Exportweltmeister Deutschland – verarmte Bürger

Exportweltmeister Deutschland – verarmte Bürger

Deutschland gilt als das reichste Land der EU, seine Regierung strebt die Führung in der EU an. Deutschland ist Nettozahler in der EU, das heisst, Deutschland zahlt den grössten Anteil in den «Rettungsschirm» ESM. Doch wer ist das, der da einzahlt? Deutschlands Eliten? Deutschlands Banken? Deutschlands Bürger?

mb. Der deutsche Paritätische Gesamtverband schlägt Alarm: Mehr als 15% der deutschen Bürger sind armutsgefährdet. In einem der reichsten Länder der Erde sind so viele Bürger arm, und das, obwohl die Arbeitslosenzahl abgenommen hat und die Wirtschaft im Exportweltmeisterland wächst. Es gibt «keinen positiven Zusammenhang mehr zwischen Wirtschafts- und Armutsentwicklung» stellt der Verband fest. «Die Wirtschaftsleistung stieg im vergangenen Jahr um 3,9% – die Armutsquote legte ebenfalls um 4,1% zu.»1
Wieso ist das so? Viele derer, die in Arbeit sind, können nicht genug verdienen, um sich und ihre Familien zu ernähren. Der Verband sieht darin einen «unübersehbaren Fingerzeig auf Niedriglöhne und prekäre, nicht auskömmliche Beschäftigungsverhältnisse». Die niedrige Arbeitslosenquote in der Statistik würde mit einer «Amerikanisierung des Arbeitsmarktes» erkauft. Die Menschen sind arm trotz Arbeit: «working poor», so der Verband. Bereits in Zeit-Fragen vom 7. Januar wurde dargelegt, dass die Verarmung der Bevölkerung damit zusammenhängt, dass mit Verweis auf die Wirtschaftkrise die Löhne herabgesetzt, Vollbeschäftigungen und Festanstellungen zum Teil in Teilzeitbeschäftigungen und Leiharbeitsverhältnisse umgewandelt, Arbeitsrechte geschliffen wurden.2 Der «Münchner Merkur» spricht von «moderner Leiharbeitsklaverei und Ausbeutern, die ihre Beschäftigten mit Hungerlöhnen abspeisen».3 Geld wird damit natürlich schon verdient, aber nicht von Arbeitern und Angestellten. Auch nicht von der Mittelschicht, auch die – obwohl tragende Säule der Gesellschaft und grösster Arbeitgeber – droht abzusteigen. Der «Kölner Stadt-Anzeiger» schreibt: «Aber die komfortabel ausgestattete Mittelschicht nimmt ab. Die Aufstiegschancen sind geringer geworden. Manches grosse Vermögen wächst weiter, und gleichzeitig nimmt die Zahl derer zu, die armutsgefährdet sind. Die Schere geht auseinander.»4 Wo also bleibt das Geld, das Deutschlands fleissige Bürger erwirtschaften? Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, zitiert Ministerin Frau von der Leyen, die offengelegt habe, «dass wir in Deutschland eine geradezu obszöne Vermögenskonzentration in den Händen weniger haben».5
Der Paritätische Gesamtverband sieht den Ausweg in einem milliardenschweren Sofortprogramm: Es soll ein Mindestlohn eingeführt, die Hartz-IV-Regelsätze sowie Wohngeldzahlungen sollen erhöht werden. Kosten für ein solches Programm: «zunächst zwischen 10 und 20 Milliarden Euro».6 Mit solchen Forderungen steht der Gesamtverband nicht allein. Gewöhnlich wird angesichts dieser Entwicklungen der Ruf nach Grundeinkommen laut, nach mehr Sozialhilfe usw. Und wer soll das bezahlen? Gemeinden, Kommunen und Länder.

Verschuldung der Gemeinden und Länder auf Rekordhoch

Aber die Finanzlage von Ländern und Kommunen in Deutschland ist dramatisch. «Trotz gewachsener Steuereinnahmen haben die öffentlichen Schulden in Deutschland einen neuen Höchststand erreicht: Bund, Länder und Gemeinden und ihre Extrahaushalte standen Ende des ersten Halbjahres 2012 insgesamt mit 2082 Milliarden Euro in der Kreide – das waren 3 Prozent oder 61,3 Milliarden Euro mehr als im Vergleichzeitraum des Vorjahres.»7 Bereits seit Jahren können die Gemeinden Schulen und Strassen nicht mehr ausreichend reparieren, geschweige denn grundlegend renovieren; Schwimmbäder und Bibliotheken werden geschlossen, frei werdende Stellen in Behörden nicht mehr besetzt, Behörden und Ämter kürzen Dienstleistungen für Bürger oder lassen Bürger dafür mehr zahlen. «Laut der Beraterfirma Ernst & Young kann jede dritte Kommune ihre Schulden nicht mehr zurückzahlen.»8
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) rechnete schon 2010 mit einem Minus von elf Milliarden Euro und warnt, die Gemeinden befänden sich «in der schwersten Finanzkrise seit Gründung der Bundesrepublik».9 Roland Schäfer, Verbandspräsident des DStGB, warnte bereits damals, dass «das Vertrauen der Bürger in die lokale Demokratie auf dem Spiel» stehe. Das meiste Geld müssen die Kommunen bereits jetzt für Sozialausgaben ausgeben. Angesichts der hohen Verschuldung der Gemeinden ist wohl kaum mehr rauszuholen. Eher weniger, da immer mehr der Einnahmen für die Begleichung der Zinsen draufgeht.
So stehen wir in der Situation, dass sowohl die private Verschuldung und Verarmung als auch die von Gemeinden und Ländern katastrophal ist – ohne Aussicht auf Besserung. Doch – und wir fragen es erneut – wo bleibt denn das erwirtschaftete Geld?

ESM – Europäisches Schulden-Monster

Zum einen natürlich bei den bereits erwähnten Superreichen, den Profiteuren in den höchsten Wirtschaftsetagen, den Spekulanten und den Bankern, die immer reicher werden. Aber, und da schliesst sich der Kreis, ein Riesenteil des von uns Bürgern erarbeiteten Vermögens fliesst in den ESM, der euphemistisch «Rettungsschirm» genannt wird. Sogar «Die Welt», die ja nun nicht gerade als regierungskritisch bekannt ist, schreibt: «Vor allem die Einzahlungen Deutschlands in den permanenten Rettungsschirm ESM werden die Verschuldung sprunghaft erhöhen. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts dürfte die Bundesregierung in diesem Jahr wie geplant gleich zwei der insgesamt fünf Tranchen à 4,34 Milliarden Euro einzahlen; dafür wird der Bund sich also insgesamt 8,68 Milliarden Euro besorgen müssen.»10 «Besorgen müssen» – bei wem? – Letztlich bei uns Bürgern, die wir mit unserer existentiellen Unabhängigkeit bezahlen und damit mit dem Verlust unserer Souveränität. Und wen soll der «Rettungsschirm» «retten»? Sicher nicht die ebenfalls hoch verschuldeten Länder wie Griechenland, Portugal oder Spanien. Deren Bürger sehen keinen Cent von dem Geld, sondern werden ihrerseits gezwungen, alle Errungenschaften ihrer Sozialstaaten zu schleifen: Gesundheitswesen, Bildungswesen, soziale Sicherheit, Arbeitsrechte. Auch sie werden ausgepresst wie Zitronen. Wer also kriegt das Geld? Es geht an die Banken und die Spekulanten, die die Länder mit überhöhten Krediten in die Schuldenfalle gelockt haben, mit Gütern (wie Waffen nach Griechenland), überzogenen Infrastruktureinrichtungen, Wohnungen, die niemand braucht wie in Spanien usw. In dem Zusammenhang lohnt es sich, noch einmal in John Perkins «Bekenntnisse eines Economic Hit Man» nachzulesen, in Chossudowskis «Global Brutal» oder in der «Schocktherapie» von Naomi Klein. So, wie zuerst die Drittweltländer in die Schuldenfalle getrieben und dann ihrer Souveränität beraubt wurden, so ergeht es uns europäischen Nationen jetzt auch – ausser, wir Bürger gebieten dem Einhalt. Wenn wir es nicht wollen, geht das alles nicht.

Wir holen uns unsere Souveränität und unsere Volkswirtschaft wieder zurück

Laut dem Paritätischen Gesamtverband ist die Armut im Ruhrgebiet am grössten, dem einstigen Industriegebiet Deutschlands, dem grössten Ballungsraum. In Duisburg zum Beispiel sind 21,5% der Bevölkerung von Armut betroffen. Das sind 1/5 aller Bürger! «Dort», warnt Verbandschef Schneider, «könnte es zu ähnlichen Unruhen kommen wie jüngst in Paris und London. ‹Wenn dieser Kessel mit fünf Millionen Menschen einmal zu kochen anfängt, dürfte es schwer sein, ihn wieder abzukühlen.›» – So weit dürfen wir es nicht kommen lassen. Aufstände, das heisst Tote und Verletzte, Blut und Elend, Chaos und Zerstörung – und am Ende? Wer ergreift dann die Macht?
Wir haben andere Möglichkeiten. Wir müssen aus diesem ESM aussteigen, unsere Souveränität zurückgewinnen und nicht etwa noch mehr abgeben, wie Schäuble jüngst in der «Frankfurter Allgemeine Zeitung» gefordert hat. Wir müssen uns wieder auf unser Land, unsere Nationalökonomie zum Wohle der Bürger besinnen. Gab es nicht bei uns mal so was wie soziale Marktwirtschaft? Rheinischen Kapitalismus? Anknüpfungspunkte gibt es sicher zur Genüge.
Und ganz sicher täte die Schweiz gut daran, einem solchen Ungetüm nicht noch Geld in den Rachen zu werfen – wozu? Wem soll das dienen? Gar nicht zu denken daran, Souveränität an diesen Moloch EU abzutreten, sich EU-Recht zu unterstellen. Eine solche Idee, von der Evelyne Widmer-Schlumpf offensichtlich getrieben ist, ist ja an Absurdität gar nicht mehr zu übertreffen. Aber solches Ansinnen werden die Schweizer Bürger zu verhindern wissen.     •

1    Süddeutsche Zeitung vom 20.12.2012
2    «Eine deutsch-dominierte EU-Politik, die derart viele Opfer kostet, gehört korrigiert.» Zeit-Fragen vom 7.1.2013
3    Münchner Merkur, zit., nach n-tv vom 20.12.2012
4    Kölner Stadt-Anzeiger, zit. nach n-tv, 20.12.2012
5    Der Paritätische Gesamtverband. Pressemeldung vom 28.11.2012
6    Süddeutsche Zeitung vom 20.12.2012
7    Financial Times Deutschland, 11.10.2012
8    Spiegel online, 1.11.2012
9    Spiegel online, 28.12.2010
10    Die Welt vom 13.9.2012

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