Lasst uns nicht zu einer Gesellschaft «à la française» werden!

Lasst uns nicht zu einer Gesellschaft «à la française» werden!

«Der Bundesrat muss Bundesthemen behandeln und darf sich nicht in Kantonsangelegenheiten einmischen»

von Jean-Daniel Balet und Antoine Spillmann, Vorstandsmitglieder SwissRespect (<link http: www.swissrespect.ch>www.swissrespect.ch)

zf. Lasst uns nicht zu einer Gesellschaft «à la française» werden! Gewisse politische Vertreter oder Bundesbeamte – wobei einige von ihnen von der Zentralisierung der Macht leben – streben eine Schwächung des Föderalismus an. Die Gruppierung «Swiss­Respect», die sich im Welschland vor einem Jahr gebildet hat, verlangt zu Recht, dass unsere Bundesebene sich an unser Staatsmodell zu halten hat.
Interessengruppen und Technokraten, die sich ständig «politisch korrekten» Themen widmen, bringen immer wieder ideologische und gefühlsbeladene Themen auf, über welche die Zivilgesellschaft schnell entscheiden soll, wie an der steigenden Zahl von Abstimmungen zur Abschaffung der Pauschalbesteuerung erkennbar ist. Unter dem Deckmantel einer angeblichen «Steuergerechtigkeit» eröffnen die Initiatoren auf geschickte Weise die Diskussion und bewirken Entscheide in Kantonen, in denen dieses Thema gar nicht relevant ist, um anschliessend mit diesen Beispielen auftrumpfen zu können.
Anstatt zu warten, bis in den Regionen selbst das Interesse entsteht, eine eigene Orientierung zu definieren, beabsichtigen diese Gutmenschen, der gesamten Bevölkerung des Landes ideologische Vorgaben aufzuzwingen, ohne legitime Bestrebungen und insbesondere lokale Zuständigkeiten zu berücksichtigen. Im Gegenteil, die Ansteckung geht weiter: Lex Weber, Raumplanungsgesetz, Pauschalbesteuerung, Unternehmensbesteuerung, Erbrecht, Schule und Ausbildung, öffentliches Beschaffungswesen, Polizei, Tierseuchen, Epidemien usw.
In einem anderen Bereich verhandelt der Bundesrat auf internationaler Ebene über Abkommen, die je nach Situation der einzelnen Kantone sehr unterschiedliche Auswirkungen haben können.
So haben die Einmischung fremden Rechts und linker Einstellungen im Bereich der Unternehmensbesteuerung und der Besteuerung natürlicher Personen legitime Reaktionen in den betroffenen Kantonen hervorgerufen, die keine Steuereinnahmen verlieren wollen, was Konflikte hervorruft mit Kantonen, die in diesem Bereich keinerlei Interessen haben: Teile und herrsche …
Dies ist zu bedauern. Denn der Föderalismus, der bisher Einheit und Stärke unseres Landes ausgemacht hat, berücksichtigt eben die unterschiedlichen regionalen Situationen und Empfindungen. Er ermöglicht es, den Reichtum der Mischung verschiedener Kulturen in der gemeinsamen Geschichte des Landes zu bewahren. Er verleiht allen, vom einfachen Bürger bis zum politischen Vertreter, eine individuelle Verantwortung: Leben und leben lassen.
Die Steuerhoheit der Schweizer Kantone ist ein Beispiel für eine sinnvolle sozio­politische Organisation: Die direkt gewählten und dem Volk nahestehenden Behörden nutzen die Steuereinnahmen für klar erkennbare lokale Ausgaben und bereiten ausgewogene Budgets vor, die den von den Steuerpflichtigen – zu denen sie selbst gehören – zur Verfügung gestellten Mitteln entsprechen.
Die Bürger bezahlen ihre Steuern ehrlich, da sie nicht den Eindruck haben, «geschoren» zu werden, um die Wahlziele ihrer politischen Vertreter zu erfüllen. Sie sind Steuerzahler und nicht Untergebene. Sie beurteilen die Steuern als «normal», da sie deren Nutzen durchaus einsehen und nachvollziehen können, wofür ihre Beiträge verwendet werden. Dazu kommt, dass sie per Volksabstimmung die Höhe des Steuersatzes selbst bestimmen können. Sie begreifen auch, dass ihr Wohlergehen in starkem Masse von den Beiträgen derjenigen abhängt, die über mehr Mittel verfügen als sie selbst. Ausserdem sind sie nicht abhängig vom Wohlwollen und den klientelistischen Beziehungen ihrer regionalen Vertreter mit der Zentralmacht, bevor sie ihr Geld in die Gemeinde zurückkommen sehen. Es geht um ein ökologisches Vorgehen in der öffentlichen Verwaltung.
Die Steuerhoheit der Kantone und Gemeinden erlaubt es, die Steuererhöhungen durch eine gesunde Konkurrenz zwischen Gemeinden und Kantonen zu begrenzen. Die Möglichkeit für unzufriedene Bürger, über die regionale Besteuerung «mit den Füssen» abzustimmen, zwingt die Behörden, Lösungen zu finden für die Bereitstellung bestmöglicher Infrastrukturen und Dienstleistungen zu angemessenen Kosten. Die durchschnittliche Höhe der Steuern kann so auf einem vernünftigen Niveau gehalten werden.
Die Schweizer sind sich bewusst, dass sie ihre Stellung, ihre Umwelt und ihre Sicherheit unter Kontrolle haben. Die lokalen Regierungsvertreter und die Verwaltung sind gut zugänglich. Die Probleme und Bedürfnisse der Bürger werden direkt und schnell behandelt, geregelt und erledigt, von Personen, die Teil ihrer Gemeinschaft sind. Unsere Verwaltungsangestellten entstammen nicht einer speziellen Kaste, deren Mitglieder speziell zu Verwaltungsbeamten ausgebildet werden, sondern sie sind Bürger wie alle anderen, die mit den gleichen Problemen konfrontiert sind wie der Rest der Bevölkerung.
Wer zahlt, befiehlt. Die Schweizer Politik und das Steuerwesen als ihre logische Folge, gründen von jeher auf einem Vertrauensverhältnis zwischen Bürgern und Behörden, auf einer nach Abwägung der Interessen erzielten Übereinkunft, gründend auf dem Respekt sowohl vor der Vielfalt als auch vor Minderheiten. Ein geistiger Reichtum, der den sozialen Frieden und die wirtschaftliche Entwicklung gewährleistet, da er auf Freiheit und individueller Verantwortung ­gründet.
Es gibt jedoch eine bestimmte Strömung, deren Vertreter zum Teil naiv und konformistisch, zum Teil bewusst manipulatorisch sind, die diese Sicht nicht teilt. Sie erhebt die Gleichheit zum Dogma – zumindest ihre Auffassung von Gleichheit. Bedauerlicherweise streben gewisse politische Vertreter und Bundesbeamte, die von der Zentralisierung der Macht profitieren wollen, eine Schwächung des Föderalismus an.
Anstelle eines gesunden Kräfteverhältnisses zwischen den Parteien sehen wir uns immer mehr einem Kampf zwischen Staat und Volk gegenüber. Die Demokratie wird mehr und mehr von einem technokratischen Zentralismus verdrängt. Die Führung nimmt immer seltener Bezug auf die Vision eines Landes, das durch eine jahrhundertealte Zuversicht zusammengehalten wird.
Die unerschütterliche Verteidigung des Föderalismus ist keine Frage einer traditionellen Links-rechts-Auseinandersetzung, sondern sie zielt auf die Erhaltung des konföderalen Friedens ab, der für die wirtschaftliche Entwicklung und somit für den Lebensstandard jedes Einzelnen förderlich ist.
Der Bundesrat muss sich somit mit den Bundesthemen befassen und sich nicht in die Kantonsangelegenheiten einmischen. Die Schweiz darf nicht zu einem Unternehmen «à la française» verkommen, angeführt von Gewerkschaftern, von interventionistischen Ministern, von lokalen Fürsten und einem nationalen Monarchen, geschweige denn von europäischen Funktionären, die mehr mit ihrer Machterhaltung beschäftigt sind als mit dem Wohlergehen ihrer Mitbürger.    •

Quelle: Le Temps vom 25. Januar 2013
(Übersetzung Zeit-Fragen)

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