von Tobias Salander, Historiker
Während die EU von einer Krise in die andere taumelt, der Euro als alternativlos und die Bankenrettung als unausweichlich dargestellt werden, ungeachtet der Tatsache, dass viele EU-Länder den Euro gar nicht haben und Grossbritannien gar offen über den Ausstieg aus dem Völkerkerker EU nachdenkt, in dieser krisengeschüttelten Zeit beginnen sich immer mehr Menschen mit Alternativen zu befassen: Das Konzept des Europas der Vaterländer eines Charles de Gaulle wird von immer mehr Bürgern reflektiert, ja ganze Teile von zentralistischen Nationalstaaten beginnen sich selber wieder als selbständige Staaten und Vaterländer zu begreifen: Schotten, Katalanen, Basken, aber auch Bayern sehen durchaus eine neue Form der Kooperation in Europa: jenseits des doppelten Würgegriffs durch die eigene Metropole und jene in Brüssel. In der Schweiz beobachtet man diese Abläufe mit grossem Interesse, würde doch eine Vielzahl von Kleinstaaten nicht weniger, sondern mehr Sicherheit bringen, denn: Kriege gingen noch immer von grossen Machtgebilden aus, kaum je von Kleinstaaten, die auf Kooperation angelegt und angewiesen sind. Auch wäre ein Wirtschaftsbündnis in Freiheit und jenseits der Kommissarwirtschaft von Brüssel schon vorhanden: Die EFTA besteht auch nach über 50 Jahren immer noch – eine echte Alternative auch für alt-neue Kleinstaaten. Das wirtschaftliche Erfolgsmodell Schweiz würde sich freuen, seine europäischen Nachbarn in diesem Verbund zu begrüssen.
Ein Plädoyer für die Kleinstaaten, mit Beispielen aus der Parlamentsdebatte in Bayern im Winter 1871, als man einem Moloch mit Sitz in Berlin einverleibt werden sollte – mit Stellungnahmen von friedensliebenden Patrioten, die in ihrer Klarheit auch 2013 noch volle Gültigkeit haben.
Die Menschen wollen von ihrer Natur her alle nichts sehnlicher als eines: in Frieden und Sicherheit ihr Leben gestalten zu können, Familien- und Freundschaftsbande zu pflegen, sich Heimat zu geben, ohne deswegen andere Menschen auszugrenzen. Durch die Jahrhunderte haben sich Menschen zu einer Form des Zusammenlebens durchgerungen, die ihnen diesen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Frieden gewährleistet: dem demokratischen Rechtsstaat, der besser gelingt, wenn er nicht zu gross konzipiert ist. Vorformen waren die Poleis im antiken Griechenland, die Stadtkommunen im Norditalien der Renaissance, die Genossenschaften überall auf der Welt, die zum Teil auch staatengründend wirkten wie in der Eidgenossenschaft der Schweiz – vor allem die letztgenannten, von unten nach oben aufgebauten Gemeinwesen erkennen den Menschen als Person, dem eine Würde innewohnt, die nicht ungestraft verletzt werden darf. Eigene von der betroffenen Bevölkerung selber gewählte Richter haben dies zu gewährleisten. So geschehen in der Schweiz, niedergelegt schon im Bundesbrief von 1291, einem Dokument des Friedens und des Prinzips «Einer für alle, alle für einen». Eine eigene, von allen zu tragende Wehrbereitschaft hat diesen Frieden gegen aussen zu sichern. Die Epoche der Aufklärung brachte dann die Ideen der Gewaltenteilung, eine Vertiefung der Volkssouveränität sowie die aus dem Naturrecht stammenden Prinzipien der Rechtsgleichheit ein, auf deren Grundlagen sich die Völker der westlichen Hemisphäre eine Wirtschaftsordnung aufbauten, die dem einzelnen Individuum die Freiheit gab, die ihn ungeahnte Kräfte freilegen liess. Die Industrielle Revolution führte längerfristig zu einem bis anhin unbekannten Wohlstand für breite Bevölkerungsschichten. Und so könnte Europa heute aus blühenden Landschaften bestehen, mit blühenden Volkswirtschaften, und es bliebe immer noch genügend Geld übrig, welches man den Völkern der dritten Welt als Teil einer Wiedergutmachung für die Folgen der Kolonialgeschichte überweisen könnte.
Doch Europa taumelt von einer Krise in die andere, verwendet Ansätze zur Lösung der Probleme, die gerade Teil des Problems sind. Und: europäische Mächte rüsten und rüsten und führen wieder Kriege auf anderen Kontinenten, jüngst wieder in Afrika, wo sie als Kolonialmächte noch in unrühmlicher Erinnerung sind. Die EU als Friedensprojekt? Die Gegenwart spricht eine andere Sprache: Das zentralistische Grossgebilde mit Sitz in Brüssel reiht sich ein in eine ganze Galerie von untergegangenen oder sich zur Zeit im Sinkflug befindenden Molochen, die je grösser und zentralistischer sie wurden, desto kriegerischer gegen aussen und diktatorischer gegen innen sich gebärdeten. Kennte man in der Geschichtsschreibung den Begriff «Naturgesetz», wäre man hier geneigt, davon zu sprechen. Es liesse sich mit Athen oder Sparta beginnen, die von einer gewissen Grösse an dem Machtwahn verfielen, bei Alexander dem Grossen weiterfahren, der die Idee der Polis absolut ad absurdum führte und zum grössten Kriegsherrn seiner Zeit wurde. Die Stadt auf den sieben Hügeln als anderes Beispiel, welche, einmal eine kritische Masse oder Grösse aufweisend, sich in imperialer Hybris verlor und die Welt – oder zumindest Europa – mit Eroberungskriegen überzog. Wenn man näher an die Gegenwart herangeht, so liessen sich die englischen Kolonien in Nordamerika aufführen. Einmal vom europäischen Joch befreit, ging es gerade etwa hundert Jahre, bis die ehemals Unterdrückten, den ganzen Kontinent durchdrungen und Millionen von Ureinwohnern getötet oder unterworfen habend, zum imperialen Sprung ansetzten, direkt militärisch oder mit ihren Dollars. Eine Welle von ungezählten Kriegen sollte folgen, alle gesteuert von einer Machtzentrale und einem gigantischen militärisch-industriellen Komplex.
Nicht auszumalen, was geschehen wäre, hätten sich die US-Einzelstaaten nur lose als Staatenbund verbunden, oder hätte es gar zwei Bünde, einen nördlichen und einen südlichen, gegeben. Oder hätten sich einzelne, wie jüngst in Idaho gefordert, ganz aus dem Verbund verabschiedet und sich als unabhängige souveräne Staaten der Uno angeschlossen. Kaum zu erwähnen braucht man die zentralistische, totalitäre Durchstrukturierung ihrer Länder durch Diktatoren wie Hitler und Stalin und die kriegerischen Folgen. Wie, wenn sich die einzelnen Nationalitäten im Sowjetreich unabhängig gemacht, die einzelnen Länder in Nazideutschland gegen ihre Gleichschaltung erfolgreich zur Wehr gesetzt und ihren Austritt aus dem Reichsverband durchgesetzt hätten? Hätte ein Thüringen, hätte eine Hansestadt Hamburg, hätte ein Freistaat Bayern eine freie Ukraine, ein freies Kasachstan oder auf der anderen Seite, hätte Baden einen unabhängigen Staat Elsass angegriffen? Wohl kaum, hätten doch andere Kleinstaaten vermittelnd eingegriffen, und wenn doch, nie mit solch verheerenden Auswirkungen und Hekatomben von Toten, wie dies die Kriege der Grossreiche zur Folge hatten.
Oder wieder zurück in der Geschichte: Hätte ein von einem Louis XIV nicht zentralstaatlich durchstrukturiertes Frankreich all die Kriege geführt? Ein nicht von einem Napoleon usurpiertes Frankreich und dann unterworfenes Europa Russland angegriffen?
Worauf diese Argumentation abzielt, ist der Leser geneigt, sich nun zu fragen? Kurz und gut: Eine immer stärker zentralisierte, die Souveränität der Einzelstaaten immer mehr aushöhlende, hochaufrüstende EU wird allen historischen Erfahrungen zufolge grössere Kriege vom Zaun brechen – die kleineren haben ja schon längst begonnen: So waren es Mitglieder der heutigen EU, die 1999 den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Nato gegen Serbien im Verbund mit den USA führten. Es waren Mitglieder der EU, die die Uno-Resolution Nummer 1973 in Libyen ad absurdum führten, derzeit sind es EU-Mitglieder, die in Syrien mit verdeckten Einsätzen am Werke sind, desgleichen in Mali, dort aber offen mit Luft- und Bodentruppen, als hätte es nie das Verdikt des ehemaligen US-Verteidigungsministers Robert Gates gegeben, dass heute jeder General oder Politiker, der den Befehl für einen Bodentruppeneinsatz gegen Islamisten gebe, dem Psychiater zugeführt werden müsse. So weit sind wir heute, dass selbst Rufe aus dem Imperium, welches weiterhin Kriege führt, nur eben neu nach den Vorgaben der «smart power», eben smarter, also gerissener oder schlauer, dass solche Rufe von einer hochrüstenden EU nicht ernstgenommen werden.
Wer stoppt diesen Wahnsinn? Die Schweiz kann dies nicht leisten. Zwar kann sie sich wappnen und der Arroganz der Macht die Stirn bieten und zum Beispiel mit den aufsteigenden BRICS-Staaten wirtschaftlich den Austausch noch verstärken. Und wehrhaft bleiben. Und eigenen wankelmütigen Politikern sofort den Rücktritt nahelegen.
Doch wie sieht es innerhalb der EU selber aus? Das werden die EU-Bürger selber an die Hand zu nehmen wissen. Von Schweizer Warte aus darf aber doch auf einen Vorgang hingewiesen werden, der zukunftsfähig erscheint und volle ideelle Unterstützung verdient. Die Rede ist von Bayern und den dortigen Bestrebungen, die längst verlorengegangene Souveränität wieder zurückzuerobern. Wilfried Scharnagl, langjähriger Chefredakteur des Bayernkuriers, hat mit seinem Buch «Bayern kann es auch allein. Plädoyer für den eigenen Staat» diesbezüglich umfangreiches und denkwürdiges Material zusammengetragen. Bayern: ein Staat, fast doppelt so gross wie die Schweiz, mit einer Bevölkerung von rund 12 Millionen Einwohnern, ungefähr die siebtstärkste Wirtschaftskraft im Reigen der Länder in der EU, Nettozahler im Länderausgleich in der Bundesrepublik, da sparsam und sich vielen Luxus nicht leistend, den sich andere Bundesländer, die Gelder empfangen, durchaus herausnehmen. Nicht über einen Bevölkerungsschwund klagend wie andere Bundesländer, ein Traumziel für fast alle Bundesdeutschen, weil grundsolid, über ein gutes gegliedertes duales Bildungssystem verfügend und deswegen kaum Jugendarbeitslosigkeit beklagend. Einen sozialen Zusammenhalt aufweisend, der tief in der katholischen Soziallehre verwurzelt ist, ein Land, in welchem die grosse Mehrheit der Bevölkerung die Werte Barmherzigkeit und Nächstenliebe aus voller Überzeugung lebt. Das Land, dessen Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg als einzige in allen Bundesländern über die eigene Verfassung abstimmen durfte; ein Freistaat, der das Grundgesetz der BRD ablehnte, weil letzteres auf einen Zentralstaat abzielte und zu wenig föderalistisch war. Ein Staat, der nach dem Zweiten Weltkrieg wichtige Politiker aufwies, die ihr Exil in der Schweiz verbracht hatten und von unserem Land viele direktdemokratische Anregungen mitbrachten.
Bayern – ein Staat, welcher schon früh im 19. Jahrhundert unter tragischen Umständen die Souveränität verloren hatte, dessen Volksvertreter, wenn leider damals auch in der Minderheit, fast schon prophetisch vorausgesehen hatten, wohin ein grosser Zentralstaat unter preussischer Führung führen müsste: in einen grossen Krieg! Die Redebeiträge der bayerischen Abgeordneten in der denkwürdigen Debatte im Bayerischen Landtag vom Januar 1871, zur Zeit des deutsch-französischen Krieges, lesen sich so aktuell, als wären sie von heute, als würden sie von der EU sprechen und nicht vor einem grossdeutschen Reich unter preussischer Kuratel warnen, welches unausweichlich auf die Eroberung Europas abziele, dann der Welt, mithin also auf Krieg hinauslaufe. Die Beiträge liessen sich fast eins zu eins auf den derzeitigen europäischen Moloch übertragen, weshalb hier einige Auszüge zitiert seien.
Die Vorgabe, dass jeder, der sich gegen die deutsche Einheit unter preussischer Führung stelle, zu den Ewiggestrigen und Hinterwäldlern zähle, war im voraus schon unmissverständlich durchgegeben worden, so etwa durch Heinrich von Treitschke: «Bayern ist eine lebensunfähige politische Missbildung, recht eigentlich ein Zwerg mit einem Wasserkopf, und Preussens Aufgabe besteht darin, Bayern zu zerschlagen und das Haus Wittelsbach auf seine Alpenländer zu beschränken.» (zit. nach Scharnagl, S. 20) Töne, die auch den Bürgern des Kleinstaates Schweiz durchaus nicht unbekannt vorkommen, sei es, dass man sich an die einstigen Hassausbrüche eines Goebbels oder Hitlers oder dann eines jüngst cowboy-mässig auftretenden Steinbrücks erinnert.
Bayerische Abgeordnete: Deutsches Reich wird Krieg in Europa führen!
Leider wehrten sich 1871 im Bayerischen Landtag trotz dieser Durchsage eines Treitschkes eine Mehrheit von 102 Abgeordneten nicht gegen die Unterwerfung Bayerns, so stark war die Propaganda für das zweite Reich. Aber immerhin 48 Abgeordnete erkannten weitsichtig, wohin ein in Berlin konstruierter Zentralstaat führen musste. So sagte der aus der Rheinpfalz stammende Jurist Adolph Krätzer, Appellationsgerichtsrat in Passau und Abgeordneter des Wahlbezirks Grafenau: «Wenn man ein grosses Reich gründet, wie es hier geschaffen werden will, wenn man alle Kräfte anspannt, einen Staat zu gründen, den man jetzt schon nach seiner Anlage einen ‹absolutistisch-monarchisch-militärischen Staat› geheissen hat, von dem in Berlin gesagt worden ist, in ihm ist alles parlamentarische Leben, alle Freiheit aufgehoben – zu einem solchen Werk können wir nicht ja sagen. Wohin führt die Gründung eines solchen Staates? Die Sucht, die Herrschaft über Europa zu bekommen, liegt zugrunde, und diese Anspannung aller Kräfte wird auch in nächster Zeit zum Kriege führen.» (zit. nach Scharnagl, S. 25) Man bedenke, dass zur gleichen Zeit, als diese Worte in München gesprochen wurden, es in der Schweiz nur noch drei Jahre dauerte, bis 1874 auf Bundesebene das Referendumsrecht mittels Volksabstimmung eingeführt wurde. Während in Deutschland der Rückfall in den Absolutismus befürchtet wurde, der sich auf Eisen und Blut gründete, wurde südlich des Rheins eine Form von Volkssouveränität erreicht, die nicht nur zur damaligen Zeit einzigartig war. Führte dieses Referendumsrecht, welches in den Kantonen schon eingeführt worden war, zu einer friedlichen Regelung von Meinungsverschiedenheiten und hatte es auch volksbildenden Charakter, mussten die Vorlagen doch alle genau von allen Stimmbürgern studiert und durchdiskutiert werden, fehlte im nördlichen Nachbarland die Herausbildung einer kritischen Öffentlichkeit, die einer Kriegspropaganda hätte wirkungsvoll entgegentreten können. Dennoch: Abgeordnete wie der bayrische Jurist Krätzer sahen das Unheil kommen. So sprach Krätzer in seiner Rede an die Parlamentskollegen weiter: «Glauben Sie, unser Volk hat den Willen, seine Söhne von einem Krieg zum anderen führen zu lassen? Ich glaube, in diesem Augenblick erleben wir einen Krieg, der schon so grosses Elend gebracht hat, dass es wahrhaft erschreckend ist. Das Glück von Tausenden ist jetzt schon zertrümmert. Staaten gründen zu helfen, die die Herrschaft über Europa als Ziel haben, glaube ich, wird nicht unsere Aufgabe sein.»
Nun war die bayrische Opposition gegen die Unterwerfung unter Preussen nicht etwa per se gegen einen gesamtdeutschen Staat gerichtet. Krätzer und seine Mitstreiter sprachen sich aber gegen den zu befürchtenden Zentralismus aus: «Das wollen wir, einen Staat, der seiner innersten Anlage nach defensiver Natur ist, aber nicht offensiver, nicht einen, der die Herrschaft über die Welt anstrebt.» Wie hätte die Welt ausgesehen, hätten sich diese Stimmen mehr Gehör verschafft? Sicher muss es auch in anderen deutschen Staaten ähnliche Bedenken gegen den preussischen Zentralstaat gegeben haben – so wie heute der Widerstand gegen den Moloch EU grösser sein muss, als das die veröffentlichte Meinung weismachen will. Krätzer weiter: «Denn der Frieden ist es, der den Wohlstand bringt, der Krieg zerstört den Wohlstand, und ein solcher ist uns in Aussicht. Dass er kommen wird, sehen wir, wenn wir die Traditionen des Stammes, an den wir uns knüpfen sollen, betrachten, wenn wir die Verfassung, die uns vorgelegt ist, in das Auge fassen.» (zit. nach Scharnagl, S. 26)
Andere Abgeordnete wiesen darauf hin, dass Bayern zwar im Kriege gegen Frankreich mitgezogen sei, nun aber den Sieg mit dem Untergang seines Eigenlebens bezahlen solle. «Wo ist das vorgekommen in der Weltgeschichte?», fragt der Abgeordnete von Straubing, Joseph Conrad Pfahler, Stadtpfarrer von Deggendorf. Und der Regensburger Domvikar Joseph Neumaier, Abgeordneter des Wahlbezirks Landshut, in ähnliche Richtung: «Ja, was soll denn das sein, eine solche Hilfe an Preussen geleistet, so viel Blut vergossen, solche Summen Geldes, so viele Millionen ausgegeben und zum Schluss dann mediatisiert, oder, wenn der Ausdruck nicht beliebt, zum Vasallenstaate gemacht zu werden?» (zit. nach Scharnagl, S. 27)
Wie heute arbeitete die zentralstaatliche Propaganda mit dem TINA-Argument, also den Anfangsbuchstaben des Satzes «there is no alternative», es gebe keine Alternative. Der Advokat Wiesnet hielt dagegen, dass auch er den nationalen Zusammenhalt wolle, «aber wir wollen ihn erhalten auf der Grundlage der Gleichberechtigung und nicht des politischen Vasallentums, wie uns die vorliegende Bundesverfassung zumutet.» (zit. nach Scharnagl, S. 31) Dass die Menschen selber nie Krieg wollen, sondern immer nur abgehobene Eliten, wird in einem anderen Votum deutlich. Der Theologe und Publizist Franz Mahr, Abgeordneter des Wahlbezirks Forchheim, zum deutsch-französischen Krieg: «… denn das Volk hat keinen Krieg gewollt, weder herüben noch drüben.» Dann weiter in einem Ton, der auch heute vermehrt gehört werden sollte: «Aber das bayerische Volk hat die Ansicht, dass, wenn Fürsten und Diplomaten ihrer verletzten Eitelkeit, ihrer masslosen Ruhmsucht, ihrer Ländergier und Eroberungslust keine Schranken mehr anzulegen wissen oder ihre Stellung moralisch unhaltbar geworden ist, sie einen Krieg veranlassen und die Völker, welche den Krieg nicht gewollt haben, sich dann gegenseitig massakrieren und ruinieren müssen, während die verbrecherischen Urheber des Krieges auf reservierten Höhen nach wie vor in dulce jubilo leben und ihren Champagner dazu trinken.» (zit. nach Scharnagl, S. 33) Wem kommen bei solchen Formulierungen nicht die Herren Schröder und Fischer in den Sinn, die auf den Kosovo-Einsatz hin Champagner-Kelche schwenkten? Wer sieht nicht unmoralische EU-Kommissare, die sich selber eine Rechtfertigung geben zu müssen meinen?
Leider gab die Geschichte den bayerischen Abgeordneten, die in der Minderheit blieben, recht. Das grossdeutsche Reich, wenn auch nicht es alleine, war mit schuld am Ersten Weltkrieg. Natürlich auch das britische Empire in seinem Durst nach Öl.
Es wäre den Bayern heute zu wünschen, an ihrer über 1000jährigen stolzen Geschichte des unabhängigen Staates anzuknüpfen, wieder «eigener Herr im Gasthaus zum Bayerischen Löwen» zu werden, wie es Wilhelm Hoegner formuliert hatte. Hoegner, der als Sozialdemokrat aus dem Exil in der Schweiz ins Nachkriegsbayern zurückkehrte und dort den Posten des Ministerpräsidenten versah, im Gepäck die frischen Erinnerungen an die direktdemokratischen Abläufe der Eidgenossen.
Das Beispiel Bayern zeigt auf, was auch der Schweiz blühen könnte – einem zweifachen Würgegriff ausgesetzt zu sein: dem durch die immer zentralistischer sich gebärdende Hauptstadt des Nationalstaates und zweitens jenem des noch zentralistischeren Brüssels.
Die EFTA für ein Europa der Vaterländer – auch der kleinen wie Bayern
Noch ist das Diktum van Rompuys in aller Ohren: dass die Parlamente der einzelnen EU-Mitgliedstaaten ihre Kompetenzen ganz abtreten sollten. Dass die Parlamente einzelner Glieder der EU-Länder, eben etwa Bayerns, dann völlig entrechtet sind, ist die logische Folge. Man darf gespannt sein, wie die Bürger des Freistaats Bayern, aber auch jene Schottlands oder Kataloniens, die Basken und viele andere sich künftig Brüssel gegenüber verhalten werden. Sicher nicht im Sinne der europäischen Grünen unter Cohn-Bendit, die ein Europa der Regionen fordern – aber mit dem offenen Ziel, die Nationalstaaten zu zertrümmern, um die kleinen Bestandteile direkt dem Moloch Brüssel in den Rachen zu werfen – ohne schützende Zwischenebene.
Sollte der eine oder andere Austritt aus der EU und eventuell aus dem eigenen zentralistisch geführten Staat erfolgen, würden diese neuen kleinen und mittleren Staaten in einem Verbund von Staaten empfangen, der vor einiger Zeit zahlenmässig der EU noch ebenbürtig war und es vom Konzept her immer noch ist, viel mehr, der EU überlegen, weil er die Souveränität der europäischen Vaterländer hochachtet: Die EFTA ist der Verbund der Staaten, die freundschaftlich verbunden in Gleichwertigkeit miteinander Handel betreiben – ohne sich in einem EU-Einheitsbrei pürieren zu lassen. Die Schweiz als EFTA-Mitglied wickelt jetzt schon einen guten Teil ihres Aussenhandels mit zum Beispiel Bayern ab. Noch florierender würde dieser bilaterale Handel, aber auch jener zwischen allen europäischen Vaterländern, wenn die Finanzoligarchen hinter Brüssel ihre gierigen Hände nicht mehr mit im Spiel haben werden – weil dies die Völker in Europa nicht mehr wollen! •
Literatur: Wilfried Scharnagl. Bayern kann es auch allein. Plädoyer für den eigenen Staat. Köln 2012. ISBN 978-3-86995-048-8.
«Sie [die bayrischen Abgeordneten] orientierten sich an einem Satz des Philosophen Friedrich Wilhelm Schelling, wonach die Deutschen nicht in einem Zentralstaat zu leben berufen seien, sondern vielmehr dazu, ‹ein Volk von Völkern zu sein›.» (zit. nach Scharnagl, S. 21)
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