Gesetzesprävention statt Präventionsgesetz

Gesetzesprävention statt Präventionsgesetz

von Gottlieb F. Höpli

Da hatte sich der Ständerat für einmal auf seine einst gerühmte Rolle als «Chambre de réflexion» besonnen. Und sich, statt als Gesetzgeber für Gesundheitsprävention zu amten, für die Prävention eines unnötigen Gesetzes entschieden.
Das fiel ihm trotz allem schwer. Denn wer will sich heutzutage vorhalten lassen, ihm liege die Gesundheit der Bürger nicht am Herzen! Diese, davon ist heute jeder Gesundheitsexperte und mit ihnen die Politiker und damit die politikhörigen Medien überzeugt, sind bekanntlich nicht in der Lage, von Alkohol und Nikotin die Finger zu lassen, sich gesund zu ernähren und ausreichend zu bewegen. Ob die Experten, Politiker und Journalisten wohl von sich auf andere schliessen? Wenn nicht: Woher nehmen sie die Legitimation, andere grundsätzlich als dümmer und ungesünder zu betrachten als sich selbst? Wessen Gesundheit soll eigentlich gefördert werden? Die Gesundheit jenes grossen Teils der Bevölkerung, der sich auch ohne Gesetz gesundheitsbewusst verhält? Der sich im europäischen Vergleich in einem «überdurchschnittlichen Gesundheitszustand» befindet, wie der sonst ebenfalls gerne erzieherisch tätig werdende Bundesrat schreibt – ohne die geplante «Sensibilisierung und Beeinflussung der Bevölkerung»? Oder eher die Gesundheit jener, bei denen die oft penetranten Kampagnen des Bundesamts für Gesundheit (BAG) oder der Lungenliga bisher nichts gefruchtet haben? Ein weites Feld für Gesundheitsmissionare, und ein unfruchtbares dazu, aber eben auch eines, das sich kampagnenmässig beliebig fruchtbar machen lässt.
Von der Seuchenbekämpfung zur Seuchenpolizei, von der Schaffung der Feuerversicherung zur Feuerpolizei war der Weg nicht weit. Wie weit wäre wohl der Weg von der zentralen Gesundheitsförderung, -überwachung und -evaluation zur Gesundheitspolizei?
Gesetzesprävention statt Präventionsgesetz – für einmal hat das Parlament das Gebot Montesquieus befolgt: Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.    •

Quelle: Schweizer Monat, November 2012

Gottlieb F. Höpli war bis ins Jahr 2009 Chefredaktor des «St. Galler Tagblatts» und ist Präsident des Vereins Medienkritik Schweiz.

Unsere Website verwendet Cookies, damit wir die Page fortlaufend verbessern und Ihnen ein optimiertes Besucher-Erlebnis ermöglichen können. Wenn Sie auf dieser Webseite weiterlesen, erklären Sie sich mit der Verwendung von Cookies einverstanden.
Weitere Informationen zu Cookies finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
 

Wenn Sie das Setzen von Cookies z.B. durch Google Analytics unterbinden möchten, können Sie dies mithilfe dieses Browser Add-Ons einrichten.

OK