Präimplantationsdiagnostik: Wo setzen wir die Grenzen?

Präimplantationsdiagnostik: Wo setzen wir die Grenzen?

Das medizinisch Machbare stellt die Gesellschaft als ganze vor grundsätzliche ethische Fragen

von Christa Schönbächler und Stefanie Dadier, insieme Schweiz, Bern (Auszug)

Von der Ausnahmesituation zur Regelselektion

Irreführenderweise wird häufig versucht, die PID mit der Pränataldiagnostik gleichzusetzen. Doch die Begründung, dass mit beiden Methoden die gleichen Krankheiten oder chromosomalen Veränderungen festgestellt werden können, greift zu kurz. Bei der Pränataldiagnostik haben die werdenden Eltern, vor allem die schwangere Frau, zu entscheiden, ob der Embryo in der Gebärmutter der Frau ausgetragen werden und leben soll. Sie wählen nicht den «besten» Embryo aus mehreren aus. Sie stehen vor der Frage, ob sie das eine Kind behalten wollen und sich für ein Leben mit einem behinderten Kind entscheiden können. Für die PID dagegen wird künstlich eine Auswahl an Embryonen hergestellt, das Paar bzw. medizinisches Personal trifft die Entscheidung, welcher Embryo auf Grund seiner genetischen Disposition eingepflanzt werden soll.

Wenig bekannte Fakten

Als Motiv für die Einführung der PID wird hauptsächlich angeführt, Paaren mit Fertilitätsproblemen helfen zu wollen. Medizinische Studien belegen jedoch, dass die PID die Chance auf eine Schwangerschaft bei künstlicher Befruchtung nicht erhöht (vgl. Harper u. a. 2010). Auch belasten die Hormonstimulationen den Körper einer Frau erheblich, da bis zu 12 Eizellen und mehr für die PID benötigt werden. Die Möglichkeit der PID zusammen mit dem «Social Egg Freezing» weckt bei vielen Frauen falsche Erwartungen auf eine problemlose Mutterschaft in fortgeschrittenem Alter (vgl. insieme 2014 a). Zu beachten ist weiter, dass die Einführung der PID auch ökonomisch sehr grosse Vorteile bringen wird. In Österreich und in Italien ist die PID noch gänzlich verboten, in Frankreich und in Deutschland ist sie restriktiv geregelt. Mit einer liberalen Gesetzes­lösung wird die Schweiz als Behandlungsort für unfruchtbare Paare aus umliegenden Ländern attraktiv. […]

Volksabstimmung 2015: Chance für eine gesellschaftliche Diskussion

Am 14. Juni 2015 wird das Schweizervolk darüber abstimmen, ob Art. 119 der Bundesverfassung so geändert wird, dass Embryonen künftig in grösserer Zahl ausserhalb des Mutterleibs hergestellt und aufbewahrt werden dürfen. Diese Verfassungsänderung ist Voraussetzung, damit das abgeänderte Fortpflanzungsmedizingesetz in Kraft treten kann.
insieme und weitere Behindertenorganisationen sehen die Volksabstimmung als Chance für eine gesellschaftliche Debatte über vorgefasste Werturteile gegenüber behinderten Menschen.
Sie wollen die Bedenken und Warnungen aus Sicht von Menschen mit einer Behinderung einbringen (insieme 2014 b):

  • «Krankheiten und Behinderungen sind Teil des Lebens, sie bestimmen aber nicht dessen Wert. Bei der PID findet eine wertende Auswahl von Leben statt. Diese Bewertung hat zwangsläufig Auswirkungen auf die Selbst- und Fremdwahrnehmung von Menschen, die Träger einer als unerwünscht bezeichneten genetischen Beeinträchtigung sind.
  • Die meisten Behinderungen entstehen während oder nach der Geburt und sind nicht genetisch bedingt. Die PID weckt die irreführende Vorstellung, Behinderungen und Krankheiten liessen sich durch Inanspruchnahme vorgeburtlicher Diagnostik vermeiden.
  • Mit einer Zulassung des Chromosomen-Screenings wird der Erwartungsdruck auf alle angehenden Eltern weiter zunehmen, alles technisch Machbare zu unternehmen, um ein Kind mit Behinderung zu vermeiden. Frei und selbstbestimmt zu entscheiden, wird damit zunehmend schwieriger.
  • Es darf nicht dazu kommen, dass Eltern einem Rechtfertigungsdruck ausgesetzt werden oder im Extremfall negative Konsequenzen tragen müssen, wenn sie sich gegen vorgeburtliche Diagnostik oder bewusst für ihr Kind mit Behinderung entscheiden.»

Während Jahrhunderten bildeten Menschen mit einer Trisomie einen Teil unserer Gesellschaft. Wenn die Entwicklung bei der PID uneingeschränkt weitergeht, ändert sich dies vielleicht. Wollen wir das? Beim Testen von Erbkrankheiten und Trisomien wird es nicht bleiben. Der Anspruch wird kommen, weitere «unerwünschte» Veranlagungen und Eigenschaften zu selektionieren. Nur: Welche werden das sein? An welchem Menschenbild orientieren wir uns dabei?    •

<link http: insieme.ch wp-content uploads präimplantationsdiagnostik_wo-setzen-wir-die-grenzen_vhn.pdf external-link-new-window external link in new>insieme.ch/wp-content/uploads/2015/04/Präimplantationsdiagnostik_wo-setzen-wir-die-Grenzen_vhn.pdf   

Unsere Website verwendet Cookies, damit wir die Page fortlaufend verbessern und Ihnen ein optimiertes Besucher-Erlebnis ermöglichen können. Wenn Sie auf dieser Webseite weiterlesen, erklären Sie sich mit der Verwendung von Cookies einverstanden.
Weitere Informationen zu Cookies finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
 

Wenn Sie das Setzen von Cookies z.B. durch Google Analytics unterbinden möchten, können Sie dies mithilfe dieses Browser Add-Ons einrichten.

OK