Über China, Senator Rand Paul und den furchtbaren Preis der offenen Grenzen

Über China, Senator Rand Paul und den furchtbaren Preis der offenen Grenzen

von Michael Scheuer*

Obwohl der Bericht von dieser Woche, das chinesische Militär habe die Webseiten von Regierung und Firmen der USA gehackt, und das Auftreten von Senator Rand Paul vom letzten Sonntag [10. Februar] auf Fox News – bei dem er Präsident Obama aufgefordert hat, anzuerkennen, dass er in den Vereinigten Staaten einen US-Bürger nicht mit einer Drohne töten könne – in keinem Zusammenhang zum Problem der Grenzen zu stehen scheinen, sind sie für das Thema sehr relevant.
Was das chinesische Militär getan zu haben scheint ist, eine Art Grenze überschritten zu haben, eine elektronische, die dazu gedacht ist, sensitives verteidigungspolitisches und geschäftliches Material der USA zu schützen, das auf Computersystemen gespeichert ist. Dass die Chinesen das tun, ist keine Überraschung. Sie sind schon eine Weile daran, genauso wie westliche Regierungen. Man erinnere sich an die Berichte über den US-israelischen Cyber-Angriff auf die iranischen Nuklareinrichtungen und die wiederholten Angriffe von Amateur-Hackern auf westliche Banken, Kreditkartenunternehmen, Pressekanäle und Regierungsämter.
Im aktuellen Fall scheint der detaillierte Bericht, der über die chinesischen Angriffe publiziert wurde, in der amerikanischen Öffentlichkeit und bei einigen gewählten und nichtgewählten Bundesbeamten eine beträchtliche Wut hervorzurufen. Und das sollte er. Unsere souveräne elektronische Grenze – wenn man so will – ist von einer ausländischen Macht schamlos verletzt worden, in der Absicht, Amerika zu schädigen, oder zumindest China darauf vorzubereiten, uns in der Zukunft Schaden zuzufügen. Es macht den Anschein, dass der chinesische Angriff dazu führt, dass unsere elektronische Abwehr verschärft wird, was alles nur von Gutem ist.
Der grösste Teil des amerikanischen Zorns über den schamlosen Cyber-Angriff auf unsere Cyber-Grenze verschwindet allerdings, wenn es um die Tatsache geht, dass so viele unserer Feinde unsere althergebrachten Landes- und Küstengrenzen schamlos und regelmässig übertreten haben. Und hier sind die Worte von Senator Paul relevant. Auf Fox News hat Senator Paul sich um Präsident Obama Sorgen gemacht – und wohl auch über seine Nachfolger – und den Einsatz einer Drohne, um US-Bürger innerhalb der Vereinigten Staaten zu töten. Das ist ein legitimer Punkt, oder wäre es gewesen, wenn die Befürchtungen des Senators nicht zu einem viel zu späten Zeitpunkt kommen.
Bedauerlicherweise für unser Land ist die Sorge von Senator Paul über den Einsatz von Drohnen im Innern der Vereinigten Staaten von den Ereignissen bereits überholt. Dreissig und mehr Jahre fehlende Grenzkontrollen zu Land und an der Küste bedeuten zwei Dinge: a) Wir haben keine Ahnung, wie viele unserer Feinde und ihrer Stellvertreter in Amerika sind, und b) wir haben keine Ahnung, welche Art von Waffen diese Feinde bereits entweder innerhalb der Vereinigten Staaten oder unmittelbar jenseits der Grenze in Mexiko und Kanada versteckt haben.
Während amerikanische Politiker während dreissig Jahren über eine «Reform der Immigration» gestritten haben, haben sie die Tatsache ignoriert, dass die einzig wichtige Sorge hinsichtlich der US-Grenzen deren grundlegender und unmittelbarer Zusammenhang zur nationalen Landesverteidigung ist. Diese Überlegung erfolgt an erster und an letzter Stelle und immer; alle anderen Befürchtungen bezüglich der Grenze sind unvergleichlich weniger wichtig. Und da wir nichts getan haben, um uns durch die Kontrolle der Grenzen zu schützen, werden wir in nicht allzu ferner Zukunft einen Präsidenten erleben, der nicht nur Drohnen innerhalb der Vereinigten Staaten einsetzt, sondern auch den Ausnahmezustand verhängt, um die Ordnung aufrechtzuerhalten, und das US-Bundesrecht dahingehend verändert, dass US-Armeeeinheiten innerhalb des Landes operieren können.
Wenn Sie das für weithergeholt halten, so nur deshalb, weil Sie von den Mainstream-Medien und Politikern eingelullt wurden, die alle um die lebenswichtige Rolle, die kontrollierte Grenzen für die Landesverteidigung zu spielen haben, wissen, aber nicht darüber sprechen wollen.
Die Wahrheit ist daher, dass niemand von uns die Medien, die Politiker oder streifendekorierte Generäle braucht, um uns das Offensichtliche zu sagen. Amerika hat den Krieg im Irak verloren, weil wir die Grenzen für hereinkommende Mudschahedin nicht schliessen konnten oder nicht schliessen wollten. Wir haben den Krieg in Afghanistan verloren, weil wir es unterliessen, nur schon in Erwägung zu ziehen, die Grenzen zwischen Afghanistan und Pakistan zu schliessen. Wir haben den Krieg gegen die Drogen verloren, weil wir es versäumten, unsere eigenen Grenzen zu kontrollieren. Das syrische Regime von Bashar al-Asad verliert seinen Krieg, weil es seine Grenzen nicht länger kontrollieren und das Hereinströmen islamistischer Kämpfer nicht stoppen kann. Israel sieht sich einer erheblichen zukünftigen Gefahr gegenüber, weil die arabischen Tyrannen nicht mehr da sind, um ihre Seite der Grenze zu Israel zu kontrollieren. Kurz: unkontrollierte Grenzen führen unausweichlich zu einem Desaster.
Und Amerika wird bei dieser feststehenden Regel keine Ausnahme sein. Abgesehen von den Millionen nicht dokumentierten Ausländern, die heute in Amerika sind, hat die US-Regierung in diesen 30 Jahren eine interventionistische Aussenpolitik betrieben, mit der andere Länder und Bewegungen bedroht und drangsaliert worden sind – von denen viele die Anwendung von Schikanen, wenn nicht harte Bestrafung eindeutig verdienen – und hat sich damit eine oft erbitterte Feindschaft unter ihnen eingehandelt.
Während des gleichen Zeitraumes hat die US-Regierung unsere Grenzen unkontrolliert gelassen, und wenn unsere Feinde keine Idioten sind – und das sind sie nicht – haben sie diese offenen Grenzen ausgenutzt, um sich auf den Tag vorzubereiten, an dem sie a) die US-Schikanen und -Drohungen nicht länger ertragen oder b) Washington direkt militärische Aktionen gegen sie ergreift. Glaubt jemand allen Ernstes, dass Iran oder die sunnitische islamistische Bewegung sich den Vorteil der offenen Grenzen nicht zunutze gemacht haben, um Kämpfer und Waffen in die Vereinigten Staaten einzuführen? Nimmt jemand dem FBI wirklich sein traditionelles Mantra ab, das besagt, «wir haben sie nicht gefunden in Amerika, also sind sie nicht da»? Ist es nicht einfach vernünftig, dass Amerikas Feinde – die in einem regelrechten Kampf mit der US-Armee nicht die geringste Chance hätten – sich darauf vorbereiten, Rache zu üben, indem sie sich darauf einrichten, ein Blutbad innerhalb der Vereinigten Staaten anzurichten? Und wäre es für Washington nicht ebenso vernünftig gewesen, seine Grenzen kontrolliert zu halten, solange es darauf aus war, eine interventionistische Aussenpolitik zu führen, von der es weiss, dass sie einen grossen Teil der Welt vor den Kopf stösst?
Letztlich werden wir uns wahrscheinlich wirksam gegen die chinesischen Cyberangriffe verteidigen können. Wir wissen um sie und sind darüber verärgert und sind selber in dieser Kriegsführung ganz schön gut. Aber leider ist es viel zu spät, uns selbst gegen die inneramerikanische Gewalt zu schützen, die in den Vereinigten Staaten auftreten wird, weil wir es versäumt haben, unsere Grenzen zu kontrollieren. Es besteht kein Zweifel, dass Kämpfer und Geschütze unserer Feinde schon hier sind; die einzige Frage ist, wann sie sich dazu entscheiden, sie einzusetzen. Wenn sie es tun, werden die legitimen Sorgen von Senator Paul um den Schutz der Rechte der US-Bürger innerhalb der Vereinigten Staaten fortgespült von Kriegsrecht, diktatorischer Macht des Präsidenten und US-Militäroperationen im Inland – die alle Frucht der unkontrollierten Grenzen und damit der günstigen Gelegenheiten sind, die diese unseren Gegnern schufen, um sich auf den Krieg in Nordamerika vorzubereiten.    •

Quelle: Michael Scheuers Non-Intervention.com vom 20.2.2013
(Übersetzung Zeit-Fragen)

*    Michael Scheuer, geboren 1952, Historiker und politischer Analyst. Scheuer war während 22 Jahren, bis 2004, Mitarbeiter der CIA, wo er von 1996 bis 1999 die «Usama-bin-Ladin-Einheit» leitete. Nach Verlassen der CIA war er journalistisch für die Nachrichtengesellschaft CBS News und The Jamestown Foundation tätig. Heute lehrt Scheuer an der Georgetown University in Washington. Er ist zudem Sicherheitsexperte für verschiedene Fernsehsender und schreibt Bücher. Bekanntgeworden ist vor allem sein auf Verlangen der CIA zunächst anonym erschienenes Buch «Imperial Hubris: Why the West is Losing the War on Terror.» Er unterstützte 2012 die Kandidatur Ron Pauls unter Verweis auf dessen aussenpolitische Ansichten.

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