Zeit» eindrücklich darüber berichtet.) Armin Meili hat auch die besten Künstler und Mitarbeiter der Zeit für die gemeinsame Sache gewonnen und die Herzen aller Besucher erreicht. Der jüngeren Generation ist dieser grossartige Wehrwille und diese kulturelle Gemeinschaftsleistung nicht mehr bekannt. Es bestehen jedoch wertvolle Dokumente, Bücher und zwei ausführliche Bild-Text-Bände (fast 2000 Seiten): «Die Schweiz im Spiegel der Landesausstellung 1939». Auch die Publikation «Die Landi – Erinnerungen, Dokumente, Betrachtungen» (Rothenhäusler Verlag 1989) enthält bewegende Berichte von Zeitzeugen. Dies kann uns Heutigen wieder die Augen öffnen und zu einer Umwertung der Werte führen. Tatsache ist, dass die geistige Landesverteidigung damals über alle Parteigrenzen, Konfessionen und Interessengruppen von einer grossen Mehrheit der Bevölkerung gestaltet und mitgetragen wurde. Diese Arbeit und viele Zeitzeugen, die Berichte zurückgelassen haben, verdienen es, auch der kommenden Generation anständig vermittelt zu werden.

Die Stärken der Schweiz erhalten: eigenständig, innovativ und weltoffen

Die Beiträge im Buch und der Blick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit machen deutlich, dass die Schweizer Industrie auch heute führend und der entscheidende Faktor für den Wohlstand in unserem Land ist. Der Präsident der Schweizerischen Akademie der technischen Wissenschaften, Ulrich W. Suter, schreibt einleitend zur Technikgeschichte: «Die Schweiz hat im 19. Jahrhundert durch Technisierung und Industrialisierung einen unerhörten wirtschaftlichen Aufstieg und einen gewaltigen gesellschaftlichen Wandlungsprozess erlebt. Die treibende Kraft in dieser Entwicklung sind die Ingenieure. Es scheint, dass das Ingenieurwesen unserem Charakter und unseren Gewohnheiten gut entspricht.»
Zum Werkplatz Schweiz gehört auch unsere Landwirtschaft mit wertvollen und modernsten Maschinen. Vielfältige und unabhängige lokale Projekte von kleinen und mittleren Betrieben bilden zusammen mit unseren grossen Unternehmen die ideale Mischung für eine gesunde Volkswirtschaft. Dabei bilden die Innovations- und Leistungsbereitschaft und das hohe Bildungsniveau die Basis.
Es ist beeindruckend, wie die hier dargestellten verantwortungsbewussten Unternehmer und unsere produzierenden, leistungsfähigen, grösseren und kleineren Betriebe mit allen ihren Mitarbeitern dies erarbeiteten. Moderne und innovative Industrieunternehmen haben zur Blüte der Schweizer Volkswirtschaft und zur Vorbildwirkung in aller Welt geführt. «Die Schweiz verdankt ihre Wirtschaftskraft und ihren Wohlstand der produzierenden Industrie im 19. und 20. Jahrhundert: den grossen Unternehmen wie Brown Boveri, Saurer, Sulzer, Rieter, Wild Leitz, Bühler usw., Hunderten von KMU sowie herausragenden Ingenieurleistungen. Heute sind viele dieser Firmen verschwunden, und viele der technischen Pionierleistungen sind wenig bekannt oder gar vergessen.»

Beispiele wegweisender Schweizer Ingenieure und Unternehmer

Im folgenden sollen einige weitere Einblicke aus den Themenblöcken Rotationsmaschinen, elektrische Maschinen, Turbomaschinen, Kolbenmaschinen, Produktionstechnik, Infrastrukturbauten, Land- und Luftfahrzeuge, Optikindustrie, Uhrenindustrie, Informations- und Kommunikationsindustrie und Ausbildung gegeben werden. Interessant sind beispielsweise die Beiträge zum «Kraftort Oerlikon» mit der Geschichte der Maschinenfabrik Oerlikon (MFO). Hier wird Einblick gewährt in die «Genesis von Stromerzeugung und Stromverteilung». Dabei werden viele Orte der Schweiz als «Kraftorte» in Erinnerung gerufen, besonders unsere gröss­te Kraftquelle – das Wasserschloss Europas.
Mit der Gründung des Bundesstaates 1848 entwickelte sich auch der Eisenbahnbau mit all seinen technischen Anforderungen. Hochwertige Schmiede- und Gusstechnik, Elektrotechnik und das «weisse Gold» unserer Alpen, Gletscher und Seen wurde entscheidend für die elektrische Energieerzeugung und Kraftübertragung mit Freileitungen in die Fabriken und Haushalte. Der Standort von Gewerbe und Fabriken wurde so unabhängig von Gewässern. Der grosse Erfolg der Schweizer Wasserkraftwerk-Technik wurde weltumspannend. Es war der unternehmerische Geist von Peter Emil Huber, Sohn des Seidenfabrikanten Johann Rudolf Huber. 1836 in Zürich geboren, war er einer der ersten Studierenden am neueröffneten Eidgenössischen Polytechnikum. Die Entwicklungen in der Maschinenfabrik Oerlikon wurden zu einem wegweisenden Gemeinschaftswerk aller Beteiligten, vom Arbeiter bis zum Ingenieur. Im Buch wird detailliert über alle technischen Neuerungen und Meisterstücke, vom Drehstrom bis zu den Dampfturbinen, und den für die Zukunft wichtigen Hydro- und Turbogeneratoren berichtet. Dabei sind jeweils lesenswerte Kurzbiografien zu den betreffenden Persönlichkeiten eingefügt. Ich erinnere mich gut, als Bub die ersten Jahre in Oerlikon aufgewachsen, wie stolz man auf die Fabrik war und darauf, dort zu arbeiten.
Spannend sind auch die Bezüge und Verbindungen der MFO mit den anderen grossen Schweizer Industriebetrieben wie Brown, Boveri & Cie (BBC), ABB, Escher Wyss AG, Gebrüder Sulzer AG, Alstom, Bühler und vielen, auch kleineren, spezialisierten Firmen. Ein Meilenstein im Maschinenbau wurde die von der BBC entwickelte stromerzeugende Gasturbine, die heute in komplexen Kombianlagen entwickelt und produziert wird. Der Leser erfährt raffinierte technische Einzelheiten, aber auch Grundsätzliches: «Eine Gasturbine ist eine rotierende Maschine, in der strömende Gase eine mechanische Leistung erzeugen.»

«Aus dem Nähkästchen geplaudert»

Viele Beiträge mit persönlichen Erfahrungsberichten der Ingenieure sind besonders wertvoll. So wird im Kapitel «Aus dem Nähkästchen geplaudert» Interessantes über die weltweite Tätigkeit eines Textilmaschinenbauers bei der Firma Rieter AG berichtet. Die Spinnereimaschinen arbeiten rund um die Uhr. Das benötigt eine fachliche und gewissenhafte Sorgfalt und wird meist durch angelerntes Personal, oft aus fernen Ländern, bestens ausgeführt: «Es ist der Maschine nämlich absolut egal, mit welcher Sprache und allenfalls ob überhaupt man mit ihr spricht. Gewandtheit im Ausdruck bringt hier, im Unterschied zur Schule, gar nichts. Gewissenhaftigkeit, Zuverlässigkeit, Aufmerksamkeit und Ausdauer sind alles. Wer für den Betrieb eines Saales von Spinnmaschinen zuständig ist, trägt die Verantwortung für ein System von der Komplexität eines Business­jets. Pro Stunde wird Garn im Wert von einigen tausend Franken produziert, etwa gleich viel wie der Businessjet pro Stunde kostet.» Zum Staunen sind auch die Darlegungen zu der hohen Technologie bei modernsten Geräten für die Garnreinigung in der Textilfaserherstellung. So sind in einem Gewebe für eine Bluse 25 Millionen Baumwollfasern, und «keine Fremdfaser ist zulässig». Hier werden beim Leser Bezüge zur auch beschwerlichen Geschichte, zu Not und Arbeit in den Anfängen der Textilindustrie in Erinnerung gerufen. Das Fabrikwesen hat in der Schweiz ganze Dörfer und die Lebensweise verändert, eine für die Arbeiter würdige soziale Situation musste erkämpft werden. Entscheidend waren die Ethik und Haltung des Fabrikpatrons, die demokratische Willensbildung und die gesetzlichen Bestimmungen. In den weltweit neuen Produktions- und Industrienationen wird die soziale und arbeitsrechtliche Dimension genauso erkämpft werden müssen. Jugendliche sind sehr ansprechbar auf faire Arbeitsbedingungen.

Bildungsniveau für Nachwuchs und qualifizierte Fachkräfte erhöhen

Ein wichtiges Anliegen des Buches ist es auch, deutlich zu machen, dass nur die Erhaltung des bisher hohen und vorbildlichen Schul- und Bildungsniveaus der Schweiz dies ermöglichte. Zahlreiche Reformen haben jedoch die bewährte Schulbildung geschwächt. Die besten Studenten kommen nämlich aus Kantonen mit wenig Schulreformen, so eine Untersuchung der Technischen Hochschule in Lausanne. In einem hochinteressanten Kapitel «Die Mutter aller Maschinen» wird von Franz Betschon am Beispiel der Schweizer Werkzeugmaschinenindustrie das notwendige hohe Ausbildungsniveau gerade auch für diese Sparte modernster Maschinen dargestellt: «Die Werkzeugmaschine ist die Mutter aller Maschinen, sie kann sich theoretisch selber herstellen. Ihre Grösse schwankt von der riesigen Portalfräsmaschine für die Herstellung von überlangen Flugzeugstrukturteilen bis hinunter zum filigranen Uhrmacherdrehbänklein. Alles, was sich die Werkstoff­ingenieure an exotischen Materialien ausdenken, muss von der Werkzeugmaschine in eine Form gebracht werden. Die Bedienung dieser Maschinen ist in den Schwellenländern vorerst nur durch Ingenieure mit universitärer Ausbildung möglich. In der Schweiz erfüllen jedoch unsere Polymechaniker diese Anforderungen bereits. Am Beispiel der Werkzeugmaschine wird das deutlich. Der Autor schreibt: «Hier zeigt sich die Praxistauglichkeit des schweizerischen dualen Ausbildungssystems, das diesen Polymechanikern bereits schon Ingenieurkenntnisse vermittelt. So beherrschen diese alle nötigen Disziplinen, die sich in der Werkzeugmaschine vereinigen: Mechanik, Steuerungs- und Regelungstechnik, Informatik und Software, Hydraulik, Materialwissenschaften usw. Die Werkzeugmaschine ist ein hoch spezialisierter Mehrkämpfer. Ihre Herstellung ist also für die Schweiz wie geschaffen, für ein Land ohne Bodenschätze, aber mit Einwohnern von Bildung, Fleiss und Einfallsreichtum».
Ebenso betont Beat Kappeler in seiner «Hommage an die Macher der modernen Schweiz», dass in vielen europäischen Ländern die Deindustrialisierung und Aufgabe der traditionellen Kultur, Betriebe und Landwirtschaft zu Massenarbeitslosigkeit, gerade auch bei der Jugend, und zu Elend und Staatsschulden führte. Diese grossen und folgenschweren Fehler hat die Schweiz bisher nicht gemacht. Eine grundsätzliche Neuausrichtung ist aber trotzdem nötig. Es fehlt an Schweizer Ausbildungsstätten «von der ETH Zürich bis zu den Gymnasien» und den nachfragenden Industrien der naturwissenschaftliche Nachwuchs. Eine grosse Zahl an Forschern und Ingenieuren sind heute aus dem Ausland zugezogen. Eine Hauptursache sieht Beat Kappeler in den vergangenen, falschen Schulreformen: «In den letzten drei Jahren der Volksschule entgleiste vor Jahren schon die Naturwissenschaft. Denn Chemie, Biologie und Physik wurden mit Geschichte und Geografie im Schmusefach Natur-Mensch-Mitwelt und ähnlich schummrigen Begriffen zusammengelegt. In diesem Fach fehlen Methoden, fehlen Vorbilder, fehlen Berufsbilder. Unterdessen sind wohl schon die meisten Lehrer ihrerseits durch die unspezifische Allerweltsausbildung gegangen. Es braucht daher einen gewaltigen Ruck in der Lehrplanerneuerung, in der Lehrerbildung. Die Schüler müssen wieder in spezielle Zimmer der Biologie, Chemie und der Physik geführt werden. Sie müssen dort merken, dass Naturwissenschaft nicht beliebig aus Sammelthemen wie Wasser, Stadt, Indianer, Wald oder Holz gelernt werden kann.»
Es ist dringend nötig, bewährte Werte, Wissen und den Wissensaustausch zwischen Schulen, dualer Berufsbildung, Hochschulen und Industrie zu intensivieren und der Nachwuchsförderung höchste Priorität zu widmen. Auch hier wird der Leser zum Nachdenken über das Grundsätzliche angeregt. Es ist der falsche Weg, wenn die Lehrplan-Strategen sich am angelsächsischen Schulsystem, am Operationalisieren und Standardisieren von fragmentarischem Wissen, wie es die OECD, die EU und falsche Theorien propagieren (Konstruktivismus), orientieren. Die Schweiz und die Kantone haben eine eigene und bewährte Substanz der Schulpolitik und Pädagogik. Lesen, Rechnen und Schreiben müssen systematisch und gründlich erlernt werden. Mathematik ist die Schule des logischen und geordneten Denkens, was in allen Berufs- und Lebensbereichen grundlegend ist. Geschichte muss gründlich und in ihren Zusammenhängen vermittelt werden.
Eine Rückbesinnung auf die bewährte Ausbildung ist dringend nötig. Unsere Jugend ist leistungswillig, wenn sie mit Begeisterung zu sinnvollen Aufgaben hingeführt wird.
Die Jugend hat das Recht auf eine solide Ausbildung. Schule und Elternhaus haben zusammen die Aufgabe, unser hervorragendes duales Bildungssystem mit weiterführenden vielfältigen Schulformen zu stärken und die Verantwortung für unsere Volkswirtschaft und unser Staatsmodell der Schweiz zu übernehmen.

Ganzheitliches Zusammenwirken der Wissenschaften

Ein Kapitel ist dem Thema «Ästhetik der Technik» am Beispiel des Gasturbinenbaus bei Sulzer gewidmet. Dabei werden von Viktor Beglinger auch die Erfolgsfaktoren der Schweizer Technikgeschichte thematisiert: «Verantwortungsbewusstsein für die Umwelt», «Kreativität mit Disziplin», «Verantwortungsbewusster Umgang mit Risiken» und «Der Ingenieur als Künstler». Das Kapitel zum Infrastruktur- und Brückenbau der Schweiz ist dazu eine besondere Freude. Mit wieviel Liebe und Sorgfalt zur Sache und Landschaft wurden unsere Bahnstrecken gebaut! Die einzigartige Albula-Bahnstrecke ist ein Beispiel dafür. Auch die Brückenkonstruktionen, beispielsweise das Sitter-Viadukt der Bodensee-Toggenburg-Bahn bei St. Gallen, ist bis heute eine technische und ästhetische Augenweide. 1910 erbaut, hat sie als grösste schweizerische Eisenbahnbrücke eine Spannweite von 120 Metern. Beim Aufbau wurde die Brücke mit den Stahlträgern und den Natursteinviadukten mit 99 Meter hohen Gerüsttürmen zusammengefügt. Auch die Holzbrücken sind technische Kunstwerke. Im Buch wird auch auf das sehenswerte Grubenmann-Museum im ausserrhodischen Teufen hingewiesen. Über mehrere Generationen hinweg haben dort Ingenieure und Zimmerleute mit Holzkonstruktionen Grossartiges geschaffen. Bei diesen Beispielen werden Gedankenbezüge zur Unesco wach. 1946 gegründet, hatte sie das Ziel, durch Bildung, Erziehung, Kultur und Wissenschaft zum friedlichen Zusammenleben aller Nationen beizutragen. Die Schweiz wurde 1948 Mitglied (siehe Kästchen).
Spannend sind auch die Beispiele zum Bau der Land- und Luftfahrzeuge, die unglaublichen Leistungen der Infrastrukturbauten, wie beispielsweise des Gotthard-Basistunnels als längsten Eisenbahntunnels der Welt. Gerade die weltweit erfolgreiche Firma Stadler Rail ist ein Beispiel, wie auch heute durch einen verantwortungsbewussten und innovativen Unternehmer ein Zusammenwirken verschiedener Fabrikations- und Produktionsstätten möglich wurde. Hier und in vielen anderen Kapiteln wird der Zusammenhang von Schweizer Technikgeschichte, Bildung, Arbeitsplätzen, staatspolitischer Verantwortung und Volkswirtschaft deutlich.

Eine neue «geistige und kulturelle Landesverteidigung» tut not

Das breite Spektrum der Technik- und Ingenieurgeschichte der Schweiz regt zum Nachdenken über die tragenden Werte unseres Staatswesens an. Vieles liegt auch in unserem Land im argen. Angriffe von innen und aussen sollen die Schweiz schwächen und gefügig machen. Gerade hier leistet das Buch eine dringend notwendige Abwehr und Stärkung und regt zu einem konstruktiven Aufbau an. Der Zusammenhalt für die Bewältigung der zukünftigen Aufgaben ist zu stärken. Das Werk trägt auch zu berechtigtem Stolz und Dankbarkeit für das Werk unserer Vorfahren bei. Die Beiträge belegen, wie eine positive Identifikation mit unserem Land Grosses ermöglicht. In einigen Beiträgen werden in diesem Sinn auch Bezüge zur schweizerischen Landesausstellung 1939 in Zürich in Erinnerung gerufen. So wird beispielsweise die berühmte Lokomotive «Landilok Ae 8/14» «als ein Eckpfeiler der geistigen Landesverteidigung» in Erinnerung gerufen. Diese leistungsstarke und wunderschöne Lokomotive fand auch im Ausland grosse Beachtung. So wurde sie als »Wahrzeichen» für die Landesausstellung 1939 in Zürich nochmals gebaut, wurde bewundert und zum «Fanal unserer geistigen Landesverteidigung.»
In einer weiteren Abbildung ist eine der ersten Industrie-Gasturbinen der Welt zu sehen. Sie wurde von der BBC entwickelt und ebenfalls anlässlich der Landi 1939 in Zürich ausgestellt und zog viele Besucher an. Es ist lohnend, die Bilder und Bücher, die Erzählungen der Elterngenerationen wieder im Gemüt aufleben zu lassen und die damaligen vorbildlichen Leistungen der Schweizer Bevölkerung mit ihrer «Landi» zu würdigen. In einer damals sehr bedrohten Zeit, umringt von Feinden und kurz vor dem Beginn des Zweiten Weltkrieges, war die Stärkung des militärischen, geistigen, landwirtschaftlichen und moralischen Zusammenhalts mit der Wehrhaftigkeit entscheidend. Trotz der späteren Geschichtsfälschungen und ideologischen Polemik aus dem linken Historiker-Spektrum lebt dieses grosse Werk des würdigen Widerstandes und der Selbstbehauptung durch eindrückliche Zeitzeugen in der Seele der Schweiz. Eine Würdigung, eine sachliche Darstellung, ein Nachdenken und der Dialog darüber sind gerade heute dringend nötig und eine Verpflichtung. Die Jugend hat ein Recht, dieses vorbildliche Zusammenwirken der aufbauenden Kräfte zu kennen, um sich damit eine innere positive Identifikation mit dem Land aufzubauen. Nur das soziale und sinnvolle Zusammenwirken des Werk-, Bildungs- und Finanzplatzes auf der Grundlage staatspolitischen Verantwortungsgefühles können das Erfolgsmodell Schweiz erhalten und stärken. Die Würdigung dieser grossen Leistungen und der vorbildlichen Unternehmerpersönlichkeiten ist eine grosse Bereicherung und auch heute dringend nötig. Aus den Fehlern muss gelernt werden. «Es scheint, als ob sich in jüngster Zeit ein Wandel abzuzeichnen begänne, als ob der Beruf des Ingenieurs wieder vermehrt Wertschätzung erführe. Könnte es sein, dass die globale Bankenkrise eine Rückbesinnung auf die Bedeutung der Realwirtschaft bewirkt hat?»
In diesem Sinn ist das Buch nur wärmstens zu empfehlen. Die Autoren sind überzeugt, dass auf eine leistungsstarke Industrie niemals verzichtet werden kann. Unsere Volkswirtschaft und das Modell Schweiz brauchen einen gesicherten Rechtsstaat, Wehrbereitschaft und ihre verantwortungsbewussten, gebildeten und leistungswilligen Bürger in einem ganzheitlichen Zusammenwirken.
Abschliessend die Worte von Georg Thürer zur Landi 1939:«Dass unsere Eidgenossenschaft sich als Demokratie mit dem Leitbild der verantwortlichen Menschen inmitten der braunschwarzen Sturmflut der Diktatur zu behaupten vermochte, hat mancherlei Erklärung. Fest steht aber, dass sich viele Eidgenossen von der grossen ‹Auslegeordnung› der Landesschau im Willen bestärkt fühlten, es lohne sich, unsern freiheitlichen Bundesstaat mit offenen Sinnen zu erkennen und ihn mit allen Kräften zu verteidigen.»    •

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